Bürgergeld: Jobcenter darf eine Schenkung unter Auflagen nicht als Einkommen anrechnen

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Schenkung unter Auflagen mit Zweckbindung dürfen Jobcenter nicht anrechnen, wenn dadurch die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB 2 nicht beendet wird

Mit wegweisendem Urteil gibt das Gericht bekannt, dass die Hilfebedürftigkeit eines minderjährigen Leistungsempfängers nach dem SGB 2/ Bürgergeld nicht entfällt durch die Inhaberschaft eines Sparkontos, wenn dieses von seiner Großmutter mit der Bedingung angelegt worden ist, dass er erst ab seinem 25. Lebensjahr über das Guthaben verfügen soll, und die Großmutter das Sparbuch niemals aus der Hand gegeben hat.

Auf dieses Sparkonto zufließende Kapitalerträge sind nicht als Einkommen des minderjährigen Leistungsberechtigten anzurechnen.

Kurzbegründung Gericht

Schenkung unter Auflagen mit Zweckbindung: Das Konto wurde von der Großmutter mit dem Zweck eröffnet, ihrem Enkel das Geld ab seinem 25. Lebensjahr zur Verfügung zu stellen

Folgende Punkt spricht für die Auffassung des Jobcenters

Die Frage nach der Gläubigerstellung ist eine zivilrechtliche Frage. Es trifft auch zu, dass nach bürgerlichem Recht für die Gläubigerstellung entscheidend ist, wer nach erkennbarem Willen des die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll.

Allerdings verkennt das Jobcenter die zivilrechtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung.

Diese besagt, dass bei Sparbüchern oder Konten, die von die von Eltern oder nahen Angehörigen auf den Namen eines Kindes angelegt und niemals aus der Hand gegeben werden, regelmäßig folgender Schluss zu ziehen sei:

Der Zuwendende wolle sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten und es sei deshalb nicht dem Kind zuzurechnen. Nur dann, wenn die Eltern oder nahen Angehörigen bei Volljährigkeit des Kindes diesem das Sparbuch zur Verfügung gestellt und es somit aus der Hand gegeben haben, ist das entsprechende Sparguthaben Vermögen des Kindes und nicht der Eltern oder nahen Angehörigen. (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 25.01.2011, 1 A 715/09; BGH, Urteil vom 18.01.2005, X ZR 264/02).

Im Übrigen lässt sich der Rechtsprechung der Rechtsprechung des BSG kein Rechtsgrundsatz entnehmen, der Hilfebedürftige müsse sich am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten, nicht entnehmen. (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11a/AL 7/05 R -).

Vorliegend hat die Großmutter des Klägers das Konto bei der Sparkasse eröffnet und seit der Geburt des Klägers jeden Monat diesem Konto 50 € gutgeschrieben. Das Sparbuch hat sie an sich genommen und seit dem nicht mehr herausgegeben.

Der Enkel konnte rechtlich nicht über das Guthaben auf dem Sparkonto verfügen – § 808 BGB). Das Sparbuch befindet sich seit jeher im Besitz der Großmutter.

Bei einem Sparbuch handelt es sich um ein Namenspapier mit Inhaberklausel, welches auch als qualifiziertes Legitimationspapier oder hinkendes Inhaberpapier bezeichnet wird. Die Urkunde hat Legitimationswirkung zu Gunsten des Ausstellers; dieser kann – anders als bei echten Namenspapieren – mit schuldbefreiender Wirkung an den Inhaber der Urkunde leisten, sofern er dessen Nichtberechtigung nicht kennt bzw. seine Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht (vgl. § 808 BGB).

Berechtigter ist grundsätzlich, aber nicht zwangsläufig der Kontoinhaber. Denn möglich ist eine abweichende vertragliche Regelung, aber auch aus den Umständen des Einzelfalls – wie etwa aus den Besitzverhältnissen am Sparbuch – können sich Abweichungen ergeben.

Der Enkel kann die Herausgabe des Sparbuch auch nicht über die Grundsätze einer ungerechtfertigten Bereicherung von seiner Großmutter verlangen

Denn die Großmutter des Kindes hat nämlich erklärt, das Sparkonto mit der Maßgabe eröffnet zu haben, dass ihr Enkelkind erst ab seinem 25. Lebensjahr über das Geld verfügen könne. Eine dementsprechende Vereinbarung habe sie mit den Eltern des Klägers als dessen gesetzliche Vertreter abgeschlossen. Die lange Laufzeit sei vereinbart worden, um Zinsvorteile zu erhalten.

Sie habe sich vorgestellt, ihr Enkel werde das Geld mit 25. Jahren für seine Ausbildung, Wohnung, Führerschein etc. nutzen. Vorher sollte es ihm auf keinen Fall zur Verfügung stehen. Zum einen, weil er in jungem Alter noch nichts damit anfangen könnte, zum anderen um sich die Zinsvorteile zu sichern.

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Damit ist die Eröffnung des Sparkontos durch die Großmutter als Schenkung unter Auflage zu werten. § 525 Abs. 1 BGB regelt hierzu:

Wer eine Schenkung unter einer Auflage macht, kann die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn er seinerseits geleistet hat. Gem. § 527 Abs. 1 BGB kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen, wenn die Vollziehung der Auflage unterbleibt.

Dies bedeutet, die Großmutter darf die Herausgabe des Sparbuchs verweigern, wenn die Schenkung nicht dem von ihr zugedachten Zweck entspricht. Ebenso dürfte sie dann gegebenenfalls die Schenkung vollständig zurückfordern.

Die Verwertung des Sparguthabens vor dem 25. Lebensjahr zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit entspricht folglich nicht dem Zweck dieser Schenkung. (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. April 2012 – L 9 AS 695/08 – ).

Fazit

Das Gericht kommt zu der Auffassung, dass von einer Nicht – Verwertbarkeit des sich auf dem Sparkonto befindlichen Geldwertes auszugehen ist, denn es sind keine bereiten Mittel.

Anmerkung vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Eine Schenkung unter Auflagen an einem Bürgergeld Bezieher muss nicht unbedingt Einkommen sein, wenn zum Beispiel ein Dritter oder Verwandter ein Sparbuch für die Enkel angelegt hat mit Zweckbindung zum Beispiel für seine Ausbildung, Wohnung, oder Führerschein.

In der zivilrechtlichen und oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird vertreten, bei Sparbüchern oder Konten, die von Großeltern als nahe Angehörige auf den Namen eines Kindes angelegt und niemals aus der Hand gegeben werden, den Schluss zu ziehen, dass sich der Zuwendende die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will und es daher nicht dem Kind zuzurechnen sei.

Auch in der Obergerichtlichen – Rechtsprechung zum Bürgergeld nach dem SGB 2 wird vertreten, dass Hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II und damit grundsicherungsberechtigt nach § 7 SGB II ist unter anderem, wer nicht nach § 12 Abs. 2 SGB II über verwertbares Vermögen verfügt.

Legt ein Verwandter auf den Namen seines Kindes oder Enkels ein Sparbuch an, ohne dieses selbst aus der Hand zu geben, so will sich der Zuwendende die Verfügung über das Sparbuch bis zu seinem Tod vorbehalten.

Das Sparbuch ist ein Inhaberpapier nach § 808 BGB. Damit ist das darin ausgewiesene Guthaben nicht dem hilfebedürftigen Kind bzw. Enkel zuzurechnen ( so ausdrücklich für ein ausschließendes Vermögen von 450.000 Euro: LSG BB, Urt. v. 20.11.2024 – L 18 AS 447/23 – ).

Grundsätzlich gilt bei Sparbüchern für ein Eltern-Kind-Verhältnis beim Bürgergeld:

Daraus, dass ein naher Angehöriger ein Sparbuch auf den Namen eines (Enkel-)Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben kann typischerweise geschlossen werden, dass er sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will (vgl BGH vom 17.7.2019 – XII ZB 425/18 – ).

Dabei kann im Eltern-Kind-Verhältnis bei minderjährigen Kindern dem Besitz des Sparbuchs eine geringere Indizwirkung für die materielle Berechtigung des Einzahlers zukommen als im Großeltern-Enkel-Verhältnis. Das Aufbewahren des Sparbuchs kann in diesem Fall unter Umständen Ausfluss der elterlichen Sorge sein, mit dem einem Verlust des Sparbuchs vorgebeugt werden soll (vgl BGH vom 17.7.2019 – XII ZB 425/18 -).

Zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit kann Vermögen nur dann führen, wenn der Leistungsempfänger darüber verfügen und es zur Deckung seiner Lebensunterhaltskosten einsetzen kann ( Ständige BSG Rechtsprechung ).

Zuflüsse ist Geldwert müssen nämlich dem Sinn und Zweck von § 11 SGB II entsprechend geeignet sein, die aktuelle Hilfebedürftigkeit zu beseitigen.