Beim Bürgergeld erfolgt keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben. Das urteilte das Landessozialgericht Sachsen.
LSG Sachsen teilt die Meinung des Bundessozialgerichts
Im Bereich des SGB II spielen für die Berücksichtigung gewerblicher Einnahmen (einkommen-)steuerliche Regelungen bzw. Betrachtungsweisen seit der Einführung des § 3 Alg II-V a.F. keine Rolle mehr.
Kein horizontaler Verlustausgleich bei Einkommen aus zwei Gewerbebetrieben
Zudem ist im Bereich des SGB II keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben zulässig (kein „horizontaler Verlustausgleich“; vgl. BSG, Urteil AZ: B 4 AS 17/15). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob gewerberechtlich ein oder mehrere Gewerbe vorliegen.
Denn maßgeblich ist die materielle Beurteilung, ob die Einnahmen aus einer spezifischen Tätigkeit im Zusammenhang mit den geltend gemachten Ausgaben stehen. Es muss eine klar erkennbare Beziehung zwischen den Aufwendungen und den Einnahmen bestehen. Nur soweit dies der Fall ist, kommt eine Saldierung in Betracht.
Besteht ein sachlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben hingegen nicht, scheidet eine Saldierung genauso aus wie bei auch formal getrennten Gewerben (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2020 – B 4 AS 1/20 R – ).
Weiterhin gibt der 2. Senat des LSG Sachsen bekannt: Selbst gebildete Rückstellungen aus den aktuellen Betriebseinnahmen zur Begleichung von lediglich möglichen, dh noch nicht fälligen, Rückforderungen dieser Einnahmen (hier: Provisionen) sind keine Betriebsausgaben und daher im SGB II nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen.
Denn ein Abzug von Rückstellungen, also fiktiven Abzügen ist nicht möglich!
Selbständig Erwerbstätige sind bei Anwendung der Einkommensregelungen des SGB II nur insofern privilegiert, dass sie aktuelle Zahlungsverpflichtungen (etwa gegenüber Lieferanten) von den Einnahmen (und zwar über den gesamten Bewilligungszeitraum hinweg) absetzen können, soweit solche Ausgaben für die Führung des Gewerbes notwendig sind.
Demgegenüber muss der nichtselbständige Hilfebedürftige sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen.
Allerdings knüpft der Verordnungsgeber auch im Rahmen des § 3 Abs. 1 und 2 Alg II-V a.F. ausdrücklich an das Zuflussprinzip an, das im SGB II vorgegeben ist.
Es werden deshalb einerseits nur im Bewilligungszeitraum tatsächlich erzielte Einnahmen berücksichtigt. Andererseits sind aber auch nur die in diesem Zeitraum tatsächlich erbrachten Aufwendungen absetzbar.
So wird gewährleistet, dass auch bei Selbständigen die Einkünfte zur Bedarfsdeckung herangezogen werden, die im Bewilligungszeitraum tatsächlich zur Verfügung standen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R – ). Darum hat ein Abzug von Rückstellungen, also fiktiven Abzügen, nicht zu erfolgen.
Praxistipp:
LSG NRW, Urt. v. 15.11.2016 – L 2 AS 993/16 – rechtskräftig – bestätigt durch BSG, Beschluss v. 03.07.2017 – B 14 AS 15/17 B –
Im SGB II erfolgt keine Saldierung von Einnahmen und Verlusten aus mehreren Gewerbebetrieben. Ebenso: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2014 – L 18 AS 2232/11 – ; SG Stade, Gerichtsbescheid vom 02.10.2014 – S 32 AS 289/14 –
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.