Beschaffung eines Kühlschranks im Rahmen der Wohnungserstausstattung gehört zum Existenzminimum
Können Bürgergeldempfänger Anspruch auf einen Kühlschrank i. S. der Wohnungserstausstattung gegen das Jobcenter haben, wenn sie den Kühlschrank sich vom Sperrmüll besorgt haben und später fest stellen, dieser ist funktionsuntüchtig ist und sie vorher noch keinen Kühlschrank besaßen?
Dazu entschied das Gericht wie folgt: SG Bremen, Beschluss vom 08.09.2016 – S 6 AS 1654/16 ER –
Beschaffung eines Kühlschranks im Rahmen der Wohnungserstausstattung als Zuschuss
Ein Anspruch auf eine zuschussweise Bewilligung einer Erstausstattung für eine Wohnung setzt voraus, dass ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist.
Wohnungserstausstattung auch bei erneutem Bedarf
Darüber hinaus kommt eine Wohnungserstausstattung auch bei einem erneuten Bedarf nach einer Erstbeschaffung von Einrichtungsgegenständen vor oder während des SGB II-Bezuges in Betracht.
Die erneute Beschaffung von Einrichtungsgegenständen durch einen Zuschuss des Leistungsträgers ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen möglich.
Hierfür müsse ein konkreter Bedarf durch außergewöhnliche Umstände bzw. ein besonderes Ereignis entstanden sein, ein spezieller Bedarf vorliegen und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den außergewöhnlichen Umständen bzw. dem besonderen Ereignis und dem Bedarf gegeben sein.
Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Hinblick auf die Erstbeschaffung eines Kühlschrankes zu.
Anspruch auf Zuschuss
Der Umstand, wonach die Hilfebedürftige in den vergangenen zwei Jahren in ihrer Wohnung ohne eine Kühlungsmöglichkeit für Lebensmittel gelebt haben will, begegnet gewissen Zweifeln.
Niemand muss ohne Kühlschrank leben
Diese Zweifel müssen jedoch im Hinblick auf die Bedeutung eines Kühlschrankes für eine ordnungsgemäße Lebensführung zurücktreten. Es kann der Antragstellerin nicht zugemutet werden, auch in der Zukunft ohne Kühlschrank leben zu müssen und insoweit das Hauptsacheverfahren abzuwarten.
Insofern genügt im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die Glaubhaftmachung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung.
Kühlschrank vom Sperrmüll – Zuschuss
Die Leistungsbeziehende hat durch diese auch glaubhaft gemacht, dass der vom Sperrmüll beschaffte Kühlschrank von Anfang an funktionsuntüchtig war, so dass insoweit nicht von einer Ersatzbeschaffung, sondern von einer Erstbeschaffung auszugehen war. (Rechtsanwälte Beier und Beier)
Rechtstipp Redakteur Detlef Brock
1. SG Bremen, Urteil vom 23.07.2015 – S 27 AS 160/12 –
War die vorhandene (vom Sperrmüll kommende) Waschmaschine nicht mehr funktionstüchtig, ist von einem bestehenden Erstausstattungsbedarf auszugehen.
2. LSG NRW, Beschluss vom 29.08.2013 – L 19 AS 999/13 B – rechtskräftig
Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn es bestehen Anhaltspunkte, dass die früheren Kinderbetten der Kinder schon bei ihrer Anschaffung – Beschaffung über den Sperrmüll – nicht den grundlegenden Bedürfnissen genügt und nicht dem unteren Segment des Einrichtungsniveaus entsprochen haben.
1. Falls dies der Fall ist, handelt es sich bei der Neuanschaffung des Kinderbettes nicht um eine Ersatzbeschaffung, auch wenn es durch den Umzug unbrauchbar geworden ist, sondern um eine Erstausstattung.
2. Des weiteren ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.05.2013 – B 4 AS 79/12 R – zu klären, ob es sich bei dem früheren Kinderbett um ein für das Kind geeignetes Bett gehandelt hat.
3. SG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 06.11.2009 – S 35 AS 206/07 –
Leistungsempfänger hat Anspruch auf Erstausstattung der Wohnung bei vor einem gescheiterten Suizidversuch vorgenommener Wohnungsauflösung
1. Ein Leistungsempfänger, der vor einem letztlich gescheiterten Suizidversuch seine Wohnungseinrichtung auf dem Sperrmüll entsorgt hat, hat einen Anspruch auf Leistungen für eine Erstausstattung der Wohnung.
2. Eine “Verwirkung” des Anspruchs auf Erstausstattung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Hilfebedürftiger vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit ohne wichtigen Grund selbst herbeigeführt hat.
3. Ein solcher wichtiger Grund liegt indes vor, wenn der Leistungsempfänger sein Leben abschließen und mit der Vernichtung der Möbel nicht Hilfebedürftigkeit herbeiführen wollte.
4. Die Bewilligung als Darlehen ist daher rechtswidrig.
4. BSG, Urt. v. 20.08.2009 – B 14 AS 45/08 R –
Leistungen für Erstausstattungen der Wohnung auch nach vorherigem Verzicht auf die Anschaffung einer Wohnungseinrichtung
1. Anspruch auf Gewährung einer Erstausstattung für eine Wohnung besteht auch dann, wenn der Hilfebedürftige die erforderliche Anschaffung von Wohnungsgegenständen zunächst aus freier Entscheidung unterlassen und bereits längere Zeit in einer unmöblierten Wohnung gelebt hat.
Ein Beispiel dazu
Die Frau, Bürgergeld berechtigt, lässt sich scheiden, zieht später in eine andere Wohnung, welche un – oder teilmöbliert ist. Aus freier Entscheidung lebt sie viele Jahre so, bis sie merkt, eine Couch oder ein Wohnzimmerschrank wären nützlich.
Darlehen rechtswidrig
Sie stellt beim Jobcenter einen Antrag auf die genannten Wohnungsgegenstände, sollte das Jobcenter dies ablehnen oder vielleicht ein Darlehen anbieten, wäre das rechtswidrig.
Somit Widerspruch einlegen, noch mal alles schildern und folgende Begründung für den Erstausstattungs-Antrag reicht: Anspruch auf die Gewährung einer Erstausstattung für die Wohnung, denn die Hilfebedürftige hatte die erforderliche Anschaffung von Wohnungsgegenständen zunächst aus freier Entscheidung unterlassen und bereits längere Zeit in einer un- oder teilmöblierten Wohnung gelebt hat (BSG Rechtsprechung).
Hausbesuch des Jobcenters zur Besichtigung der Wohnung sollte man zu lassen und dem Antrag ein paar Fotos von der Wohnung (was ist an Möbeln vorhanden) beifügen.
Was sagt uns das?
Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Kühlschrank usw. gehören zum Existenzminimum und sollten im Regelsatz nicht mehr pauschaliert erfasst werden! Sondern als einmalige Leistung bzw. als Bestandteil der Kosten der Unterkunft gewährt werden.
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Detlef Brock ist Redakteur bei Gegen-Hartz.de und beim Sozialverein Tacheles e.V. Bekannt ist er aus dem Sozialticker und später aus dem Forum von Tacheles unter dem Namen “Willi2”. Er erstellt einmal wöchentlich den Rechtsticker bei Tacheles. Sein Wissen zum Sozialrecht hat er sich autodidaktisch seit nunmehr 17 Jahren angeeignet.