Eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt nicht vor bei einer Partnerschaft und sexuelle Beziehung mit einer anderen Person ( vgl. LSG Hamburg L 4 AS 108/16).
Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit verbracht wird – wie vorliegend die gemeinsamen Kurzurlaube und Übernachtungen – sprechen gegen die Annahme einer eine Bedarfsgemeinschaft voraussetzenden Partnerschaft.
So entschieden vom LSG BW, Urt. v. 01.07.2024 – L 3 AS 1525/23 –
Begründung:
Die Vorinstanz SG Freiburg hatte geurteilt, beide seien Partner im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II. Es bestehe keine räumliche Trennung der Wohnbereiche, die vorhandenen Räume würden auch gemeinsam benutzt. Aufgrund der Größe der Wohnung ca 45 Quadratmeter verfügten beide weder über Rückzugsmöglichkeiten noch Privatsphäre, wie sie im Rahmen einer üblichen Wohngemeinschaft zu erwarten wäre.
Auch die regelmäßigen Urlaube zusammen sein ein weiteres Indiz.
Vollmacht als Betreuer und Vertretungsvollmacht sei bei einer Wohngemeinschaft nicht üblich
Von einer engen Verbundenheit sei auch aus zugehen, weil der Partner des Hilfebedürftigen als Betreuer eingesetzt worden sei, es bestehe auch eine Vertretungsvollmacht für den Kläger.
Diese enge Verbundenheit gehe weit über die von Mitbewohnern oder Freunden hinaus und weise einen eheähnlichen Charakter auf.
Gemeinsame E-Mail- Adresse sei nicht üblich
Auch sei die Einrichtung und Verwendung einer gemeinsamen Email-Adresse weder bei einer reinen Wohngemeinschaft noch unter Freunden üblich.
Kein Ausschluss einer Partnerschaft bei Beziehung
Das Bestehen einer Beziehung mit einem Dritten reiche nicht aus, um zwingend eine Partnerschaft auszuschließen.
Bestehen sowohl einer Wohn- als auch einer Wirtschaftsgemeinschaft
Die Einkäufe, insbesondere größere Einkäufe, werden häufig zusammen erledigt. Das Putzen werde von beiden erledigt beziehungsweise übernehme mittlerweile jemand vom Pflegedienst des Klägers.
Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen sei gegeben
Denn sie lebten beide schon länger wie 1 Jahr zusammen.
Regelsatz für Partner berücksichtigt
Denn das Jobcenter sowie das SG Freiburg gingen hier von einer Bedarfsgemeinschaft aus.
Das LSG Baden- Württemberg hob das Urteil der Vorinstanz auf, das Jobcenter wurde eines Besseren belehrt, denn sie sind nur gute Freunde und keine Partner.
Von § 20 Abs. 4 SGB II erfasst sind Partner in Bedarfsgemeinschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II.
Diese Regelung ist auf den nach dem SGB II Leistungsberechtigten auch dann anwendbar, wenn dieser in einer sogenannten gemischten Bedarfsgemeinschaft lebt, was der Fall ist, wenn ein Partner keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, etwa, weil er die Altersgrenze nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB II überschritten hat und/oder leistungsberechtigt nach dem SGB XII ist.
Bei den beiden Freunden handelt es sich nicht um Partner in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 20 Abs. 4 SGB II in Verbindung mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II.
Sie sind schon keine Partner im Sinne des eheähnlichen Begriffs
Mit dem Begriff der Partnerschaft ist eine Gemeinschaft gemeint, die nicht durch bloßes Zusammenleben begründet wird, sondern Ausschließlichkeitscharakter im Sinne einer Eheähnlichkeit aufweist und keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt.
Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit (Urlaube, Hobbys) verbracht wird und die sich regelmäßig (zum Beispiel am Wochenende) auch in der Wohnung aufhalten, sprechen gegen die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft ( BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 – 1 BvL 8/87 ).
Möglichkeit der Heirat bzw. Begründung einer Lebenspartnerschaft mit dem Dritten muss bestehen
Es muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat beziehungsweise Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz bestehen
Es trifft aber nicht zu, dass unter dem Rechtsbegriff „Partner“ zwei Personen bereits dann zu erfassen sind, wenn sie grundsätzlich heiraten könnten oder eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz eingehen könnten.
Eine Partnerschaft zeichnet sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nämlich dadurch aus, dass sich ihre Mitglieder zueinander in dem Sinne bekennen, der jeweils andere sei die Partnerin bzw. der Partner oder “die Freundin oder der Freund”, man sei “zusammen” oder lebe in einer Beziehung oder dergleichen mehr ( so auch LSG NSB L 13 AS 268/11 ).
Möglichkeit der Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz besteht
Das Gericht kommt aber hier zu der Auffassung, dass dies nicht gegeben ist, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen.
Sie haben zwar gemeinsame Wanderurlaube, allerdings die Nächte in getrennten Schlafzimmern verbracht. Sie sind seit Jahren nur noch gute Freunde, wohnen zusammen, aber stehen nicht füreinander ein.
Finanziellen Angelegenheiten getrennt – Bankvollmacht kein Beweis
Ihre finanziellen Angelegenheiten regeln sie getrennt. Die Bankvollmacht dient nur dazu, dass der Kläger bei Krankheit an sein Geld kommt, der Freund hat diese Bankvollmacht.
Gewählte Lebensmodell ist nicht auf Dauer angelegt
Denn der Kläger sucht eine andere Wohnung. Ferner fehlt es an einer daneben keine vergleichbare Lebensgemeinschaft zulassenden Ausschließlichkeit der Beziehung im Sinne einer Eheähnlichkeit zwischen dem Kläger und dem Freund, da dieser im streitgegenständlichen Zeitraum auch bereits eine Beziehung mit einem anderen Person geführt hat.
Es genügt, das der eine Mitbewohner eine Beziehung mit einer anderen Person führt, die eine Beziehung mit dem anderen Bewohner nicht zulässt. Dies ist vorliegend der Fall.
Fazit
Beziehungen zu jeweils dritten Partnern, mit denen die Freizeit verbracht wird – wie vorliegend die gemeinsamen Kurzurlaube und Übernachtungen – sprechen gegen die Annahme einer eine Bedarfsgemeinschaft voraussetzenden Partnerschaft.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
Wenn das Jobcenter eine Bedarfsgemeinschaft unterstellt, wirds eng. Nehmt euch in so einem Fall immer einen Rechtsanwalt, denn entweder wird die Sozialleistung versagt oder das Einkommen des Partners wird angerechnet.
Hier muss man sofort tätig werden,
als 1. Widerspruch einlegen gegen die Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft.
2. Der weitere Weg ist denn wohl der Klageweg.
Wissenswertes zur eheähnlichen Gemeinschaft und Vermutung einer Bedarfsgemeinschaft im Beitrag: Bei Partnerschaft auf Probe muss der Partner zahlen
Bürgergeld: Bei Partnerschaft auf Probe muss der Partner zahlen
Rechtstipp
1. Nicht jeder Freund, der einen unterstützt, wird dadurch zum Partner. Das JobCenter darf hier nicht gleich eine Bedarfsgemeinschaft vermuten, tut es aber! ( SG Nordhausen S 19 AS 179/24 ER ).
2. Die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft bei nicht verheirateten Partnern setzt zwingend das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts voraus. Allein das Unterhalten einer Liebesbeziehung unter Beibehaltung getrennter Haushalte ist nicht geeignet, eine Bedarfsgemeinschaft zu begründen, auch wenn die Partner abwechselnd in der Wohnung des anderen Partners übernachten; SG Ulm, Urteil vom 05.03.2014 – S 4 AS 1764/13 – )
3. Der Umstand, dass gemeinsam Wäsche gewaschen werde, man sich täglich sehe, z. T. gemeinsam einkaufe und der Freund mehrfach in der Woche in der Wohnung der Antragstellerin nächtige, soll genügen, um schon jetzt von einer Lebens- und Einstandsgemeinschaft und damit von einer Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7Abs. 3 Ziff. 3c SGB II auszugehen, so das Jobcenter – aufgehoben v. Halle (Saale), Beschluss v. 13.10.2015 – S 32 AS 3462/15 ER -).
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.