Bürgergeld: Jobcenter dürfen zum Job-Speed-Dating verpflichten – Urteil

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Der Besuch einer Jobmesse, Job-Speed-Datings oder ähnlichen Veranstaltungsformaten gehört zu den zulässigen Meldezwecken nach § 309 Abs. 2 SGB III und führt folglich zu den Verpflichtungen nach § 32 SGB II (Sanktion wegen Meldeversäumnisses).

Dies gilt zu mindestens dann, wenn – wie im konkreten Fall – durchgängig oder doch jedenfalls für einen erheblichen Teil der Veranstaltung ein Mitarbeiter des Leistungsträgers vor Ort anwesend ist und, jedenfalls bei Bedarf, die meldepflichtigen Personen unterstützend und beratend tätig werden kann und soll.

Das gibt aktuell das Hessische Landessozialgericht in Hessen mit Urteil vom 21.05.2025 – L 6 AS 487/24 – bekannt.

Begründung des Gerichts

Die Aufforderung zur Meldung bei einer vom Jobcenter außerhalb ihrer Diensträume durchgeführten Jobmessen, Job-Speed-Datings ist rechtmäßig, wenn am Meldeort eine persönliche Kontaktaufnahme mit dem Beklagten/ Behörde im Interesse einen der im Gesetz geregelten Meldezwecke erfolgt.

Das Jobcenter darf Bezieher von Bürgergeld sanktionieren wegen Nicht- Wahrnehmung einer Meldeaufforderung ( § 32 Abs. 1 SGB II ), denn bei einer Meldeaufforderung im Zusammenhang mit Jobmessen, Job-Speed-Datings oder ähnlichen Veranstaltungsformaten ist von einer durch das Jobcenter geleisteten Vermittlung in Arbeit, die gerade auch die Vorbereitung und Anbahnung von Kontakten zu Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern umfasst.

Es ist auch einem dadurch legitimierten Meldezweck im Sinne von § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 SGB III auszugehen, wenn – wie im konkreten Fall – durchgängig oder doch jedenfalls für einen erheblichen Teil der Veranstaltung ein Mitarbeiter des Leistungsträgers vor Ort anwesend ist und, jedenfalls bei Bedarf, die meldepflichtigen Personen unterstützend und beratend tätig werden kann und soll ( Verweis auf Bay. LSG, Urteil vom 14. September 2016 – L 16 AS 373/16 – ).

Die Vorinstanz des SG Kassel sowie des Hessische LSG sind der Auffassung, dass die an den Kläger gerichtete Aufforderung, sich im Rahmen des „Job-Speed-Datings“ bei einem Mitarbeiter des Beklagten zu melden, rechtlich nicht zu beanstanden war

Dass die Meldung notwendig (nur) in den Räumen des Dienstgebäudes des Leistungsträgers stattfinden müsse, ergibt sich nach Auffassung des Senats weder aus § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II noch aus § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Rechtlich allein maßgeblich ist vielmehr, dass die Meldung bei einem Mitarbeiter des Leistungsträgers selbst und also nicht bei einem Dritten und an einem Ort stattfinden soll, an dem dieser Mitarbeiter ein Dienstgeschäft vornehmen will und kann, das mit einem zulässigen Meldezweck verbunden ist.

Ein zulässiger Meldezweck lag vor

Ein zulässiger Meldezweck hat vorgelegen, nämlich die Vermittlung in Arbeit im Sinne von § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 SGB III.

Dabei muss das Gericht nicht entscheiden, ob dies ganz grundsätzlich und in allen Fällen für eine Vorsprache im Zusammenhang mit Jobmessen, Job-Speed-Datings oder ähnlichen Veranstaltungsformaten gilt (vgl. zu dieser Frage bejahend: Bay. LSG, Urteil vom 14. September 2016 – L 16 AS 373/16- , aber ablehnend: LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 20. Februar 2014 – L 7 AS 1058/13 B – ).

Das Landessozialgericht Hessen vertritt hier die Meinung

Dass von einer durch das Jobcenter geleisteten Vermittlung in Arbeit, die gerade auch die Vorbereitung und Anbahnung von Kontakten zu Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern umfasst, und einem dadurch legitimierten Meldezweck auszugehen, wenn – wie hier – durchgängig oder doch jedenfalls für einen erheblichen Teil der Veranstaltung ein Mitarbeiter des Leistungsträgers vor Ort anwesend ist und, jedenfalls bei Bedarf, die meldepflichtigen Personen unterstützend und beratend tätig werden kann und soll.

Das ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der Leistungsbezieher (doch) bereit ist, sich auf die Veranstaltung und deren Zweck einzulassen und mit einem oder mehreren möglichen Arbeitgebern Kontakt aufzunehmen (was über § 59 SGB II in Verbindung mit § 309 Abs. 2 Nummer 2 Alt. 2 SGB III nicht erzwungen werden kann, aber doch der gesetzlichen Erwartung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II entspricht) und Mitarbeiter des Leistungsträgers ihn dabei unterstützen.

Vielmehr gilt dies auch dann, wenn dies nicht der Fall ist:

Auch und gerade dann kann es für den Leistungsträger legitimerweise wichtig sein zu erfahren, warum dies so ist und ob hierin Vermittlungshemmnisse zum Ausdruck kommen, die besprochen und möglicherweise beseitigt werden können, oder ob diese Vermittlungshemmnisse andere Formen der Vermittlung notwendig machen oder doch nahelegen.

Fazit

Das Gericht hat bei einer vom Leistungsträger aktiv begleiteten Veranstaltung hat daher keine Bedenken, von einem zulässigen Meldezweck auszugehen.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Offen gelassen hat das Hessische LSG, ob dies ganz grundsätzlich und in allen Fällen für eine Vorsprache im Zusammenhang mit Jobmessen, Job-Speed-Datings oder ähnlichen Veranstaltungsformaten gilt ( bejahend Bay. LSG, Urteil vom 14. September 2016 – L 16 AS 373/16- , aber ablehnend: LSG Nds.-Bremen, Beschluss vom 20. Februar 2014 – L 7 AS 1058/13 B – ).