Das Jobcenter muss im Einzelfall eine erneute Erstausstattung bei Geburt des zweiten Kindes für Bürgergeld-Bezieher gewähren. Das urteilte das Sozialgericht Karlsruhe. Aus dem Urteil:
1. Eine Erstausstattung kommt nicht nur im Zusammenhang mit dem tatsächlich erstmaligen Auftreten des Bedarfs in Betracht, sondern eine Erstausstattung kann auch durch einen neuen Bedarf aufgrund außergewöhnlicher Umstände begründet sein.
2. Das Jobcenter darf die Ablehnung einer Erstausstattung nicht pauschal damit begründen, es sei das übliche Vorgehen, die beim ersten Kind angeschafften Gegenstände beim zweiten Kind weiter zu benutzen.
3. Im konkreten Einzelfall kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände wieder eine Erstausstattung gegeben sein (Orientierungssatz Detlef Brock). So entschieden vom SG Karlsruhe, Urt. v. 12.12.2017 – S 12 AS 1866/17 –
Inhaltsverzeichnis
Begründung:
Abweichende Leistungserbringung – Erstausstattung bei Geburt. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Bedarf ist § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II.
Der Anspruch auf eine Erstausstattung ist nicht zeitlich zu verstehen, sondern bedarfsbezogen, d.h. entscheidend kommt es darauf an, ob ein entsprechender Ausstattungsanspruch vorhanden ist, der nicht bereits durch vorhandene Gegenstände gedeckt ist.
Verschulden des Leistungsbeziehers
Die Bedarfssituation ist nicht von einem möglichen Verschulden des Leistungsberechtigten zu beurteilen (vgl. BSG v. 27.09.2011 – B 4 AS 202/10 R- ).
Jobcenter meint, es handele sich um eine Ersatzbeschaffung
Dem folgte das Gericht aber nicht, denn die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die vor mehr als drei Jahren bewilligten und angeschafften Gegenstände für ihr 1. Kind nicht mehr vorhanden sind, aufgrund des Auszugs aus dem Haushalt der Mutter und dem Zurücklassen nicht mehr benötigter Gegenstände, ihre Mutter habe damals auch die Gegenstände entsorgt.
Verlust der für das erste Kind angeschafften Gegenstände – erneute Erstausstattung bei Geburt des zweiten Kindes
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände und im Einzelfall ist wieder eine Erstausstattung seitens des Jobcenters zu übernehmen. Die Auffassung der Behörde, die einmal bewilligten Gegenstände seien für ein weiteres Kind aufzubewahren, ist im Falle der Leistungsgewährung nach dem SGB II nachvollziehbar.
Das Gericht stellt sich die Frage, ab wann eine zeitliche Grenze gesetzt werden muss
Dass die Weiterbenutzung einer Säuglingserstausstattung dann zumutbar ist, wenn eine zweite Schwangerschaft unmittelbar auf die erste folgt, ist verständlich. In einem solchen Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Gegenstände ohnehin aufbewahrt werden.
Aber wenn eine zweite Schwangerschaft nicht geplant war und diese auch nicht unmittelbar auf die erste folgt, muss eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden.
Eine solche Fallgestaltung lässt sich nicht verpauschalieren.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass hier der Mutter eine 2. Erstausstattung zu gewähren war.
Anmerkung Sozialrechtsexperte Detlef Brock
In meinen Augen völlig richtige Entscheidung, denn im konkreten Fall wies das Gericht darauf hin, dass zwischen den Geburten drei Jahre lagen.
Auch gab es einen besonderen Umstand, da die Frau aus dem Haushalt der Mutter ausgezogen war. Die Mutter hatte die Sachen entsorgt.
Rechtstipp
SG Heilbronn, Urteil vom 03.11.2015 – S 11 AS 1274/15 – Pauschale Reduzierung des Pauschalbetrages bei Geschwisterkindern unzulässig.
Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.