Eine Kostensenkung der Mietkosten für eine Leistungsempfängerin ist unzumutbar und damit unwirksam wegen dem Schulumfeld der beiden Töchter.
Eine Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters muss an individuelle Verhältnisse angepasst werden, wenn sie aktenkundig sind.
Hier gilt die Erfassung und Berücksichtigung der individuellen Umstände des Kinder wegen ihres Schulumfeldes und der Umstand, dass bei Alleinerziehenden eine vorhandene und benötigte Betreuungsstruktur nicht im gesamten Vergleichsraum zugänglich ist.
Aufgrund der Nichtberücksichtigung der individuellen Umstände der Kinder, ist die Kostensenkungsaufforderung des Grundsicherungsträgers unwirksam.
So dass hier weiterhin die unangemessenen, aber wegen der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungen aber gleichwohl zustehenden tatsächlichen KdU vom Gericht zu bewilligen waren.
Inhaltsverzeichnis
Kostensenkungsaufforderung des Grundsicherungsträgers war wegen folgender Fehler unwirksam
Unwirksamkeit einer Kostensenkungsaufforderung
1. Individuellen Umstände, wenn sie aktenkundig sind, müssen vom Jobcenter in Kostensenkungsaufforderungen berücksichtigt werden.
2. Jobcenter müssen aus rein wirtschaftlicher Betrachtung bei Kostensenkungsaufforderungen auch berücksichtigen, wenn zum Bsp. Leistungsbezieher aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nur einen kleinen, geringen ALG II Anspruch haben.
3. Bei schulpflichtigen Kindern müssen Jobcenter auch Ermittlungen anstellen zu Alternativ Wohnungen.
4. Die Kostensenkungsobliegenheiten müssen vom Jobcenter auf die individuellen Verhältnisse angepasst werden, etwa durch Verweis auf anmietbare Wohnungen im Einzugsbereich der Schule
5. Jobcenter müssen auch den Umstand der Alleinerziehung für die subjektive Unzumutbarkeit eines Umzugs beachten, wenn etwa eine vorhandene und benötigte Betreuungsstruktur nicht im gesamten Vergleichsraum zugänglich ist.
So veröffentlicht aktuell vom LSG Sachsen- Anhalt
Anmerkung Detlef Brock
Liegt ein Regelbeispiel für die subjektive Unzumutbarkeit einer Kostensenkung vor, sind diese vom Jobcenter zu beachten.
Die individuellen Umstände müssen zutreffend erfasst und berücksichtigt werden. Die daraus folgenden Obliegenheiten zur Kostensenkung sind durch den Leistungsträger an diese Umstände anzupassen.
Nur dann müssen Leistungsberechtigte im Prozess darlegen, weshalb Kostensenkungsbemühungen keinen Erfolg hatten ( Leitsatz Gericht )
Das Gericht erklärt dazu folgendes
Erhalt des sozialen und schulischen Umfelds der minderjährigen Kinder ist ein Regelbeispiel – Berücksichtigung des Einzelfalls
Der notwendige Erhalt des sozialen und schulischen Umfelds der minderjährigen Kinder ist ein Regelbeispiel.
Geboten ist eine Rücksichtnahme auf die Belange der minderjährigen schulpflichtigen Kinder, die möglichst nicht zu einem Schulwechsel gezwungen werden sollen (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – ) .
Es ist aber im Einzelfall zu prüfen, ob einem Kind ein Schulwechsel zugemutet werden könnte (BSG, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 13/12 R -).
Auch der Umstand der Alleinerziehung kann als Regelbeispiel beachtlich für die subjektive Unzumutbarkeit eines Umzugs sein, wenn etwa eine vorhandene und benötigte Betreuungsstruktur nicht im gesamten Vergleichsraum zugänglich ist
Ist das Vorliegen solcher Umstände im Ausgangspunkt aktenkundig, sind diese vom Träger der Grundsicherungsleistungen und den Gerichten im Einzelnen aufzuklären und die Konsequenzen von Amts wegen zu beachten.
Die individuellen Umstände müssen erfasst und berücksichtigt werden.
Die daraus folgenden Obliegenheiten zur Kostensenkung sind an diese Umstände anzupassen. Nur dann müssen Leistungsberechtigte im Prozess darlegen, weshalb Kostensenkungsbemühungen gleichwohl keinen Erfolg hatten (BSG, Urteil vom 22. August 2012 – B 14 AS 13/12 R – ).
Hier waren nach Auffassung des Senats die Härtefallgründe, welche die Mutter der beiden Kinder vorbrachte, eindeutig zu berücksichtigen.
Denn das Regelbeispiel des notwendigen Erhalts des sozialen und schulischen Umfelds der beiden minderjährigen Kinder für die subjektive Unzumutbarkeit eines Umzugs lag hier vor.
Insbesondere war die Klägerin als Grundschülerin auf einen kurzen Schulweg (650 m) und den Verbleib in ihrer Schulklasse angewiesen. Die andere Klägerin erreichte ihre Schule (1,5 km) regelmäßig in Begleitung einer Schulkameradin.
Regelfall der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungen wurde auch von der Mutter erfüllt
Denn die Mutter konnte für sich in Anspruch nehmen, selbst einen Regelfall der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungen zu erfüllen.
Sie war nach ihren Angaben als alleinerziehende Mutter ohne familiären Anschluss auf die nachbarschaftliche Unterstützung der Mietparteien des Mehrfamilienhauses angewiesen.
Der damalige Ehemann kümmerte sich nur gelegentlich um die Tochter. Die Umschulung erfolgte im Vollzeitunterricht und erlaubte der Mutter nicht ohne Weiteres, im Bedarfsfalle auch tagsüber sofort für die beiden Kinder da zu sein.
Insoweit unterschied sich die Lebenssituation deutlich von einem alleinstehenden, nicht erwerbstätigen Elternteil.
Der Hinweis auf die seinerzeitige Fortbildung der Mutter und die Aussicht auf eine baldige Eingliederung in den Arbeitsmarkt hat sich (im Nachhinein) bestätigt, da diese ab Februar 2019 berufstätig war.
Insoweit hätte angesichts der Umstände des Einzelfalls eine entsprechende Prognoseentscheidung erfolgen können
Die diesbezüglichen Einwendungen des Jobcenters zur statistischen Langzeitarbeitslosigkeit alleinerziehender Mütter überzeugen an dieser Stelle nicht.
Denn grundsätzlich werden Umschulungen von den Rehabilitationsträger nur bewilligt, wenn die gute Möglichkeit des erfolgreichen Abschlusses besteht und wenn die angebotenen Ausbildungen auch arbeitsmarktgängig sind.
Fazit:
Welche Fehler hat hier das Jobcenter begangen, warum war die Kostensenkungsaufforderung unwirksam?
1. Individuellen Umstände müssen vom Jobcenter in Kostensenkungsaufforderungen berücksichtigt werden, soweit sie aktenkundig sind, wie etwa schulpflichtige Kinder, alleinerziehende Mütter, welche keinen familiären Anschluss haben und aufgrund dessen auf Nachbarschaftshilfe und Betreuung angewiesen sind.
Das Jobcenter hatte die aktenkundigen und aus Sicht des Senats nachvollziehbaren individuellen Umstände nicht zutreffend erfasst und berücksichtigt.
2. Jobcenter müssen aus rein wirtschaftlicher Betrachtung bei Kostensenkungsaufforderungen auch berücksichtigen, wenn zum Bsp. Leistungsbezieher aufgrund ihrer Einkommensverhältniosse nur einen kleinen, geringen ALG II Anspruch haben
Die Verneinung einer subjektiven Unzumutbarkeit allein wegen der Höhe der KdU wurde der vorliegenden Einzelfallsituation nicht gerecht.
Bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtung hätte aber auch berücksichtigt werden müssen, dass die Klägerinnen angesichts ihrer Einkommensverhältnisse nur einen geringen ergänzenden Leistungsanspruch hatten.
3. Das Jobcenter hätte Ermittlungen anstellen müssen etwa zu alternativen Wohnungen im sozialen/schulischen Umfeld der beiden Töchter
Das Jobcenter hat auch auch keinerlei Ermittlungen, etwa zu alternativen Wohnungen im sozialen/schulischen Umfeld der beiden Töchter durchgeführt.
4. Die Kostensenkungsobliegenheiten hätten vom Jobcenter auf die individuellen Verhältnisse angepasst werden müssen
Die Kostensenkungsobliegenheiten wurden nicht auf die individuellen Verhältnisse angepasst, etwa durch Verweis auf anmietbare Wohnungen im Einzugsbereich der beiden Schulen.
Mangels wirksamer Kostensenkungsaufforderung hatte daher die Mutter mit ihren beiden schulpflichtigen Kindern Anspruch auf die – zwar weiterhin – unangemessenen, aber wegen der subjektiven Unzumutbarkeit von Kostensenkungen gleichwohl Anspruch zustehenden tatsächlichen KdU.
Praxistipp Detlef Brock
Eine Kostensenkungsaufforderung ist ein reines Informationsschreiben, ein Widerspruch dagegen ist nicht möglich.
Erst wenn das Jobcenter die Mietkosten absenkt, muss unbedingt gegen diesen Bescheid Widerspruch/Klage eingelegt werden.
Umstände, die eine besondere Bindung an das nähere soziale und schulische Umfeld begründen, können die Obliegenheiten der Leistungsempfänger einschränken, die Kosten der Unterkunft zu senken.
Es kommen nicht nur gesundheitliche Gründe in Betracht, wenn es um die Gründe für die Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen (insbesondere durch Umzug) geht.
Es können auch die besonderen Belange von Eltern und Kindern (vor dem Hintergrund des Art 6 Grundgesetz) solche beachtenswerte Gründe darstellen.
Es ist auf das soziale und schulische Umfeld minderjähriger schulpflichtiger Kinder Rücksicht zu nehmen ( LSG Schleswig-Holstein, L 6 AS 86/18 B ER ).
Ebenso ist die Situation von Alleinerziehenden dahin zu überprüfen, ob sie zur Betreuung ihrer Kinder auf eine besondere Infrastruktur angewiesen sind, die bei einem Wohnungswechsel in entferntere Ortsteile möglicherweise verloren ginge und im neuen Wohnumfeld nicht ersetzt werden könnte (BSG Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R -).
Die Regelung eines möglichen Absehens von einer Kostensenkungsaufforderung nach § 22 Abs. 1 S. 10 SGB 2 versetzt den Grundsicherungsträger in die Lage, den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung auch bei der Entscheidung über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu beachten.
Ein im Rahmen dieser Einzelfallentscheidung vermutlich häufiger zu berücksichtigendes Kriterium wird sein, wie lange der Leistungsberechtigte voraussichtlich noch im Leistungsbezug stehen wird.
Ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug in naher Zukunft entweder aufgrund einer Arbeitsaufnahme oder des Eintritts in die Altersrente, eine bevorstehende Erhöhung der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (bei Schwangerschaft) dürften denkbare Aspekte eines Einzelfalls sein, die einen Umzug unwirtschaftlich werden lassen können.
Jobcenter müssen aus rein wirtschaftlicher Betrachtung bei Kostensenkungsaufforderungen auch berücksichtigen, wenn zum Bsp. Leistungsbezieher aufgrund ihrer Einkommensverhältnisse nur einen kleinen, geringen ALG II Anspruch haben.
Eine ursprüngliche Bewilligung der tatsächlichen Miete in einem laufenden Bewilligungszeitraum kann nicht abgeändert werden.
Das heißt, wenn der Bewilligungszeitraum vom 01.01.-31.12. die tatsächliche Miete bewilligt; dann eine Kostensenkungsaufforderung ergeht und dann ab z.B. dem 01.07. die Miete abgesenkt wird, ist dies nicht möglich ( Aussage RA Kay Füßlein).
Wichtiger Hinweis Detlef Brock
Diese Einzelfallentscheidung macht wieder sehr deutlich, wie wichtig es ist, bei Kostensenkungsaufforderungen der Grundsicherungsträger alles gut zu dokumentieren und Gründe für die Unzumutbarkeit, wie etwa schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung, Wegfall der Betreuungsmöglichkeiten durch Dritte, dem Jobcenter bekannt zu geben.
Weil eben gerade solche Gründe Berücksichtigung bei den Kostensenkungsaufforderungen finden müssen seitens der Jobcenter.
Schlussbemerkung Detlef Brock
Aufgrund der Herausgabe der Arbeitshilfe zu Kostensenkungsaufforderungen erreichen uns gerade viele Nachfragen:
Bürgergeld: So kannst Du Dich gegen Kostensenkungsverfahren der Jobcenter oder Sozialämter wehren
Zur Zeit erlassen die Jobcenter gerade viele, rechtswidrige bzw. unwirksame Kostensenkungsaufforderungen.
Eine ursprüngliche Bewilligung der tatsächlichen Miete in einem laufenden Bewilligungszeitraum kann nicht abgeändert werden.
Das heißt, wenn der Bewilligungszeitraum vom 01.01.-31.12. die tatsächliche Miete bewilligt; dann eine Kostensenkungsaufforderung ergeht und dann ab z.B. dem 01.07. die Miete abgesenkt wird, ist dies nicht möglich, aber die Jobcenter machen es trotzdem, obwohl rechtswidrig.
So habe ich jetzt mehrere Kostensenkungen der JC gesehen, wo das doch praktiziert wurde – eindeutig rechtswidrig sagt Detlef Brock.
Während eines laufenden Bewilligungsabschnitts mit tatsächlicher Miete kann keine Kostensenkung ergehen.
Sollten Sie davon betroffen sein, ist mein Rat, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen,
denn 1. eine Kostensenkungsaufforderung ist nur ein Anhörungsschreiben, kein Widerspruch möglich.
Wird der Bescheid mit der Absenkung der Miete erlassen, ist zwar Widerspruch möglich, doch dieser hat keine aufschiebende Wirkung.
Viele Leistungsbezieher geben gleich auf, was völlig falsch ist.
Während der Zeit der Kostensenkung sollte der Hilfebedürftige schön seine Wohnungssuche dokumentieren und nachweisen, den Rest macht der Rechtsanwalt!!!
Also kompliziert für den Leistungsbezieher, aber für einen RA machbar.
Dieses Beispiel des LSG Sachsen zeigt sehr schön, wie mangelhaft doch Deutschlands Jobcenter arbeiten.
Mein Rat
Betroffene einer Kostensenkungsaufforderung sollten diese immer überprüfen lassen, ein kompetenter Rechtsanwalt ist hierzu die 1. Wahl.