Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer kann sich gegenüber seinem Arbeitgeber nicht auf den besonderen Kündigungsschutz berufen, der zu den Nachteilsausgleichen im Arbeitsbereich gehört, wenn er die Behinderung zuvor gegenüber dem Vorgesetzten geleugnet hat. (6 AZR/10)
Fragen wahrheitswidrig beantwortet
In dem Unternehmen war ein Personalabbau geplant und damit eine Kündigung von Arbeitnehmern. In der Vorbereitung ließ der Arbeitgeber die Mitarbeiter einen Fragebogen ausfüllen.
In diesem ließ sich unter anderem ankreuzen, ob eine Schwerbehinderung oder eine Gleichstellung vorliege oder ob ein entsprechender Antrag gestellt wurde.
Im Fall einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Dazu gehört, dass das Integrationsamt der Kündigung zustimmen muss. Der Arbeitgeber muss zudem den Verdacht ausräumen, dass die Kündigung wegen der Behinderung erfolgt.
Der Betoffene ist schwerbehindert, beantwortete die Fragen jedoch mit „Nein“.
Gekündigt ohne Kenntnis der Schwerbehinderung
Der Arbeitgeber konnte seine Schwerbehinderung auch nicht offensichtlich erkennen. Er kündigte ihm ohne Kenntnis der Schwerbehinderung, ohne zuvor die Zustimmung des Integrationsamts einzuholen.
Wie begründet der Betroffene die Kündigungsschutzklage
Seine Kündigungsschutzklage begründete Mitarbeiter damit, dass er als schwerbehinderter Mensch Sonderkündigungsschutz genieße, und deshalb sei die Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Integrationsamts unwirksam.
Der Arbeitgeber argumentierte vor dem Arbeitsgericht damit, dass er nichts von der Schwerbehinderung gewusst habe.
Der Fall geht durch alle Instanzen
Die Klage ging durch alle Instanzen, bis das Bundesarbeitsgericht rechtskräftig entschied.
Die oberste Instanz wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Richter begründeten dies damit, dass der Arbeitnehmer die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig beantwortet habe. Damit könne er sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch berufen.
Er habe vielmehr treuwidrig den Arbeitgeber sogar in der falschen Annahmen bestätigt, dass es für eine Kündigung nicht notwendig sei, das Integrationsamt zu beteiligen.
Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber habe in dieser Situation ein Fragerecht gehabt und auch ein Recht auf eine wahrheitsgemäße Antwort. Denn sein Interesse an der Auskunft über die Schwerbehinderung sei gerechtfertigt gewesen, da diese für die beabsichtigte Kündigung entscheidend war.
Nur mit der wahrheitsgemäß beantworteten Frage hätte der Arbeitgeber sich rechtstreu verhalten und die Schwerbehinderung bei der Kündigung berücksichtigen können.
Was bedeutet dieses Urteil?
Ein schwerbehinderter oder gleichgestellter Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber nicht vor einer Kündigung darauf hinweisen, dass ein Sonderkündigungsrecht besteht.
Das Urteil zeigt jedoch, dass dies nur gilt, wenn der Arbeitgeber auch Kenntnis von der anerkannten Behinderung hat. Zugleich hat der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung das Recht, zu erfragen, ob ein möglicher Sonderkündigungsschutz vorliegt oder nicht.
Für Betroffene bedeutet das: Sie haben als schwerbehinderter Mensch zwar das Recht, gegenüber ihrem Arbeitgeber ihre Schwerbehinderung zu verschwiegen oder zu leugnen. Dann können Sie jedoch auch nicht den Nachteilsausgleich des besonderen Kündigungsschutzes in Anspruch nehmen.




