Bürgergeld-Bezieherin hat Anspruch auf Kinderbetreuung im Rahmen von Haushaltshilfe

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Leistungen zur Betreuung der Kinder einer schwerbehinderten Mutter während verschiedener mehrstündiger Abwesenheitszeiten pro Woche dienen nicht den Zwecken der Elternassistenz

Schwerbehinderte, blinde, alleinerziehende Mutter von 2 Kindern, mit denen sie alleine lebt, hat einen – nicht nur vorübergehenden Anspruch – auf Leistungen zur Weiterführung des Haushalts (§ 70 SGB 12). Sie beziehen Leistungen vom Jobcenter (LSG München, Beschluss AZ: L 8 SO 105/23 B ER).

Kein Ausschluss von Leistungen nach § 70 SGB XII für Bezieher von Bürgergeld

Denn § 5 Abs. 2 SGB II bzw. § 21 SGB XII schließt keine Leistungen nach dem Neunten Kapitel des SGB XII aus.

Benötigte eine sehgeminderte, alleinerziehende Mutter von Kindern Betreuung ihrer minderjährigen Kinder, weil sie mehrmals die Woche einer Dialysebehandlung bedarf, ergibt sich ein mittelbarer Anspruch auf Kinderbetreuung aus ihrem Anspruch auf Haushaltshilfe gemäß § 70 SGB XII.

Danach sollen Personen mit eigenem Haushalt Leistungen zur Weiterführung des Haushalts erhalten, wenn weder sie selbst noch, falls sie mit anderen Haushaltsangehörigen zusammenleben, die anderen Haushaltsangehörigen den Haushalt führen können und die Weiterführung des Haushalts geboten ist.

Die Leistungen sollen in der Regel nur vorübergehend erbracht werden

Dies gilt nicht, wenn durch die Leistungen die Unterbringung in einer stationären Einrichtung vermieden oder aufgeschoben werden kann. Die Leistungen umfassen die persönliche Betreuung von Haushaltsangehörigen sowie die sonstige zur Weiterführung des Haushalts erforderliche Tätigkeit.

Gericht erkennt Ausnahmesituation der Mutter an (Art. 6 des Grundgesetzes) , obwohl Leistungen der Haushaltshilfe zeitlich begrenzt zu erbringen sind

Auch wenn kein Ende der Notlage absehbar ist, denn die Mutter muss die Dialysebehandlung aller Voraussicht nach lebenslang durchführen und eine feste zeitliche Grenze ohnehin nicht besteht, ist hier im Lichte des Art. 6 des Grundgesetzes (GG) eine Ausnahmesituation anzuerkennen.

Der Schutz der Familie und der Anspruch der Antragstellerin als Mutter auf Schutz und Fürsorge durch die Gemeinschaft rechtfertigen es angesichts der drohenden schwerwiegenden Folgen für die Antragstellerin und ihre Kinder (entweder fehlende Versorgung und Betreuung oder Inobhutnahme), einen nicht nur vorübergehenden Leistungsanspruch anzunehmen.

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Dafür spricht auch der Vergleich mit der in § 70 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gesetzlich normierten Ausnahme, nämlich die Vermeidung der Unterbringung in einer stationären Einrichtung.

Die drohende Inobhutnahme der Kinder der behinderten Mutter wiegt für den Senat ebenso schwer wie eine stationäre Unterbringung.

Daher ist vorliegend ein – Abweichen vom Regelfall – der nur vorübergehenden Hilfeleistung begründet.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Grundsätzlich können Bezieher von Bürgergeld auch einen Anspruch auf einen Härtefallmehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB 2 für eine Haushaltshilfe haben.

Voraussetzung ist aber,

dass die entsprechenden Bedarfe nicht durch anderweitige Sozialleistungen gedeckt werden. Insoweit kommen insbesondere in Betracht:

– Hilfen für hauswirtschaftliche Versorgung als Leistung nach dem SGB XI (Soziale Pflegeversicherung – mit Ausnahme der Fallgestaltungen im Rahmen der Besitzstandsregelung nach Artikel 51 PflegeVG); erforderlich hierfür ist zumindest ein Grad der Pflegebedürftigkeit 2 (§ 15 SGB XI). Betroffene mit dem Pflegegrad 1 können nach den §§ 28a, 45a oder 45b SGB XI einen Entlastungsbetrag erhalten, aus dem der- artige Bedarfe ebenfalls gedeckt werden können;

– Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII (Sozialhilfe); ebenso wie im SGB XI setzt dies Pflegebedürftigkeit voraus (§ 61a SGB XII). Die Leistungen der häuslichen Pflege nach § 64b SGB XII für Personen mit Pflegegrad 2 bis 5 umfassen auch Hilfen bei der Haushaltsführung und können nur durch zugelassene Pflegeeinrichtungen erbracht werden. Personen mit Pflegegrad 1 können nach § 66 SGB XII einen Entlastungsbetrag erhalten, aus dem derartige Bedarfe ebenfalls gedeckt werden können (§ 66 Nr. 3 Buchstabe a i. V. m. § 64b SGB XII).

– Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach dem Neunten Kapitel des SGB XII (Sozialhilfe – vgl. § 70 SGB XII – sog. große Haushaltshilfe); diese kommt in Betracht, wenn keiner der Haushaltsangehörigen den Haushalt führen kann und die Weiterführung des Haushalts geboten ist (z. B. weil ein alleinerziehender Elternteil wegen Krankheit oder Behinderung hierzu zeitweise nicht mehr in der Lage ist).