Eine Kostensenkungsaufforderung ist rechtswidrig, wenn keine Beratung seitens des Jobcenters erfolgte beziehungsweise das Jobcenter mit der Klägerin nicht im Dialog war.
Ist ein Bezieher von Bürgergeld auf einer zwar rechtmäßigen, allerdings nicht im üblichen zeitlichen Rahmen kündbaren mietvertragsrechtlichen Grundlage zur Zahlung unangemessener Kosten für die Unterkunft verpflichtet, ist ihm die Kostensenkung subjektiv nur dann zumutbar, wenn das Jobcenter ihm hierzu seinen Rechtsstandpunkt und das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlicht, die den Mieter zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber dem Vermieter in die Lage versetzt (LSG Berlin- Brandenburg Az. : L 28 AS 2276/07 mit Verweis auf BSG vom 22.9.2009 – B 4 AS 8/09 R – ).
Kurzfassung des Gerichts
Dieser Einzelfall zeigt deutlich, dass insbesondere bei der Klägerin , durchaus aber auch beim Jobcenter Unklarheit darüber herrschte, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein hilfebedürftig werdender Mieter gegen seinen Vermieter im Falle des Eintritts von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II einen Anspruch auf vorzeitige Entlassung aus einem befristeten Mietverhältnis hat.
Maßnahmen der Kostensenkung sind für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich bei fehlender Beratung und Hilfestellung durch das Jobcenter
Solange aber der Grundsicherungsträger dem Hilfebedürftigen in einem solchen Fall seinen Rechtsstandpunkt und das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter nicht in einer Weise verdeutlicht, die den Mieter zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber dem Vermieter in die Lage versetzt, sind Maßnahmen der Kostensenkung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich.
Diese vom Bundessozialgericht im Zusammenhang mit Unterkunftskosten, die teilweise auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, entwickelten Grundsätze (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 8/09 R – ) sind hier übertragbar.
Denn auch bei unangemessenen Kosten, die auf einer zwar rechtmäßigen, allerdings nicht im üblichen zeitlichen Rahmen kündbaren mietvertraglichen Grundlage beruhen, besteht ein Bedürfnis, die Kosten nicht bis zum ersten vorgesehenen Kündigungstermin und damit möglicherweise längerfristig aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten.
Da es für einen Betroffenen jedoch eher noch schwerer ist, sich aus einer rechtmäßigen Vereinbarung zu lösen, als dies bei einer rechtswidrigen Vereinbarung der Fall ist, sieht das Gericht hier erst recht ein Bedürfnis für eine weitergehende Aufklärung durch den Grundsicherungsträger.
Eine derartige Information war vorliegend auch nicht ausnahmsweise aufgrund des Kenntnisstandes der Klägerin entbehrlich.
Denn ebenso wenig entfiel das Bedürfnis zu einer dahingehenden Beratung vor dem Hintergrund, dass sich andere Möglichkeiten der Kostensenkung aufdrängten. Dass ein Vermieter, der eine entsprechende vertragliche Klausel zur Kündbarkeit im Vertrag aufnimmt, einen Mieter ohne weiteres vorzeitig aus dem Vertrag entlässt, ist kaum zu erwarten. Denn in seinem Interesse liegt es ja gerade, eine längerfristige Vermietung zu gewährleisten.
Untervermietung wie vom Jobcenter und Sozialgericht zur Kostensenkung gefordert keine Alternative
Auch stellte hier – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – aufgrund des im Tatbestand geschilderten konkreten Wohnungsschnitts eine Untervermietung von Wohnraum keine Alternative dar.
Das die Wohnung von Anfang an zu teuer war für die Hilfebedürftige, so nämlich das Jobcenter, ist auch nicht zu folgen
Bei Abschluss des Mietvertrages war die Klägerin – nicht dem SGB 2 unterworfen
Denn zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages und des Bezuges des Hauses befand sich die Klägerin weder im Leistungsbezug noch war sie damals bei gestelltem Leistungsantrag tatsächlich hilfebedürftig. Ob ihre Entscheidung, das Haus zu den bekannten Konditionen alleine anzumieten, wirtschaftlich vernünftig war oder nicht, kann daher für ihren und den Leistungsanspruch ihrer Tochter keine Rolle spielen.
Fazit
Das Jobcenter war verpflichtet, auch über den gesetzlich vorgesehenen Sechsmonatszeitraum hinaus nicht nur die angemessenen, sondern die tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und – damit konsequenterweise auch – der Heizung zu tragen.
Anmerkung vom Sozialrechtsexperten von Tacheles e. V.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist im Zusammenhang mit einer geforderten Kostensenkung stets dann an subjektive Unzumutbarkeit zu denken, wenn das Jobcenter den Hilfebedürftigen mit seiner Kostensenkungsaufforderung inhaltlich nicht korrekt, unvollständig oder irreführend informiert hat.
2. Dies kann gegebenenfalls zur Folge haben, dass dem Hilfesuchenden die Kostensenkung subjektiv nicht zumutbar war und daher nach § 22 Abs. 1 Satz 7 SGB II Leistungen für die tatsächlich anfallenden – zu hohen – Unterkunftskosten zustehen.
3. Eine objektiv fehlerhafte Angabe zur Höhe der Referenzmiete führt nur dann zur subjektiven Unmöglichkeit der Kostensenkung im Ausnahmefall, wenn dadurch bewirkt wird, dass der Grundsicherungsempfänger seine Suche auf Grund der unzutreffenden Angabe im wesentlichen Umfang (tatsächlich) beschränkt (BSG, Urteil vom 28.02.2024 – B 4 AS 18/22 R – ).
Praxistipp vom Sozialrechtsexperten
1. Eine Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters ist rechtswidrig, wenn kein Dialog mit den Hilfebedürftigen über die Frage der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft geführt wurde(vgl. u.a. BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R – ).