Bürgergeld-Leistungslücke des Jobcenter nach Umzug rechtswidrig

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Bürgergeld-Leistungslücke des Jobcenters bei umzugsbedingten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit rechtswidrig
Jobcenter dürfen Leistungsbezieher nach umzugsbedingtem Zuständigkeitswechsel – nicht ohne Geld da stehen lassen, denn § 36 SGB 2 regelt allein die Zuständigkeit der verschiedenen Grundsicherungsträger/ Jobcenter untereinander, er ist keine Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Leistung/ Bürgergeld.

Danach muss bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden.

Die Regelung soll bei einem während eines laufenden Leistungsbezugs eingetretenen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Interesse der Leistungsberechtigten eine nahtlose Leistungsgewährung sicherstellen. Hat also die bisher zuständige Behörde Leistungen erbracht, hat der Leistungsberechtigte gegen die bisher zuständige Behörde einen Anspruch auf fortgesetzte Leistungserbringung.

Grundsätzlich gilt beim Bezug von Bürgergeld und beim umzugsbedingten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit folgendes:

Grundsicherungs Bezieher nach dem SGB 2 dürfen nach einem Umzug und Zuständigkeitswechsel des Jobcenters nicht – ohne Leistungen – da stehen, aber genau das passiert fast jeden Tag in Deutschlands Jobcentern.

Grundsätzlich gilt für Bezieher von Bürgergeld:

Ein Umzug eines Empfängers von Leistungen nach dem SGB II / Bürgergeld in einen anderen Zuständigkeitsbereich führt nicht zu einer Unterbrechung der Leistungsgewährung.

Die Regelung des § 2 Abs. 3 SGB X soll bei einem während eines laufenden Leistungsbezugs eingetretenen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Interesse der Leistungsberechtigten eine nahtlose Leistungsgewährung sicherstellen.

Hat also die bisher zuständige Behörde Leistungen erbracht, hat der Leistungsberechtigte gegen die bisher zuständige Behörde einen Anspruch auf fortgesetzte Leistungserbringung.

Aber die Jobcenter vertreten diese rechtswidrige Meinung:

Bürgergeld Bezieher können sich nicht auf § 2 Abs. 3 SGB X berufen, denn diese Vorschrift komme lediglich in Fällen von Zuständigkeitskonflikten zwischen 2 Leistungsträgern zur Anwendung.

Mit wegweisendem Beschluss hat nun das LSG Berlin – Brandenburg ( Beschluss v. 16.05.2019 – L 32 AS 823/19 B E R – unveröffentlicht – erstritten von RA Kay Füßlein, Berlin ) noch mal folgende Rechtsauffassung bestätigt

Fortbestehende Leistungspflicht für den Regelbedarf – Nichterstrecken auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung!!

Ziehen Bezieher von Bürgergeld in eine neue Wohnung und wird dabei ein neues Jobcenter zuständig, darf das alte Jobcenter trotzdem nicht die ALG II – Leistungen nach § 48 Abs. 1 SGB X aufheben.

Zu unterscheiden ist aber zwischen dem Regelbedarf und dem Bedarf für Unterkunft und Heizung

Während durch den Wechsel der Zuständigkeit der bewilligte Regelbedarf materiell rechtlich ( in der Regel ) – nicht berührt wird, gilt dies für den bewilligten Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht, denn dieser Bedarf ist durch die bisherige Wohnung entstanden und kann beziehungsweise darf durch das zuständig gewordene Jobcenter – nicht erbracht werden.

Leistungen für den Bedarf der Unterkunft und Heizung kann auch das bisher zuständige Jobcenter für die bisherige Wohnung – nach einem Umzug nicht mehr rechtmäßig erbringen ( vgl. Schleswig – Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.04.2011- L 6 AS 45/10 – ).

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Anmerkung vom Bürgergeld-Experten Detlef Brock

1. Die (Weiter-)Leistungspflicht des zuständig gewesenen Jobcenters nach § 2 Abs 3 S 1 SGB 10 erstreckt sich nicht auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung ( so ganz aktuell zum Bürgergeld: LSG Sachsen, Beschluss v. 22.05.2024 – L 7 AS 142/24 B ER – ).

Nach einem umzugsbedingten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ist das bisher örtlich zuständige Jobcenter nicht berechtigt, aufgrund eines angenommenen Wegfalls der Erreichbarkeit die von ihm bewilligten Leistungen vor Fortsetzung der Leistungserbringung durch den nunmehr zuständigen Leistungsträger aufzuheben, soweit der erwerbsfähige Leistungsberechtigte für den örtlich zuständig gewordenen Leistungsträger erreichbar ist.

2. Eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundessozialgerichts hinsichtlich der Kosten der Unterkunft bei einem umzugsbedingten Zuständigkeitswechsel liegt bisher nicht vor.

3. Aber Betroffene sollten beim Widerspruchs bzw. Klageverfahren darauf aufmerksam machen, dass folgende Rechtsfrage beim Bundessozialgericht seit kurzem anhängig ist BSG B 7 AS 11/25 R.

Vorinstanz: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 5 AS 952/23, 13.03.2025 – nicht veröffentlicht

Zur Frage der Fortwirkung des vom Leistungsberechtigten beim bisher zuständigen Jobcenter gestellten und beschiedenen Leistungsantrags gegenüber dem nunmehr zuständigen Jobcenter bei einem umzugsbedingten Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im laufenden Bewilligungszeitraum hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung am Zuzugsort.

Dazu das LSG Berlin-Brandenburg Az. L 5 AS 952/23 – unveröffentlicht –

1. Die (Weiter-)Leistungspflicht des zuständig gewesenen Trägers nach § 2 Abs 3 S 1 SGB 10 erstreckt sich nicht auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung ( mit Hinweis auf LSG LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. November 2021 – L 19 AS 1806/18 – ).

Weitere Anmerkungen von Detlef Brock

4. Nach einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit muss die bisher zuständige Behörde die (von ihr bewilligten) Leistungen bis zu deren Fortsetzung durch die zuständig gewordene Behörde erbringen, die wiederum nach dem Zuständigkeitswechsel erbrachte Leistungen auf Anforderung zu erstatten hat (§ 2 Abs. 3 Satz 1 f., § 1 Abs. 2 SGB X, hier i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II).

Dadurch soll durch den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit keine Unterbrechung des Leistungsverhältnisses eintreten und gewährleistet werden, dass der vorleistende Träger nicht die Kosten der Weiterleistung zu tragen hat (vgl. z.B. BSG v. 01.03.2018 – B 8 SO 22/16 R – ).

Damit ist eine auf diese Änderung gestützte Aufhebung der Bewilligung von Leistungen durch das bisher zuständige Jobcenter – grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. nur – jeweils – LSG Berlin-Brandenburg v. 23.07.2021 – L 3 AS 785/21 B ER; LSG Berlin-Brandenburg v. 18.11.2021 – L 19 AS 1806/18 ).

5. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X hat bei einem örtlichen Zuständigkeitswechsel die bisher zuständige Behörde die Leistungen noch solange zu erbringen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Es darf durch den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit also keine Leistungslücke entstehen.

Dies gilt analog auch für Bezieher von Sozialhilfe (SGB 12)

6. Ein eingetretener Wechsel der örtlichen Zuständigkeit lässt grundsätzlich einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unberührt und begründet allein keine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 S 1 SGB X ( LSG BW, Az. L 7 SO 1311/19 ER-B mit Verweis auf BSG, Urteil vom 25. April 2018 – B 8 SO 20/16 R – ).