Das Jobcenter muss Straßenbaubeiträge als Kosten der Unterkunft übernehmen. Anlegerbeiträge zählen bei einem selbstgenutzten Hausgrundstück von angemessener Größe zu den Kosten der Unterkunft. Zu den Kosten der Unterkunft zählen auch die Aufwendungen, die Bürgergeld-Leistungsberechtigte als mit dem Eigenheim verbundene Lasten zu tragen haben. Straßenausbaubeiträge stellen solche unvermeidbare Lasten dar; sie ruhen als offensichtliche Lasten unmittelbar auf dem Grundstück.
Erhebt die Kommune den Straßenausbaubeitrag in monatlichen oder jährlichen Raten, so ist der entsprechende Ratenzahlungsbetrag den Kosten für die Unterkunft hinzuzurechnen. Straßenbaubeiträge sind grundsätzlich im Monat ihrer Fälligkeit als Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 61/10 R -).
Dem Anspruch auf Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten steht nicht entgegen, dass sich der Empfänger von Bürgergeld nicht um einen Erlass oder eine Stundung des Straßenbaubeitrages bemüht hat (entgegen LSG Erfurt vom 14.3.2013 – L 9 AS 1302/10 – ).
Grundsicherung nach dem SGBB II/ Bürgergeld – selbst genutztes Hausgrundstück – grundsätzliche Berücksichtigungsfähigkeit von Straßenbaubeiträgen – Selbsthilfeobliegenheit – Nichtbeantragung von Stundung oder Erlass
Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II – Selbsthilfegrundsatz – greift in diesem Fall nicht, so aber das Jobcenter und auch das LSG Erfurt L 9 AS 1302/10. Weil die Regelung des § 22 Abs. 1 SGB II keinen Rückgriff auf die Auslegungshilfe des § 2 SGB II erfordert.
So enthält § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II –bereits die Beschränkung, dass Kosten der Unterkunft und Heizung nur im Rahmen der Angemessenheit zu gewähren sind.
Erst wenn diese Aufwendungen die Angemessenheitsgrenze übersteigen, sind sie nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf (ausnahmsweise) so lange anzuerkennen, wie es der oder dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die danach mögliche Leistungskürzung ist als besonderer gesetzlicher Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes des Forderns nach § 2 SGB II ausgestaltet (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2008 – B 11b AS 43/06 R – ).
Nach Erteilung der Kostensenkungsaufforderung im Fall des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II trifft den Leistungsberechtigten gemäß § 2 SGB II die Pflicht, mit dem Grundsicherungsträger in einen Dialog über die angemessenen Kosten der Unterkunft einzutreten, und damit die Obliegenheit, die (unangemessenen) Kosten der Unterkunft und Heizung zu senken.
Sind aber die Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen?
Sind aber die Kosten der Unterkunft und Heizung angemessen, ist der Empfänger von Grundsicherung nicht darüber hinaus nach § 2 SGB II verpflichtet, die angemessenen Wohnkosten noch weiter zu senken. Dies hätte ansonsten zur Konsequenz, dass sich die leistungsberechtigte Person (regelmäßig) an jeden Gläubiger ihrer Unterkunftskosten zwecks Erlass und Stundung wenden müsste.
Praxistipp
Berücksichtigungsfähige Kosten für Unterkunft bei selbst genutzten Hausgrundstücken sind auch solche einmaligen Aufwendungen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks verbunden sind ( wie etwa Kanalanschlusskosten – BSG AZ: B 14 AS 61/10 R). Dazu gehören auch Anlegerbeiträge wie etwa Straßenausbaubeiträge.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.