โMotivationszuwendung” fรผr Behinderte meist kein Einkommen
Zahlen freie Wohlfahrtsverbรคnde behinderten und psychisch kranken Menschen eine Zuwendung fรผr die Teilnahme an einer Arbeitstherapie, darf das Jobcenter in der Regel das Geld nicht mindernd auf Hartz-IV-Leistungen anrechnen.

Ab monatliche Zuverdienst รผber 200 Euro anrechenbares Einkommen bei Hartz IV
Nur wenn der monatliche Zuverdienst รผber 200 Euro liegt, stellt der darรผberliegende Betrag zu berรผcksichtigendes Einkommen dar, entschied das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in Mรผnchen in einem am kรผrzlich verรถffentlichten Urteil vom 21. Mรคrz 2019 (Az.: L 7 AS 114/16). Dabei kรถnnen Betroffene aber noch Freibetrรคge in Form von Versicherungspauschalen oder auch fรผr Altersvorsorgeaufwendungen geltend machen.
Motivationszuwendung fรผr Arbeitstherapie
Im konkreten Fall hatte der Caritasverband in Mรผnchen einem alkoholkranken, aber mittlerweile abstinenten Mann eine โMotivationszuwendung” gezahlt, damit dieser an einer Arbeitstherapie teilnimmt. Der als erwerbsfรคhig, aber seelisch behinderte geltende Mann konnte seinen normalen Tagesablauf nicht strukturieren. Eine anhaltende Arbeitsleistung konnte er nicht erbringen.
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Bei der Caritas erhielt er daher einen Betreuungsplatz, wo er unter anderem wieder Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung lernen sollte. Der Caritasverband zahlte fรผr jede Stunde, die der Mann an dem Arbeitstraining teilnahm, fรผnf Euro. Wรถchentlich durfte er an bis zu 14,99 Trainingsstunden teilnehmen. Monatlich erhielt er so im Streitzeitraum Februar bis September 2015 zwischen 127,25 bis 295 Euro ausbezahlt.
Jobcenter rechneteย Motivationszuwendung an
Das Jobcenter wertete das Geld als Einkommen und minderte entsprechend die Hartz-IV-Leistungen. Der Hartz-IV-Bezieher durfte lediglich den Erwerbstรคtigenfreibetrag von monatlich 100 Euro behalten. Auch eine Versicherungspauschale und Altersvorsorgeaufwendungen in Hรถhe von fรผnf Euro fรผr einen Riestervertrag wurden noch zugunsten des Mannes berรผcksichtigt.
Zwar seien nach dem Sozialgesetzbuch II โZuwendungen der freien Wohlfahrtspflege” grundsรคtzlich nicht als Einkommen anzurechnen, so das Jobcenter. Damit seien aber nur geringfรผgige Zuwendungen wie Kleider- oder Mรถbelspenden oder Lebensmittelgaben der Tafeln gemeint.
Der Klรคger meinte, dass die Motivationszuwendung anrechnungsfrei bleiben mรผsse. Es mรผsse berรผcksichtigt werden, dass er wegen seiner Einschrรคnkungen nicht den Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gewachsen und er faktisch nicht vermittelbar sei. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention verlange schlieรlich die Fรถrderung der Teilhabe behinderter Menschen.
Das LSG urteilte, dass im konkreten Fall der Klรคger seine Motivationszuwendung zusรคtzlich zu seinen Hartz-IV-Leistungen behalten kann. Es verwies auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Februar 2013, wonach soziale Einrichtungen seelisch Kranke auch mit Geld zur Teilnahme an einem Arbeitstraining locken dรผrfen (B 8 SO 12/11 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Das Jobcenter dรผrfe den Kranken dieses Geld nicht indirekt wieder wegnehmen, indem sie es als Einkommen anrechnet, so damals die Kasseler Richter zur Anrechnung von Einkommen auf die Sozialhilfe.
Therapeutische Eigenstรคndigkeit der Wohlfahrtspflege
Zur Begrรผndung hatte das BSG auf die therapeutische Eigenstรคndigkeit der Wohlfahrtspflege verwiesen. Dies umfasse auch die Einschรคtzung, ob die Motivation fรผr ein Arbeitstraining therapeutisch sinnvoll durch Geld unterstรผtzt werden kann. Laut Sozialgesetzbuch dรผrfe die Sozialhilfe in solchen Fรคllen ihre finanziellen Leistungen nicht einschrรคnken.
Das LSG stellte nun klar, dass die Caritas-Motivationszuwendung eine โZuwendung der freien Wohlfahrtspflege” sei. Diese sei grundsรคtzlich nicht als Einkommen zu berรผcksichtigen. Allerdings dรผrften nach dem Gesetz die Zuwendungen auch nicht so hoch sein, dass daneben Hartz-IV-Leistungen nicht mehr gerechtfertigt wรคren. Angemessen sei danach noch eine monatliche Zuwendung von bis zu 200 Euro.
Der darรผber liegende Betrag sei dagegen als Einkommen anzurechnen. Davon seien aber noch Versicherungsbeitrรคge und Pauschalen, Altersvorsorgeaufwendungen und Beitrรคge zur Kfz-Versicherung abzuziehen. Unterm Strich fรผhre dies dazu, dass der Klรคger kein auf die Hartz-IV-Leistungen anzurechnendes Einkommen mehr habe, so das LSG.
Gegen das LSG-Urteil wurde mittlerweile Revision beim BSG eingelegt. Dort ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen B 14 AS 29/19 R anhรคngig.ย fle/mwo