Trotz kurzer Ehe gibt es Witwerrente – Urteil

Lesedauer 2 Minuten

Das Sozialgericht Berlin entschied in einem konkreten Fall, dass es auch bei weniger als einem Jahr Ehe einen Anspruch auf Witwenrente gibt.

Gewรถhnlich wird eine solche Rente bei einem erst kurz verheirateten Paar nur gewรคhrt, wenn der Ehepartner durch ein unvorhersehbares Geschehen ums Leben kommt. (Az.: S 4 R 618/21) Es lohnt sich, die Begrรผndung des Gerichts genauer anzusehen.

Warum gibt es Hinterbliebenenrente erst ab einem Jahr Ehe?

Dass die Witwen- und Witwerrente in der Regel nur ausgezahlt wird, wenn die Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft mindestens ein Jahr bestanden, soll verhindern, dass Heiraten ausschlieรŸlich der Versorgung dienen.

Die Ausnahme ist ein Unfall

Bei einem unvorhergesehenen Geschehen wie einem tรถdlichen Verkehrs- oder Arbeitsunfall geht die Rentenversicherung davon aus, dass auch eine Ehe, die nur wenige Monate bestand, nicht wegen der Hinterbliebenenrente geschlossen wude.

Der Witwer oder die Witwe haben in diesem Fall einen Anspruch auf die Rente.

Lesen Sie auch:

Witwerrente trotz kurzzeitiger Ehe

Im Berliner Fall lag die Sachlage jedoch anders. Die Ehefrau starb nicht bei einem Unfall, sondern wegen einer Krebserkrankung. Trotzdem sprach das Sozialgericht dem Hinterbliebenen eine Witwerrrente zu. In diesem Fall konnte er belegen, dass die beiden schon seit Jahren planten, zu heiraten.

Hochzeitsplan vor Diagnose

Die Verstorbene erkrankte 2014 an Brustkrebs. Nach der Therapie schien der Krebs besiegt, dann wurde er 2019 erneut diagnostiziert. Die spรคteren Eheleute hatten ihre Hochzeit fรผr Juli 2020 angemeldet.

Eine wesentlicher Punkt im Gerichtsverfahren war, dass sie ihre Hochzeit bereits vor der zweiten Diagnose angekรผndigt hatten. Beide wussten also zu dem Zeitpunkt, als sie ihre Heirat beschlossen, nicht, dass der Krebs wiederkam.

Im April 2020 begann eine Chemotherapie, und die beiden heirateten im Krankenhaus. Drei Monate nach der Hochzeit starb die Frau.

Rentenversicherung lehnt die Witwerrente ab

Die Rentenversicherung lehnte es ab, dem Hinterbliebenen eine Witwerrente zu bezahlen. Den Antrag darauf hatte der Witwer im November 2020 gestellt, und die Rentenkasse verwies darauf, dass die Ehe die nรถtige Einjahresfrist nicht erreicht hatte. 2021 klagte der Witwer vor dem Sozialgericht gegen die Rentenversicherung.

“Versorgung ist nicht der Hauptzweck der Ehe”

Das Sozialgericht gab ihm Recht. Dem Gericht zufolge solle die Einjahresfrist verhindern, dass der Hauptzweck der Ehe die Versorgung des Hinterbliebenen sei. In diesem Fall lieรŸe sich jedoch nachweisen, dass die beiden nicht aus diesem Grund heirateten.

Das Berufungsverfahren steht aus

Das Urteil ist noch nicht rechtskrรคftig und wird von der Rentenversicherung nicht akzeptiert, sondern diese legt Berufung vor dem landesgericht Berlin-Brandenburg ein. Erst nach dessen Entscheidung ist das Urteil gรผltig.

Es geht nicht um die Frist als solches

Der Rentenberater Peter Knรถppel erlรคutert, dass solche besonderen Entscheidungen bei der Witwen- und Witwerrente immer Entscheidungen รผber Einzelfรคlle sind und sich auf konkrete Situationen beziehen.

Deshalb lassen sich keine allgemeinen MaรŸstรคbe ableiten, wann genau auch bei einer Ehe, die kรผrzer als ein Jahr anhielt, eine Hinterbliebenenrente ausgezahlt wird.

Laut Knรถppel bestehen bessere Chancen nach kurzer Ehe eine Hinterbliebenenrente zu erhalten, beim Tod durch einen Unfall oder eine plรถtzlichen Erkrankung.

Lesen Sie auch:

Fazit

Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskrรคftig, doch die Begrรผndung des Gerichts kรถnnen Betroffene als Argument verwenden. Demzufolge ist die Einjahresfrist bei der Hinterbliebenenrente nรคmlich kein Selbstzweck, sondern soll verhindern, dass Ehen nur geschlossen werden, um Hinterbliebene zu versorgen.

Lรคsst sich belegen, dass es sich tatsรคchlich um eine Liebesheirat handelte, bei der es nicht vor allem um die Witwenrente ging, dann spielt die Jahresfrist keine Rolle mehr.