Bürgergeld: Jobcenter muss erst dann Mietschulden übernehmen – Urteil

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Jobcenter können Mietschulden zwar auch bei unangemessen hohen Kosten der Unterkunft als Darlehen übernehmen. Diese Ausnahme gilt, wenn Freibeträge aus Erwerbstätigkeit die Differenz decken können, aber in diesem Fall nur dann, wenn dieses Einkommen voraussichtlich auch tatsächlich genutzt wird, um diese Lücke zwischen realer und angemessener Miete zu zahlen. So entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (L 31 AS 627/23 B ER).

Wenn die Schulden bezahlt werden, dürfen die Mieter in der Wohnung bleiben

Die beiden Betroffenen lebten mit ihren zwei Kindern in einer rund 90 Quadratmeter großen Wohnung, der Vermieter kündigte ihnen fristlos wegen Mietschulden in Höhe von 5422,99 Euro und verlangte die Räumung.

Die Betroffenen wurden durch ein rechtskräftiges Versäumnisurteil zur Räumung verpflichtet. Zum Zeitpunkt des Verfahrens vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg betrugen die Mietschulden 8316,33 Euro.

Die Mietbelastung lag bei 800,36 Euro plus 224,84 Euro Nebenkosten und 346,24 Euro Heizkosten, also insgesamt bei 1371,44 Euro pro Monat.

Der Vermieter hatte sich bereit erklärt, auf eine Räumung zu verzichten und das Mietverhältnis beizubehalten, wenn die Schulden zum 1. Juni 2023 beglichen worden seien und diese Frist in einem zweiten Schreiben bis zum 30. September 2023 verlängert.

Jobcenter und Bezirksamt lehnen ein Darlehen ab

Die beiden bezogen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und lehnte den Antrag der Betroffenen auf Mietschuldenübernahme ab. Das Bezirksamt, Bereich Soziale Wohnungshilfe, teilte mit, dass es sich dieser Ablehnung anschloss.

Die Begründung lautete, es seien keine Nachweise der künftigen Mietsicherung eingereicht worden, und zudem seien während des Zeitraums des Antrags sogar neue Mietschulden entstanden. Da eine zukünftige Mietsicherung nicht erwartet werden könne, sei der Antrag auf Mietschuldenübernahme abzulehnen.

Einen zweiten Antrag der Betroffenen lehnte die Behörde ebenfalls ab, mit der Begründung, dass keine Änderung der Verhältnisse ersichtlich sei.

Das Sozialgericht verlangt, dass das Jobcenter ein Darlehen gewährt

Die Familie beantragte jetzt beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf einstweilige Anordnung, der das Jobcenter verpflichten sollte, ein Darlehen für die rückständigen 8316,33 Euro zu gewähren. Das Sozialgericht gab diesem Antrag statt.

Es führte zur Begründung aus, dass die konkreten Umstände des Einzelfalls zeigten, dass den von den Mietschulden der Eltern mit betroffenen Kindern während des Schuljahrs der Verlust des Wohnumfelds drohe. Zudem hat der Vater gesundheitsbedingte Einschränkungen.

Beide Gründe sprächen dafür, ausnahmsweise auch bei einer überhöhten Miete die Schulden als Darlehen zu übernehmen.

Das LSG Berlin-Brandenburg weist die Schuldenübernahme zurück

Das Jobcenter ging in Berufung, und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erklärte die Entscheidung der vorherigen Instanz für ungültig. Denn eine Vielzahl von Kindern müsste jedes Jahr mit ihren Eltern umziehen, sei es wegen eines Wechsels des Arbeitsplatzes, durch Umzug in attraktiveren Wohnraum oder durch den Bau eines Eigenheims.

Dies sei ein ganz normaler Prozess, mit dem Kinder umgehen müssten und dies auch könnten.

Gesundheitliche Probleme löst die Medizin, nicht die Sozialleistung

Auch die gesundheitlichen Probleme des Vaters könnten nicht zur Bewilligung einer Sozialleistung führen, die ihm in der Sache nicht zustehen. Wörtlich hieß es: „Gesundheitliche Probleme sind mit der notwendigen medizinischen Heilbehandlung zu lösen, nicht mit der Bewilligung erstrebter Sozialleistungen.“

Eine Übernahme von Mietschulden durch das Jobcenter als Darlehen sei nur gerechtfertigt, wenn die Kosten der Unterkunft innerhalb der Angemessenheitsgrenze liegen. In der Regel sei es nicht gerechtfertigt, eine zu teure Unterkunft langfristig zu sichern.

Ausnahmsweise gibt es beim Nutzen des Freibetrags

Eine Ausnahme sei denkbar, wenn die Mietkosten die Angemessenheit nur geringfügig übersteigen, und Aufstocker ihren Freibetrag verwenden könnten, um die Differenz auszugleichen.

In diesem Fall würde jedoch die tatsächlich anfallende Miete die Angemessenheitsgrenze um rund ein Drittel überschreiten, und das sei nicht geringfügig.

Gericht sieht keine Mitwirkung der Mieter

Zudem hätten sich die Betroffenen seit der Kündigung in keiner Weise um den Erhalt der Wohnung bemüht. Beide Eltern würden verdienen und hätten trotzdem nicht versucht, ihre Mietschulden aus dem Freibetrag zu tilgen und dies auch nicht vorgeschlagen.

Sie hätten auch keinen Versuch unternommen, angemessenen, also günstigeren Wohnraum zu finden, um auf Dauer eine Unterkunft zu sichern.

Eine Finanzierung der zukünftigen Miete ist nicht abzusehen

Deshalb ging das Landessozialgericht davon aus, dass auch nach der Schuldenübernahme nicht zu erwarten sei, dass die Betroffenen die unangemessen teure Wohnung durch Einsatz eigener Mittel aus Freibeträgen finanzierten.

Deshalb, so das Landessozialgericht, sei der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen und das Jobcenter dürfe kein Darlehen für die Mietschulden gewähren.