Bürgergeld: Jobcenter muss wegen schlechter Dämmung volle Heizkosten übernehmen

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Jobcenter übernehmen Heizkosten grundsätzlich nur in der Höhe, die sie als angemessen betrachten. In bestimmten Situationen müssen sie jedoch auch höhere Heizkosten bezahlen, zum Beispiel bei einer unzureichenden Dämmung. So beschloss das Sozialgericht Gießen (S 7 AS 375/15 ER).

Ölheizung und einfache Fenster

Das Ehepaar, das Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhielt, lebte in einem Eigenheim, das mit einer Ölheizung beheizt wurde. Die Fenster waren schlecht isoliert, was zu einem starken Wärmeverlust führte. Dennoch wollte das Jobcenter lediglich die Hälfte der tatsächlichen Heizkosten übernehmen.

Als das Heizöl aufgebraucht war, saßen die beiden Eheleute mitten im Winter in der Kälte. Dies wollten sie nicht hinnehmen und beantragten daher vorläufigen Rechtsschutz beim Sozialgericht Gießen.

Das Jobcenter muss die Heizkosten übernehmen

Das Sozialgericht Gießen gab dem Antrag statt und verpflichtete das Jobcenter vorläufig, die tatsächlichen Heizkosten von 230 Euro zu übernehmen.

Zwar sei es richtig, dass Empfänger von Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II im Normalfall nur einen Anspruch auf Ersatz der angemessenen Heizkosten hätten, der sich unter anderem nach dem kommunalen Heizspiegel des Deutschen Mieterbundes richte.

Dennoch könne es in bestimmten Situationen einen Anspruch auf Übernahme von unangemessen hohen Heizkosten geben. Dies gelte, wie in diesem Fall, dann, wenn die unzureichenden energetischen Standards des Hauses es nicht möglich machen, Heizöl einzusparen.

In dieser Situation dürfte das Jobcenter nicht erwarten, dass die Betroffenen in einer ungenügend beheizten Wohnung leben müssten. Dies gelte zumindest dann, wenn die Betroffenen sich eine energetische Sanierung nicht leisten können.

Wie ist die rechtliche Situation?

Das Sozialgesetzbuch II sagt klar: „Bedarfe für die Unterkunft und Heizung werden in tatsächlicher Höhe berücksichtigt, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs. 1 SGB II).“ Das Jobcenter prüft also, ob die Leistungsbezieher Heizkosten haben, die dem entsprechen, was andere Bürger in vergleichbaren Wohnungen verbrauchen.

Anders als bei der Miete zählt beim Bezug von Bürgergeld für die Heizung ein bundesweiter Durchschnitt, und es gibt keine unterschiedlichen Richtlinien in den jeweiligen Städten und Kommunen.

Dieser bundesweite Heizspiegel ändert sich jährlich, und deshalb gibt es keine feste und rechtsverbindliche Vorlage, welche Heizkosten genau das Jobcenter übernimmt. Als Faustregel gilt: Weichen die Heizkosten stark vom bundesweiten Schnitt ab, dann müssen Bürgergeld-Bezieher eine Nachzahlung vermutlich selbst zahlen.

Definition der Angemessenheit

Angemessene Heizkosten als Normalfall dürfen, laut dem Sozialgericht Gießen, also nur dann gelten, wenn diese ausreichen, um die Wohnung warmzuhalten. Wenn dies möglich ist, kann die Behörde von den Leistungsempfängern erwarten, keine unangemessenen Kosten durch eigenes Verhalten zu verursachen.

In der Regel können die Betroffenen ihre Heizkosten durch umsichtiges Verhalten selbst beeinflussen. Sie sollten etwa die Heizung nicht aufdrehen, während die Fenster geöffnet sind, ungenutzte Räume nicht beheizen oder die Heizung ausschalten, wenn sie das Haus verlassen.

Das betroffene Ehepaar konnte aber durch das eigene Verhalten die Heizkosten nicht senken. Die hohen Kosten entstanden nicht aus Unachtsamkeit, sondern wegen des Zustands des Hauses. Eine Sanierung lag außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten, und auch ein Umzug wäre nicht zumutbar, da die Folgekosten zu hoch sind.