Allein der Verdacht, dass ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Kokain konsumiert, rechtfertigt eine Kündigung. So entschied das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (4 Sa 446/23). Denn es handle sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten und könne somit einen wichtigen Kündigungsgrund darstellen. Dabei reicht für eine fristlose Kündigung der dringende Tatverdacht aus.
Inhaltsverzeichnis
Weißes Pulver durch die Nase gezogen
Der Betroffene arbeitete als Kommissionierer in Vollzeit bei einem Logistikunternehmen und war seit 2018 als Betriebsratsmitglied freigestellt. Im Betrieb gilt ein Suchtmittelverbot. Ein anderes Mitglied des Betriebsrats beobachtete, wie der Betroffene an seinem Schreibtisch mit einer Karte eine Linie formte und durch diese mit einem Röhrchen weißes Pulver in die Nase zog.
Drogentest verweigert
Darauf angesprochen behauptete der Betroffene, es habe sich um Schnupftabak mit Traubenzucker gehandelt. Der Arbeitgeber forderte ihn zu einem Drogentest auf, dem kam er jedoch nicht nach.
Der Arbeitgeber hörte den Kläger an, bat um die Zustimmung des Betriebsrates und kündigte dem Betroffenen danach als außerordentliche Tat- und hilfsweise Verdachtskündigung. Der Betroffene erhob eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und dieses wies die Klage ab. Er ging in Berufung vor dem Landesarbeitsgericht.
Landesarbeitsgericht erklärt Kündigung für wirksam
Das Landesarbeitsgericht sah die fristlose Kündigung als gerechtfertigt an. Es sei zwar unklar, ob der Betroffene tatsächlich Drogen konsumiert und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt habe. Damit handle es sich nicht um eine Tatkündigung.
Tatverdacht reicht aus
Für eine fristlose Kündigung reiche jedoch der dringende Tatverdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus, denn dies sei ein eigenständiger Kündigungsgrund. Dafür müsse es erstens einen konkret begründbaren Tatverdacht geben. Zweitens müsse der Arbeitgeber alles ihm Zumutbare tun, um den Sachverhalt aufzuklären und dem Arbeitgeber Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dies habe der Arbeitgeber getan.
Besitz von Kokain ist eine Straftat
Der Besitz von Kokain, der mit dem Konsum zwingend einhergehe, sei eine Straftat. Eine Begehung einer Straftat in den Räumen des Arbeitgebers während der Arbeitszeit sei ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung „in sich“.
Vertrauen unwiderruflich zerstört
Zwar habe der Betroffene abgestritten, dass es sich um Kokain handle, doch das Landesarbeitsgericht hielt dies für eine Schutzbehauptung, besonders, weil der Betroffene einen Drogentest ablehnte. Die Kündigung sei auch verhältnismäßig, da das Vertrauen in den Betroffenen, der als Mitglied des Betriebsrates eine Vorbildfunktion einnehme, unwiderruflich zerstört sei.
Was folgt aus dem Urteil?
Wenn der Verdacht im Raum steht, dass Sie am Arbeitsplatz eine Straftat begangen haben, der Arbeitgeber Sie dazu anhört und Ihnen eine objektive Möglichkeit gibt, den Verdacht zu entkräften, dann sollten Sie diese nutzen, denn ansonsten kann eine fristlose Kündigung die Folge sein.
Es sei in diesem Fall dahingestellt, ob der Betroffene wirklich Kokain am Arbeitsplatz konsumiert hat, und es lässt sich nicht beweisen. Das Urteil zeigt aber deutlich, dass es auch keines Beweises bedarf. Es reicht aus, dass der Verdächtige eine Möglichkeit nicht nutzt, die der Arbeitgeber ihm bietet, um den Verdacht auszuräumen.
Selbst wenn der Betroffene dachte, er müsse doch nichts widerlegen, was er nicht getan hätte, hatte er am Ende das Nachsehen. Denn der Tatverdacht allein reichte aus dafür, ihm außerordentlich zu kündigen.