Schwerbehinderung: Verhaltensbedingter Kündigungsschutz bei Bezug zur Behinderung

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Bei einer verhaltensbedingten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers kann sich dieser nur dann auf seinen besonderen Kündigungsschutz berufen, wenn sich das entsprechende Verhalten zwanglos aus seiner Beeinträchtigung ergibt. Mit dieser Begründung wies das Bundesverwaltungsgericht die Revisionsklage eines Betroffenen zurück und erklärte dessen Kündigung für rechtmäßig ( C 16.11)

Morbus Crohn und Wirbelsäulenleiden

Der Betroffene arbeitete als Erdbaugeräteführer im Tagebau. Wegen Morbus Crohn und Leiden an der Wirbelsäule und den Hüftgelenken hatte er zum Zeitpunkt der Kündigung einen Grad der Behinderung von 60. Als Mensch mit Schwerbehinderung hat er Anspruch auf einen besonderen Kündigungsschutz.

Betroffener stiehlt Dieselkraftstoff

Der Arbeitnehmer kam auf einer Fahrradtour an einem Bagger seines Arbeitgebers vorbei, dessen Kraftstofftank nicht mit einem Schloss gesichert war. Am Abend des gleichen Tages fuhr er mit seinem Auto zu diesem Bagger und leitete aus dem Tank 80 Liter Dieselkraftstoff in eigene Kanister ab.

Arbeitgeber kündigt fristlos

Der Arbeitgeber beantragte beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen dieses Vergehens. Die Behörde erteilte diese Zustimmung auch, und daraufhin stellte der Arbeitgeber dem Beschäftigten eine fristlose Kündigung aus.

Neufeststellung ergibt Grad der Behinderung von 100 und Depression

Bei einer Neufeststellung des Grades der Behinderung rund zehn Monate nach der Kündigung legte das Integrationsamt den Grad der Behinderung auf 100 fest. Zusätzlich zu den bereits zuvor anerkannten Beeinträchtigungen erkannte die Behörde eine Depression an, mit einem rückwirkenden Beginn auch den Zeitpunkt des Antrags fünf Monate nach der Kündigung.

 Gericht stimmt Kläger zu

Der Gekündigte klagte und focht den Bescheid des Integrationsamtes an. Er argumentierte, die Kündigung sei unwirksam, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung nicht ausgeschlossen werden könne. Diesen Zusammenhang auszuschließen, liege in der Beweislast des Arbeitgebers und Integrationsamtes.

Diebstahl ist keine Folge des Darmleidens

Das Verwaltungsgericht Köln gab dem Arbeitnehmer recht, doch in der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen erklärten die dortigen Richter die Kündigung für wirksam. Sie führten aus, dass in Fällen einer verhaltensbedingten Kündigung erst dann ein Zusammenhang gegeben sei zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund gegeben sei, wenn die jeweilige Behinderung unmittelbar oder mittelbar zu eingeschränkter Einsicht und Verhaltenssteuerung geführt habe.

Depression ist erst nach der Kündigung festgestellt

Der Diebstahl des Betroffenen ließe sich aber nicht als mittelbares oder unmittelbares Verhalten aus seiner Morbus Crohn Erkrankung oder aus seinem Wirbelsäulenverschleiß ableiten. Die vom Kläger zudem erwähnte spätere Feststellung einer Depression spiele für die Kündigung und den Kündigungsschutz keine Rolle, da sie erst für einen Zeitpunkt Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses gültig gewesen sei.

Betroffener meint, es hätte eine Pflicht gegeben, die Depression zu prüfen

Vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Betroffene an, Morbus Crohn ginge erstens oftmals mit psychischen Erkrankungen einher. Zweitens hätte die Depression zur Tatzeit bereits bestanden, auch wenn sie noch nicht förmlich anerkannt worden sei. Das Integrationsamt sei hier verpflichtet gewesen, aufzuklären, ob ein Zusammenhang zwischen der psychischen Beeinträchtigung und dem Kündigungsgrund bestanden hätte.

Das Integrationsamt muss nicht rückwirkend mögliche Erkrankungen untersuchen

Die Richter beim Bundesverwaltungsgericht wiesen diese Argumentation zurück. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung müsse ein Mangel im Steuern des entsprechenden Verhaltens seine Wurzel gerade in der Behinderung haben. Nur dann rechtfertige die Behinderung einen besonderen Kündigungsschutz.

Eine solche Verbindung ließe sich bei dem Vergehen in diesem Fall aber weder bei Morbus Crohn noch bei Wirbelsäulen- und Hüftgelenkverschleiß feststellen. Zudem sei es auch nicht Aufgabe des Integrationsamtes, Erkrankungen zu untersuchen, die in den Status des Betroffenen zum strittigen Zeitpunkt nicht eingeflossen gewesen seien. Es gebe also nichts an dem vorherigen Urteil zu beanstanden, das eine Revision rechtfertigen würde.