Keine Mietkosten vom Jobcenter bei unklaren und rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen im Mietvertrag
Unterkunftskosten/ Mietkosten werden beim Bezug von Bürgergeld vom Jobcenter nur übernommen nach § 22 Abs. 1 SGB 2, wenn ein klassischer Mietvertrag vorliegt.
(Miet-)Kaufpreisraten dienen der Vermögensbildung und sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nur im Ausnahmefall beim Bürgergeld zu übernehmen.
Mit wegweisendem Urteil gibt das Sozialgericht Altenburg Az. – S 39 AS 570/24 bekannt, dass das Jobcenter für einen Bürgergeld Leistungsempfänger keine Unterkunftskosten/ Mietkosten nach § 22 Abs. 1 SGB II übernehmen muss bei unklaren und rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen im Mietvertrag.
Denn für die Bewertung, welcher Art und Rechtsnatur Aufwendungen für eine konkrete Unterkunft sind (Miete oder Miet-Kaufpreisrate), kommt es auf die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Zweckrichtung einer Zahlung und nicht die rechtliche Wirksamkeit des Vertrags als solches an.
Das Jobcenter ist somit – nicht verpflichtet – , über die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II für Aufwendungen von Leistungsberechtigten im Zusammenhang mit der bewohnten Unterkunft aufzukommen, die aus unklaren und gegebenenfalls rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen resultieren.
Inhaltsverzeichnis
(Miet-)Kaufpreisraten oder Tilgungsraten gehören nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht zu den erstattungsfähigen Unterkunftskosten
Aufwendungen, die zwar im Zusammenhang mit einer konkret bewohnten Unterkunft stehen, aber dem Erwerb von Wohneigentum dienen, wie z. B. (Miet-)Kaufpreisraten oder Tilgungsraten, gehören grundsätzlich nicht zu den erstattungsfähigen Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 49/14 R zu Tilgungsraten), denn die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 49/14 R – ).
Der Kläger und eine dritte Person schlossen eine Vorvereinbarung und einen Mietvertrag – das Gericht sieht aber nicht übernahmefähige – Mietkaufpreiszahlungen
Denn die zwischen dem Kläger und L (dritte Person) geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen, „Vorvereinbarung“ und „Mietvertrag“, haben zwar die Überlassung von Räumen in dem Wohnhaus zu Wohnzwecken zum Gegenstand.
Die Kammer kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich bei den zwischen dem Kläger und L vereinbarten monatlichen 350 Euro nicht um ein reines Nutzungsentgelt für den überlassenen Wohnraum im Sinne oder vergleichbar einer Miete handelt, sondern um nicht übernahmefähige Ratenzahlungen bzw. Mietkaufpreiszahlungen im Hinblick auf einen avisierten Kauf und Eigentumserwerb des Hauses – durch den Kläger.
Ein Wohnraummietvertrag lag nicht vor- somit keine Kostenübernahme der Unterkunftskosten
Auch wenn der Leistungsbezieher eingewandt hat, es sei bisher weder ein formwirksamer Grundstückskaufvertrag noch ein entsprechender Vorvertrag geschlossen worden, trifft dies zwar zu, weil Kauf und Eigentumsübertragung eines Hausgrundstücks, ebenso wie ein etwaiger Vorvertrag, einer notariellen Beurkundung bedürfen (§ 311b BGB).
Für die Bewertung, welcher Art und Rechtsnatur Aufwendungen für eine konkrete Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (Miete oder Miet-Kaufpreisrate), kommt es jedoch allein auf die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Zweckrichtung einer Zahlung und nicht die rechtliche Wirksamkeit des Vertrags als solches an.
Die Annahme der Formunwirksamkeit eines mit den Verträgen avisierten Grundstückskaufvertrages bzw. Grundstücksveräußerungsvorvertrages führt auch nicht dazu, dass ohne weiteres der Abschluss eines wirksamen Wohnraummietvertrages Sinne der §§ 549ff BGB iVm §§ 535ff BGB – und damit der Vereinbarung einer nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erstattungsfähigen Mietzahlung – unterstellt werden kann.
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Bescheid prüfenEin Wohnraummietvertrag ist dadurch geprägt, dass der Mieter eine vereinbarte Miete zahlt und der Vermieter ihm dafür den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zum Zweck des Wohnens überlässt. Dabei liegt es regelmäßig beim Vermieter, die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten (vgl. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Klassischer Wohnraummietvertrag lag nicht vor
Das Gericht kommt hier zu der Auffassung, dass die individuell getroffenen Regelungen dieses Vertrags ( Kläger nennt ihn Mietvertrag ) nicht für einen klassischen Wohnraummietvertrag sprechen.
Dem Kläger wird zwar die Nutzung der Räume in dem Haus zu Wohnzwecken überlassen, die vereinbarte Zahlung von 350 Euro dient jedoch – wie bereits ausgeführt – der Begleichung eines avisierten Kaufpreises und nicht als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung.
Auch die übrigen Regelungen des Mietvertrages zielen vornehmlich darauf ab, dass der Kläger – auch ohne über eine gesicherte Rechtsposition zu verfügen – das Haus ab Vertragsbeginn bereits gleich einem Eigentümer nutzen kann.
(Miet-)Kaufpreisraten dienen der Vermögensbildung und sind nur im Ausnahmefall beim Bürgergeld zu übernehmen
Die rechtliche Einordnung der auf der Basis der Verträge nach dem Willen der Vertragsparteien vereinbarten 350 Euro pro Monat als (Miet-)Kaufpreisraten hat zur Folge, dass eine Erstattung dieser Aufwendungen auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht in Betracht kommt, weil sie – auf Vermögensbildung abzielen.
Sofern in Einzelfällen Ausnahmen zugelassen wurden, z. B. wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist und der Aspekt der privaten Vermögensbildung deshalb in den Hintergrund tritt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 79/10 R), ist das Vorliegen einer solchen Ausnahmekonstellation hier nicht ersichtlich. Der Kläger hat die vertragliche Zahlungsverpflichtung zudem zu einer Zeit begründet, als er bereits im Bezug von Leistungen nach dem SGB II stand, obgleich ihm also bewusst war, dass er aus eigenem Einkommen oder Vermögen den avisierten Kaufpreis für das Haus gar nicht aufbringen kann.
Fazit
Das Jobcenter muss für einen Hilfebedürftigen keine Unterkunftskosten übernehmen, die aus unklaren und rechtlich nicht verbindlichen Vertragsgestaltungen resultieren ( hier zu (Miet-)Kaufpreisraten ).
Anmerkung vom Bürgergeld-Experten Detlef Brock
1. Ausnahmsweise sind dem Hauseigentümer entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch die Tilgungsraten als angemessene Kosten der Unterkunft anzuerkennen, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen ist. Davon kann bei einer vollzogenen Tilgung im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung in Höhe von 93,62 % ausgegangen werden ( LSG Sachsen )
2. Nach Auffassung des LSG Sachsen L 7 AS 734/18 B ER – ( rechtskräftig ) ist maßgeblich für die Unterkunftskostenübernahme, ob die an die vormalige Grundstückseigentümerin gerichteten Zahlungen wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder eine Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleich stehen.
3. Denn dies beurteilte sich allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 42/13 R – ; Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.09.2017 – L 7 BK 6/15 – BSG Kassel vom 27.09.2017 – B 4 KG 1/17 B – ).
4. Für die Übernahme sogenannter Mietkaufraten als Kosten der Unterkunft ist entscheidend, ob es sich in der Sache um Mietzins oder aber um der Vermögensbildung beziehungsweise der Schuldentilgung dienende Kaufpreisraten handelt ( LSG Niedersachsen-Bremen Az. L 11 AS 415/20 B ER ).