Bundesverfassungsgericht rügt Beiträge zur Pflegeversicherung

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Eltern mit mehreren Kindern müssen in der sozialen Pflegeversicherung stärker entlastet werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 25. Mai 2022, veröffentlichten Beschluss entschieden (Az.: 1 BvL 3/18 und weitere). Weitere Entlastungen auch in der Kranken- und Rentenversicherung können Familien danach aber nicht verlangen.

In der sozialen Pflegeversicherung müssen kinderlose Erwachsene ab 23 Jahren einen Beitragszuschlag von seit Januar 2022 0,35 Prozentpunkten zahlen. Dies geht auf das sogenannte Pflegeversicherungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 (Az.: 1 BvR 1629/94) zurück.

Schon damals hatten die Karlsruher Richter darauf verwiesen, dass Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder einen zusätzlichen Beitrag zur Funktionsfähigkeit eines umlagefinanzierten Sozialversicherungssystems leisten. In der Pflegeversicherung müssten sie daher eine Entlastung bekommen.

Bisherige Entlastung reicht nicht aus

Nach dem neuen Beschluss reicht die bisherige Entlastung in einer Stufe aber nicht aus. Die danach immer noch bestehende „gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt”, befand das Bundesverfassungsgericht.

Es verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum 31. Juli 2023 hierzu eine Neuregelung zu treffen. Dies gelte aber „nur für die Zukunft”. Nach dem Karlsruher Beschluss kann der Gesetzgeber den erforderlichen Ausgleich nicht nur durch Beitragserhöhungen für Kinderlose und Eltern mit einem Kind finanzieren, sondern auch durch Steuerzuschüsse.

Zur Begründung verwiesen die Karlsruher Richter auf das „aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der Belastungsgleichheit”.

Ungerecht gegenüber Eltern mit mehr Kindern

Die gegenwärtigen Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung bewirkten aber innerhalb der Gruppe der beitragspflichtigen Eltern „eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem zum Nachteil der Eltern mit mehr Kindern”.

Der Grundgedanke, der den Beitragszuschlag für Kinderlose rechtfertige, gelte in gleicher Weise für Eltern mit mehreren Kindern. Sie müssten einerseits höhere Kosten tragen und hätten gleichzeitig wegen der Kinderbetreuung weniger Zeit für die Erwerbsarbeit.

Die Erwerbstätigenquote und das Lebenseinkommen von Müttern gingen mit der Zahl der Kinder „substanziell zurück”. Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung sei das Lebenserwerbseinkommen gegenüber kinderlosen Frauen bei Müttern mit einem Kind um 40 Prozent, mit zwei Kindern 50 Prozent und mit drei und mehr Kindern fast 70 Prozent geringer. Dies führe dann meist auch zu einer geringeren Altersversorgung.

Maßnahmen wie die beitragsfreie Familienversicherung oder die soziale Absicherung pflegender Angehöriger könnten dies nicht ausgleichen. Letztere sei ohnehin nicht zum Ausgleich des Erziehungsaufwands, sondern zur Stärkung der Pflegebereitschaft gedacht.

Aber keine Familien-Entlastung bei Renten- und Krankenversicherung

Bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung hatte das Bundesverfassungsgericht schon in seinem Urteil von 2001 den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt gesehen. „Insoweit fehlt es an einer Benachteiligung der Eltern, weil der wirtschaftliche Erziehungsaufwand im System der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung jeweils hinreichend kompensiert wird”, heißt es nun auch in dem neuen Beschluss.

Für die Rentenversicherung verwiesen die Karlsruher Richter auf die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten. In der Krankenversicherung werde die Belastung durch die beitragsfreie Familienversicherung „hinreichend kompensiert”. Diese führe zu einer kostenlosen Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen. Bei Versicherten unter 20 Jahren betrügen die Ausgaben der Krankenkassen immerhin 1.500 Euro pro Jahr.

Zur Kranken- und Rentenversicherung hatte auch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel bereits ähnlich entschieden (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 20. Juli 2017, Az.: B 12 KR 14/15 R). Die Verfassungsbeschwerde hiergegen wies das Bundesverfassungsgericht mit seinem neuen Beschluss vom 7. April 2022 ab (Az.: 1 BvR 2824/17). mwo/fle

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