Konflikte zwischen Leistungsberechtigten und Sachbearbeitern sind häufig. Was können Leistungsberechtigte tun, wenn sie merken, dass dieser Sachbearbeiter im Jobcenter gegen Sie arbeitet, sie drangsaliert, sie schlicht nicht versteht, inkompetent ist oder die “Chemie nicht stimmt”.
Ein triftiger Grund
Inhaltsverzeichnis
Gehen Reibereien mit dem Sachbearbeiter über Grenzen hinaus, dann wären Sie mit einem anderen besser gestellt. Wer merkt, dass der Sachbearbeiter befangen ist, dann sollten Betroffene etwas unternehmen.
Ein triftiger Grund für einen Wechsel des Sachbearbeiters liegt vor, wenn der Sachbearbeiter nachweislich Ihnen gegenüber nicht unparteiisch ist.
Muss der Sachbearbeiter tatsächlich befangen sein?
Leistungsberechtigte haben hier die Rechtsprechung auf ihrer Seite. Ein Sachbearbeiter muss nämlich nicht tatsächlich befangen sein. Es reicht, dass “ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Amtsträgers zu zweifeln” (vgl. BVerfG, Beschluss v. 18.6.2003, 2 BvR 383/03, BVerfGE 108 S. 122).
Solchen Zweifeln müssen jedoch Tatsachen zugrunde liegen, sei es in der Person des Sachbearbeiters, sei es dessen Umgang mit Ihren Anliegen.
Der Befangengeitsantrag
Sie können als Leistungsbrechtigte einen Befangenheitsantrag stellen, um den Sachbearbeiter zu wechseln (§ 17 Absatz 1 SGB X).
Was zählt als Befangenheit
Gründe, die als Befangenheit bewertet werden können sind persönliche Feindschaft des Sachbearbeiters zu einem Beteiligten des Verfahrens. Ebenso persönliche Freundschaft.
Ein wichtiger Grund sind offensichtliche Voreingenommenheiten und Diskriminierungen (gegenüber Ihnen aufgrund Ihres Geschlechtes, Ihrer sexuellen Ausrichtung, Ihrer Herkunft etcetera).
Befangenheit kann auch durch unsachliche Äußerungen zum geltenden Recht oder Sachfragen entstehen.
Auch wenn ihr Sachbearbeiter ein berufliches, wirtschaftliches und / oder privates Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, ist das ein Grund für Befangenheit.
Beschwerde und Antrag
Zuerst können Sie an den Vorsitzenden des Sachbearbeiters eine formlose Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Ändert sich nichts, dann sollten Sie einen Befangenheitsantrag stellen.
Wenn Sie aber sowieso meinen, dass eine Beschwerde nichts bringt, dann können Sie auch gleich den Antrag stellen.
Der Sachbearbeiter stellt selbst einen Befangenheitsantrag
Der Sachbearbeiter kann auch selbst einen Befangenheitsantrag stellen. Wenn ihm Befangenheit bei sich auffällt, dann muss er das sogar.
Was muss die Behörde tun?
Die Behördenleitung muss diesen Befangenheitsantrag prüfen. Liegt ein Grund vor, sich wegen Befangenheit zu sorgen, dann muss die Behördenleitung dem entsprechenden Sachbearbieter verbieten, Ihren Fall zu bearbeiten. Es gibt keinen Spielraum für die Verantwortlichen beim Vorliegen von triftigen Gründen.
Umgekehrt können weder Sie noch der Sachbearbeiter innerhalb (!) der Behörde den Ausschluss Ihres Sachbearbeiters rechtlich rückgängig machen.
Dafür bedarf es eine juristische Anfechtung der Sachentscheidung. (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 13/09 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.2.2012, L 19 AS 91/12 B).
Zur Erläuterung ein Beispiel aus der Praxis
Herr Müller, der seit einigen Monaten Bürgergeld bezieht, hat bereits mehrfach versucht, mit seiner zuständigen Sachbearbeiterin im Jobcenter konstruktiv zusammenzuarbeiten. Er bemüht sich aktiv um Stellen, nimmt an Weiterbildungsmaßnahmen teil und reicht alle geforderten Unterlagen pünktlich ein. Dennoch fällt ihm auf, dass seine Sachbearbeiterin seine Bemühungen wiederholt in Frage stellt, seine Unterlagen besonders kritisch beäugt und ihm mitunter Unterstellungen macht, er würde „nicht wirklich arbeiten wollen“.
So wurde Herr Müllers Weiterbildungsantrag, der ihm langfristig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnen würde, ohne nachvollziehbare Begründung abgelehnt. Als er daraufhin nachfragt, ob sie ihm bitte im Detail erklären könne, wieso der Antrag nicht genehmigt wurde und ob es Alternativen gebe, reagiert die Sachbearbeiterin ungeduldig und gereizt. Sie droht sogar indirekt mit Leistungskürzungen, obwohl es dafür keinen ersichtlichen Anlass gibt.
Zusätzlich berichtet Herr Müller von ungleicher Behandlung: Andere Leistungsberechtigte in ähnlicher Situation berichten ihm, dass ihnen Weiterbildungen ohne großen bürokratischen Aufwand bewilligt werden.
Nach einigen Wochen des unproduktiven Hin und Hers wird für Herrn Müller klar: Er fühlt sich von dieser Sachbearbeiterin nicht nur ungerecht behandelt, sondern regelrecht benachteiligt. Er gewinnt den Eindruck, dass persönliche Antipathien eine Rolle spielen und er nicht die neutrale, unterstützende Beratung erhält, die ihm zusteht.
In dieser Situation kann Herr Müller einen formlosen Antrag ans Jobcenter stellen und um einen Wechsel des Sachbearbeiters bitten. Er führt in dem Schreiben konkret aus, wann er sich in welcher Weise ungerecht behandelt fühlte, welche Entscheidungen für ihn nicht nachvollziehbar waren und weshalb er an der Neutralität der derzeitigen Sachbearbeiterin zweifelt.
Auf Grundlage dieser Schilderungen prüft das Jobcenter die Vorwürfe. Stellt sich heraus, dass ein neutrales Beratungsverhältnis nicht mehr gewährleistet ist, wird Herr Müller einem anderen Sachbearbeiter zugeteilt.
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Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.