Gute Schulnoten sprechen gegen Schwerbehinderung – Urteil

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Gute Schulnoten und ein Freundeskreis sind bei an Diabetes Typ I erkrankten Kindern ein Hinweis darauf, dass keine โ€žgravierende Beeintrรคchtigungโ€œ der Lebensfรผhrung vorliegt.

Dies gilt auch dann, wenn betroffene Kinder und Jugendliche eine intensivierte Insulintherapie mit mehrfachen Blutzuckermessungen benรถtigen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in zwei verรถffentlichten Urteilen (Az.: L 13 SB 60/23 und Az.: L 13 SB 90/23).

Ohne โ€žgravierende Beeintrรคchtigungenโ€œ der Lebensfรผhrung kรถnne ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 und damit eine Schwerbehinderung aber nicht anerkannt werden, so die Celler Richter.

Klage auf GdB 50

Im ersten Verfahren hatte ein zehnjรคhriges, an Diabetes Typ I erkranktes Mรคdchen geklagt. Ihr wurde ein GdB von 40 zuerkannt. Mit ihrer Klage wollte sie einen GdB von 50 erreichen.

Ihre Eltern verwiesen auf ihren Pflegegrad 2. Um einen stabilen Blutzuckerwert in der Grundschule zu gewรคhrleisten, sei sie auf einen Integrationshelfer angewiesen. Seit dieser fรผr die weiterfรผhrende Schule nicht mehr genehmigt worden sei, seien Konzentrationsschwierigkeiten und auffรคlliges Verhalten aufgetreten.

Besuche bei Freunden seien nur in Begleitung eines Elternteils mรถglich, damit die Insulindosis sicher angepasst werden kรถnne. Fรผr die Therapie mรผsse ihre Tochter deutlich mehr begleitet, beobachtet und betreut werden, als dies bei Gleichaltrigen รผblich sei. Die erhebliche Beeintrรคchtigung der Lebensqualitรคt begrรผnde einen GdB von 50.

Gute Schulnoten sprechen gegen Schwerbehinderung bei Diabetikern

ร„hnlich argumentierte im zweiten Fall der ebenfalls an Diabetes Typ I erkrankte 14-jรคhrige Klรคger.

Er fรผhrte an, dass die Teilnahme an รผblichen Freizeitaktivitรคten einen erheblichen planerischen Aufwand erfordere. Er mรผsse sich viermal tรคglich Insulin spritzen und sei durch regelmรครŸig erhรถhte Blutzuckerwerte an Nachmittagen in seiner Freizeitgestaltung und in der Lebensmittelwahl stark eingeschrรคnkt.

Wegen seiner gravierenden Beeintrรคchtigung in der Lebensfรผhrung mรผsse ihm ein GdB von 50 zuerkannt werden.

In beiden Verfahren lehnte das Niedersรคchsiche Landessozialamt die Anerkennung der Schwerbehinderung ab. Die Behรถrde verwies auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Dezember 2014 (Az.: B 9 SB 2/13 R).

Es mรผssen gravierende Einschrรคnkungen in mehreren Lebensbereichen vorliegen

Das Gericht hatte im Fall eines erwachsenen Diabetikers geurteilt, dass es bei der Zuordnung eines GdB auf eine Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche ankomme. Es mรผssten โ€žgravierendeโ€œ Einschrรคnkungen in mehreren Lebensbereichen vorliegen. Dabei seien โ€žstrenge Anforderungenโ€œ anzulegen.

Diese lรคgen in den beiden aktuellen Fรคllen nicht vor, urteilte das LSG. Nach der Versorgungsmedizin-Verordnung kรถnne bei Diabetikern ein GdB von 50 zuerkannt werden, die bei variierendem Blutzuckerspiegel mindestens vier Insulininjektionen tรคglich benรถtigen und die durch die โ€žAuswirkungen des Diabetes insgesamt gesehen erheblich in der Lebensfรผhrung beeintrรคchtigtโ€œ sind.

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LSG Celle sieht keine erhebliche Beeintrรคchtigung der Lebensfรผhrung

Zu den mit der Insulintherapie verbundenen Einschnitten mรผssten zusรคtzliche Faktoren hinzukommen, etwa wenn der Betroffene durch die schlechte Blutzuckereinstellung โ€žin seiner Leistungsfรคhigkeit und damit in seiner Teilhabefรคhigkeit am Leben in der Gemeinschaft erheblich beeintrรคchtigt istโ€œ.

Einzelne Einschrรคnkungen, etwa bei der Nahrungsaufnahme, stellten noch keine ausgeprรคgte Teilhabebeeintrรคchtigung dar.

Zwar kรถnnten bei Kindern und Jugendlichen besondere Risiken bestehen. Allein das Risiko starker psychischer Probleme etwa infolge sozialer Ausgrenzung oder Mobbing in der Schule kรถnnten einen GdB aber nicht begrรผnden. Hierfรผr mรผssten die Probleme tatsรคchlich auftreten.

In den Streitfรคllen seien die Klรคger in der Schule beliebt, hรคtten Freunde, gute Noten und zeigten ein รผbliches, altersgerechtes Verhalten. Eine erforderliche elterliche รœberwachung und Begleitung stelle dabei noch keine โ€žgravierende Beeintrรคchtigung in der Lebensfรผhrungโ€œ dar, so das LSG, welches allerdings die Revision zum BSG zulieรŸ. fle