Bürgergeld: Jobcenter muss Kosten für den Einbau einer neuen Heizungsanlage übernehmen

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Jobcenter müssen im Bürgergeld nicht nur laufende Heizkosten und Miete berücksichtigen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch außergewöhnliche Kosten, wenn sie unmittelbar mit dem Wohnen zusammenhängen.

Das kann sogar dann gelten, wenn die leistungsberechtigte Person nicht Eigentümerin des Hauses ist, sondern dort aufgrund eines lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauchrechts wohnt.

Nach einer aktuellen Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen sind Kosten für den Einbau einer neuen Heizungsanlage bei einer Nießbrauchberechtigten vom Jobcenter als Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen.

Worum es ging: Heizungsanlage, Nießbrauch – und kein Eigentum

Im konkreten Fall beantragte eine Bürgergeld beziehende Antragstellerin, die nicht Eigentümerin des von ihr bewohnten Hauses ist, die Übernahme der Kosten für den Neueinbau einer Heizungsanlage. Sie kann diese Kosten beim Jobcenter nicht als Erhaltungsaufwand nach § 22 Abs. 2 SGB II geltend machen.

Nach Auffassung des Gerichts kommt die Kostenübernahme jedoch als Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II in Betracht – weil diese Norm auch für die Leistungsempfängerin als Nießbrauchberechtigte gilt.

Kurzbegründung des Gerichts: Zuschuss ist glaubhaft gemacht

Das Gericht führt aus, dass die Antragstellerin den Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses für den Einbau der neuen Heizungsanlage glaubhaft gemacht hat.

Zugleich stellt das LSG klar: § 22 Abs. 2 SGB II ist hier nicht anwendbar. Es stimmt dem Jobcenter darin zu, dass diese Regelung nur für Eigentümer selbst bewohnten Eigentums gilt.

Für diesen leistungsberechtigten Personenkreis werden unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur dem Bedarf für Unterkunft zugerechnet. § 22 Abs. 2 SGB II trägt dabei der höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung, wonach Mieter und Eigentümer bei der Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach gleichen Grundsätzen behandelt werden müssen.

Das Gericht verweist insoweit auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG-Urteile vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R sowie vom 19.09.2008 – B 14 AS 54/07 R).

Anspruch aus § 22 Abs. 1 SGB II: Grundnorm für Unterkunft und Heizung – ohne Einschränkung des Personenkreises

Der Anspruch folgt nach Ansicht des Gerichts aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Diese Norm gilt auch für die Antragstellerin als Nießbrauchberechtigte. Sie hat den auf Unterkunft und Heizung bezogenen Grundfall im Blick: Die Vorschrift bindet die grundsätzliche Übernahme der tatsächlichen Bedarfe an deren Angemessenheit, ohne den Kreis der Leistungsberechtigten einzugrenzen.

Als „Aufwendungen“ werden nach der Rechtsprechung nicht nur die übliche Miete und Nebenkosten erfasst. Im Mietverhältnis sind über den üblicherweise vereinbarten Mietzins und die Nebenkosten hinaus auch alle Zahlungsverpflichtungen umfasst, die sich aus dem Vertrag für die Unterkunft ergeben.

Dazu gehören nach der Rechtsprechung etwa auch Kosten von Modernisierungsmaßnahmen nach § 559 BGB, die der Vermieter auf den Mieter abgewälzt hat; sie sind der geschuldeten (Kalt-)Miete zuzuordnen (BSG-Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).

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Außergewöhnliche Kosten können vereinbart werden: Verpflichtung trotz § 1041 BGB

Ein zentraler Punkt im Fall: Die Antragstellerin schuldet gemeinsam mit ihrem Ehemann die Übernahme der Kosten für den Einbau eines neuen Brenners.

Zwar sieht § 1041 BGB selbst eine solche Verpflichtung des Nießbrauchers nicht vor. Das Gericht betont jedoch, dass eine weitergehende Übernahme auch von außergewöhnlichen Kosten abweichend von § 1041 BGB vereinbart werden kann – und dass dies hier geschehen ist.

Keine Begrenzung über § 22 Abs. 2 – und kein Darlehen, weil kein Eigentum

Weil die Antragstellerin nicht in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 SGB II fällt, folgt daraus nach der Argumentation des Gerichts auch: Die Gewährung des Zuschusses bei – wie in diesem Fall – unabweisbaren Aufwendungen für die Instandhaltung ist nicht nach näherer Maßgabe des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II der Höhe nach beschränkt.

Ebenso kommt die Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht in Betracht, weil die Antragstellerin nicht Eigentümerin des genutzten Hauses ist.

Keine analoge Anwendung: Keine Regelungslücke

Eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf Nießbrauchberechtigte hält das Gericht ebenfalls für nicht möglich. Begründung: Es gebe keine Regelungslücke, denn § 22 Abs. 1 SGB II halte bereits eine Regelung für Nießbrauchberechtigte bereit.

Das Gericht ordnet Nießbrauchberechtigte außerdem systematisch näher an Mieter als an Eigentümer ein: Dass für Nießbrauchberechtigte nicht die Möglichkeit besteht, etwaige höhere Kosten unabweisbarer Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur wie der Nutzer einer selbst genutzten Immobilie über ein Darlehen abzudecken (§ 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II), erscheine gerechtfertigt, weil Nießbrauchberechtigte, deren Aufwendungen nicht der eigenen Immobilie zugutekommen, aus diesem Blickwinkel Mietern näher stehen als Eigentümern.

Unabweisbar – und im Ergebnis sachgerecht: Reparaturmaßstab und neue Heizung

Das Gericht bewertet die Reparatur der Heizung als unabwendbare Aufwendung. Zugleich hält es die konkrete Lösung für sachgerecht: Da die Kosten für den Einbau einer neuen Heizung unter den Kosten für eine Reparatur liegen, erscheine es auch sachgerecht, diese Kosten zugrunde zu legen.

Hinweis vom Sozialrechtsexperten Detlef Brock

Der Sozialrechtsexperte Detlef Brock hebt hervor: § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist hier die entscheidende Anspruchsgrundlage, denn diese Norm gilt auch für die Antragstellerin als Nießbrauchberechtigte.

Die Vorschrift hat den Grundfall „Unterkunft und Heizung“ im Blick, bindet die Übernahme der tatsächlichen Bedarfe an die Angemessenheit und grenzt den Kreis der Leistungsberechtigten nicht ein.

Als Aufwendungen werden danach im Mietverhältnis über den üblichen Mietzins und die Nebenkosten hinaus alle Zahlungsverpflichtungen abgedeckt, die sich aus dem Vertrag für die Unterkunft ergeben.

Dazu gehören nach der Rechtsprechung etwa auch Kosten von Modernisierungsmaßnahmen nach § 559 BGB, die der Vermieter auf den Mieter abgewälzt hat; sie sind der geschuldeten (Kalt-)Miete zuzuordnen (BSG-Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R).