Wenn Teile des Lohns direkt an den Insolvenztreuhänder gehen, zählen sie beim Bürgergeld nicht als Einkommen. Das hat das Bayerische Landessozialgericht klargestellt.
Für Betroffene mit Lohnpfändung oder Privatinsolvenz ist das ein wichtiges Signal: Jobcenter dürfen nur Mittel berücksichtigen, die tatsächlich im Haushalt ankommen und frei verfügbar sind.
Inhaltsverzeichnis
LSG Bayern: Gepfändeter Lohn ist kein anrechenbares Einkommen
Im Verfahren vor dem LSG Bayern stritt eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Jobcenter um die Anrechnung von Einkommen. Der Partner der Mutter arbeitete, befand sich aber in der Insolvenz. Sein Arbeitgeber überwies den pfändbaren Lohnanteil unmittelbar an den Treuhänder. Das Jobcenter rechnete dennoch das volle Nettoeinkommen an und lehnte Bürgergeld ab.
Die Richter stoppten diese Praxis: Beträge, die in der Restschuldbefreiung nach § 287 Abs. 2 InsO an den Treuhänder abgetreten sind, stellen kein anrechenbares Einkommen nach § 11 SGB II dar. Entscheidend ist, ob Geld als „bereites Mittel“ zur Verfügung steht. Das verneinten die Richter, weil der gepfändete Anteil den Betroffenen nie zufloss. (Az. L 11 AS 232/22, Urteil vom 27.11.2024).
„Bereite Mittel“: Nur Verfügbares darf angerechnet werden
Der Grundsatz ist einfach: Einkommen zählt nur, wenn Sie es tatsächlich nutzen können. Das Bundessozialgericht und die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit betonen diese Linie seit Jahren. Gepfändete Lohnanteile sind rechtlich gebunden. Sie dienen der Schuldentilgung und stehen dem Lebensunterhalt nicht bereit. Damit scheidet eine Anrechnung aus.
Jobcenter-Praxis: Konsequenzen für laufende und künftige Bescheide
Die Entscheidung wirkt weit über den Einzelfall hinaus. Jobcenter müssen prüfen, welche Zahlungen auf dem Konto der Bedarfsgemeinschaft ankommen. Nur diese Beträge sind als Einkommen zu berücksichtigen. Abzüge, die der Arbeitgeber vor Auszahlung vornimmt und direkt an den Treuhänder überweist, sind außen vor.
Für Betroffene bedeutet das: Falsch berechnete Bescheide lassen sich angreifen. Wichtig sind Nachweise, etwa Lohnabrechnungen und Schreiben des Treuhänders, die die Abführung der pfändbaren Teile dokumentieren. Ein Widerspruch kann sich lohnen.
Medienberichte und Urteilsbesprechungen haben die Kernaussage des LSG zuletzt bestätigt und für die Praxis aufbereitet.
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Bescheid prüfenPfändungsfreigrenzen und P-Konto: Das gilt seit Juli 2025
Zum 1. Juli 2025 sind die Pfändungsfreigrenzen gestiegen. Der unpfändbare Grundbetrag liegt bei 1.555 Euro, gesetzlich auf 1.559,99 Euro aufgerundet. Beim Pfändungsschutzkonto (P-Konto) beträgt der Grundfreibetrag seit dem 1. Juli 2025 1.560 Euro pro Monat. Diese Werte helfen, die tatsächliche Verfügbarkeit des Einkommens zu bestimmen.
Regelbereich | Aktueller Grundfreibetrag* |
Pfändung nach ZPO (§ 850c) | 1.559,99 € monatlich |
P-Konto-Grundfreibetrag | 1.560 € monatlich |
*Beträge erhöhen sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten bestehen. Details ergeben sich aus der Pfändungstabelle.
Mitwirkung: Was das Jobcenter verlangen darf – und was nicht
Das LSG wies auch die Argumentation zurück, der Schuldner müsse die Abführung stoppen oder den Freibetrag anheben lassen. In der Insolvenz ist die Abtretung der pfändbaren Bezüge zwingend. Eine „Rücknahme“ dieser Abtretung ist nicht vorgesehen.
Eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenze nach § 850f ZPO kommt nur bei gesetzlichen Unterhaltspflichten in Betracht. Fehlt eine solche Pflicht, bleibt der Freibetrag unverändert. Daraus folgt: Betroffene verletzen keine Mitwirkungspflichten, wenn sie die Abführung nicht verhindern können.
So setzen Sie Ihren Anspruch durch
Prüfen Sie Ihren Bescheid sorgfältig, wenn Ihr Lohn gepfändet wird oder eine Insolvenz läuft. Werden gepfändete Beträge als Einkommen angerechnet, sollten Sie aktiv werden: Legen Sie fristgerecht Widerspruch ein und stützen Sie sich dabei auf den Grundsatz der „bereiten Mittel“.
Fügen Sie Ihrem Schreiben Nachweise bei, etwa Lohnabrechnungen, Unterlagen des Treuhänders und den Pfändungsbeschluss. Verlangen Sie zugleich eine Neuberechnung, denn maßgeblich ist nur der tatsächlich zugeflossene und frei verfügbare Lohn.
Wie Sie die Argumentation des LSG in der Praxis nutzen, zeigen Urteilszusammenfassungen und Fachportale. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie rechtlichen Rat ein oder lassen Sie den Bescheid prüfen.
Einordnung: Klare Leitplanken für die Grundsicherung
Die Entscheidung stärkt den Nachranggrundsatz des SGB II, ohne Betroffene doppelt zu belasten. Wer Schulden abbaut, darf dafür nicht beim Existenzminimum bestraft werden. Das LSG schafft hier Rechtssicherheit. Jobcenter erhalten zugleich klare Leitplanken: Anzurechnen ist nur, was den Haushalt wirklich erreicht – nicht, was rechtlich gebunden ist.