Folgende Fragen stellen sich viele Bürgergeld beziehende Leistungsempfänger bei Schädlingsbefall ihrer Wohnung, zum Bsp. durch Bettwanzen
1. Zahlt das Jobcenter die Kosten für die Schädlingsfirma, wenn ja, welche Rechtsgrundlage gibt es dafür?
2. Bei Bettwanzenbefall sind viele Einrichtungsgegenstande unbrauchbar geworden – Was nun?
Zahlt mir das Jobcenter eine Wohnungserstausstattung der Wohnung oder müssen Hilfebedürftige dies aus ihrem Regelsatz ansparen? Zahlt mir das Jobcenter eine Erstausstattung an Bekleidung, wenn diese unbrauchbar geworden ist?
Schädlingsbekämpfung in einer Wohnung sind Unterkunftskosten
Anhand von ein paar Rechtsentscheidungen zum Bürgergeld/Sozialhilfe versuche ich hier diese Fragen so gut wie möglich zu beantworten:
1. Kosten für die Schädlingsbekämpfung in einer Wohnung stellen Kosten der Unterkunft dar (SG Reutlingen, Beschluss v. 13.09.2019 – S 4 AS 2464/19 ER ).
Hier zu stellt der Hilfebedürftige einen Antrag beim Jobcenter und bittet es die Kosten für die Schädlingsfirma als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen.
Wichtig: Eine darlehensweise Leistungsgewährung vom Jobcenter muss nicht akzeptiert werden.
Jobcenter muss neue Möbel nach Schädlingsbefall zahlen
2. Das Jobcenter muss die Kosten für neue Möbel, wenn diese unbrauchbar durch den Schädlingsbefall geworden sind, als Zuschuss übernehmen (LSG Hamburg, Urt. v. 05.04.2024 – L 4 AS 153/23 D – hier zur Kostenübernahme für ein neues Sofa). Rechtsgrundlage des Anspruchs ist § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II.
Bei Schädlingsbefall der Wohnung – hier Bettwanzen – müssen Jobcenter eine Wohnungserstausstattung als – Zuschuss – gewähren.
Zwar geht es vorliegend nicht um die erstmalige Anschaffung eines Sofas (denn ein solches war ja in der Wohnung der Kläger vorhanden gewesen), dennoch handelt es sich um einen Fall der Erstausstattung und nicht um eine Ersatzbeschaffung, deren Kosten aus dem Regelbedarf zu tragen wären.
Eine „Wohnungserstausstattung“ kann auch bei der Notwendigkeit einer erneuten Beschaffung von bereits vorhanden gewesenen Einrichtungsgegenständen in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 4 AS 57/13 R ).
Der Schädlingsbefall ist ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Rechtsprechung des BSG, der sich von einem Verschleiß von Möbelstücken durch den üblichen Gebrauch grundlegend unterscheidet.
Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 5 SGB II können Erstausstattungsleistungen in Form von Pauschalbeträgen erbracht werden. § 24 Abs. 3 Satz 6 SGB II bestimmt, dass für die Bemessung der Pauschalbeträge geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen sind.
Die Festsetzung der Höhe der Pauschalen unterliegt der richterlichen Kontrolle. Das LSG Hamburg kritisiert, dass die Wohnungserstausstattungspauschalen zu alt sind – Sie müssen an die Inflation angepasst werden!
Aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung müssen die Pauschalen für die Wohnungserstausstattung angepasst werden!
Rechtstipp zur Sozialhilfe bei Schädlingsbefall
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 17.03.2020 – L 8 SO 7/20 B ER – Zur Anspruchsgrundlage für die Übernahme einer Schädlingsbekämpfung (Bettwanzenbefall) – Tacheles Rechtsprechungsticker KW 08/2024
Wenn durch den Schädlingsbefall auch ihre persönliche Kleidung unbrauchbar geworden ist
Hierzu stellt der Leistungsbeziehende einen Antrag auf Erstausstattung an Bekleidung. Als Rechtsgrundlage kommt hier § 24 Abs. 3 Satz 2 SGB II in Betracht ( Vgl. dazu LSG Hessen, Urt. v. 23.06.2017 – L 7 AS 415/16 – ).cUnbrauchbarkeit der Möbel oder Bekleidung beweist man durch Fotos oder lässt einen Hausbesuch durch das Jobcenter zu.
Sie haben ein Recht auf eine zuschussweise Bewilligung einer Erstausstattung für eine Wohnung oder Bekleidung aufgrund außergewöhnlicher Umstände im Sinne der Rechtsprechung des BSG.
Der Anspruch auf eine zuschussweise Bewilligung einer Erstausstattung für eine Wohnung bei einem erneuten Bedarf setzt “von außen” einwirkende außergewöhnliche Umstände bzw ein besonderes Ereignis voraus, die bzw das regelmäßig geeignet sein müssen bzw muss, den plötzlichen Untergang oder die Unbrauchbarkeit wohnraumbezogener Gegenstände zu bewirken.
Das Gesagte hier im Sinne der Rechtsprechung des BSG gilt auch für die Bekleidung ( BSG, Urteil vom 6. August 2014, B 4 AS 57/13 R ).
Wichtiger Hinweis: Anträge auf Wohnungserstausstattung bzw. Bekleidung müssen zeitgleich beim Jobcenter gestellt werden!
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.