Bürgergeld: Jobcenter kassiert schroffe Worte vom Sozialgericht

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Mit ungewöhnlich schroffen Ton hat das Sozialgericht gegen das Handeln eines Jobcenters geurteilt. Einer alleinerziehenden Mutter strich die Behörde komplett alle Bürgergeld- Leistungen und brachte damit die Gesundheit der Mutter und des Kindes in Gefahr. Wir berichteten.

Neben der richtungsweisenden Urteilsbegründung zu den Totalsanktionen, sind auch die klaren und harten Worte in dieser Form durchaus ungewöhnlich, weshalb wir daraus in diesem Artikel zitieren.

Harte Worte in der Urteilsbegründung gegenüber dem Jobcenter

In der Urteilsbegründung (Az: S 12 AS 2046/22) findet das Sozialgericht Karlsruhe dann ungewöhnlich schroffe und harte Worte gegen das Jobcenter:

“Jedem steuerfinanzierten Kundenberater jedes steuerfinanzierten Jobcenters ist es zuzumuten, seinen königlichen Kunden bei Bedarf Kundengespräche in wertschätzendem Ton anzubieten und wohlwollend um ihre Mitwirkung zu werben.”

Und weiter:

“Das Sozialgericht Karlsruhe bereut zutiefst seinen im Fall der Klägerinnen einstweilen verfassungswidrigen Irrweg, sein unverzeihliches Versagen.”

Totalsanktionen gegen Alleinerziehende Mutter

Was war passiert? Eine alleinerziehende Mutter bezog für sich und ihre dreijährige Tochter Bürgergeld nach dem SGB II. Die Unterhaltszahlungen des Vaters erfolgten nur in bar. Als das Jobcenter Kontoauszüge verlangte, reichte die Betroffene diese teilweise geschwärzt ein.

Ohne weitere Nachfragen verhängte das Jobcenter eine “Totalsanktion”. Das bedeutet, dass die Leistungen des Bürgergeldes nach § 66 SGB I komplett eingestellt wurden, da die junge Mutter nach Ansicht der Behörde ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Gericht kassierte die Sanktionsbescheide und gab der Klägerin Recht.

Das Urteil hat eine besondere Bedeutung

Das Urteil ist von großer Bedeutung. Häufig stellen Jobcenter die Leistungen als Sanktion komplett (also zu 100 Prozent) ein, obwohl das Bundesverfassungsgericht Sanktionen über 30 Prozent verfassungsrechtlich untersagt hat. Die Behörden begründen diese Praxis mit dem Vorwurf, die Leistungsberechtigten würden nicht oder zu wenig mitwirken.

Die 100-Prozent-Versagungs- bzw. Entziehungsbescheide werden von den Leistungsbehörden teilweise als das neue Sanktionsrecht angewendet. Ein Sozialgericht hat nun klargestellt, dass eine solche Praxis nicht angewendet werden darf. Damit dürfte eine richtungsweisende Debatte über Totalsanktionen nicht nur bei Hartz IV, sondern auch beim Bürgergeld eröffnet sein.

Urteilsbegründung zu den Totalsanktionen

“Bei einer Versagung bzw. Entziehung von mehr als 30 Prozent des maßgeblichen Regelbedarfs der Leistungen der Grundsicherung muss eine Behörde in ihren Ermessenserwägungen erkennen lassen, anlässlich welcher atypischen Fallgestaltung sowie zwecks welcher außerordentlicher Ziele eine so weitreichende Unterdeckung des Existenzminimums im konkreten Einzelfall geeignet, erforderlich und angemessen sein soll, um die bislang unterbliebene Mitwirkung zu veranlassen und wesentlich zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalt beizutragen.

Zur Sicherstellung, dass die besonderen Umstände des Einzelfalls aufgeklärt werden, die der geforderten Mitwirkung oder der Entziehung bzw. Versagung entgegenstehen, aber vom Betroffenen möglicherweise schriftlich nur nicht dargelegt werden (können), muss die Behörde vor dem Erlass einer Versagung bzw. der Entziehung von Leistungen der Grundsicherung bei entsprechenden Anhaltspunkten dem betroffenen Menschen die Gelegenheit geben, seine persönliche Situation nicht nur schriftlich, sondern auch im Rahmen einer mündlichen Anhörung vorzutragen.”

Fazit

Abzuwarten ist, wie nun andere Sozialgerichte in ähnlichen Fällen urteilen werden. Betroffene sollten daher den Rechtsweg nicht scheuen, wenn Jobcenter 100-Prozent-Sanktionen verhängen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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