Ein Bürgergeld-Beziehender gab im Weiterbewilligungsantrag an, seine Eltern hätten die Miete binnen eines Jahres von 400 € auf 600 € erhöht. Damit geriet er in Schwierigkeiten: Das Jobcenter hielt diese Angabe für unglaubwürdig. Sowohl das Sozialgericht Hamburg (Vorinstanz) als auch das Landessozialgericht (LSG) Hamburg teilten diese Einschätzung.
Inhaltsverzeichnis
Entscheidung des LSG Hamburg (Az. L 4 AS 266/22 D)
Unterkunftskosten unter Verwandten: Mietkosten zwischen Verwandten sind nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht zu übernehmen, wenn kein belastbarer Nachweis über eine Mietzahlungsverpflichtung vorliegt und bereits erhebliche, anspruchshindernde Zweifel an einer tatsächlichen Verpflichtung bestehen.
50 %-Mieterhöhung im Elternhaus: Eine Erhöhung um die Hälfte – hier im Rahmen einer Untervermietung eines Zimmers im Elternhaus – ist deutlich unangemessen und nicht glaubhaft. Mietverhältnisse unter Verwandten müssen sich an den ortsüblichen Mieten und moderaten Anpassungen orientieren; eine Steigerung um 50 % in zwölf Monaten spricht gegen Plausibilität.
Verdacht auf Sozialleistungsbetrug: Der Eindruck, es solle lediglich ein höherer Leistungsbezug generiert werden, lag aus Sicht des Jobcenters nahe. Die vom Kläger selbst vorgenommene Erhöhung für den Zeitraum März 2019 bis November 2019 konnte auch auf Mietrückstände oder einen Verköstigungsanteil hindeuten, zumal über die Erhöhung keine schriftliche Vereinbarung vorlag.
Vergleichsfall ab Juli 2020: Ab Juli 2020 mietete der Kläger eine 45,26 m² große 2-Zimmer-Wohnung in H. für 457,88 € an. Diesen Betrag berücksichtigte das Jobcenter; hier sei die Miethöhe angemessen. Solche Verhältnisse seien beim Zimmer im Elternhaus gerade nicht gegeben.
Fazit
Ein höherer Anspruch auf Kosten der Unterkunft setzt eine ernsthafte, nachweisbare Mietzahlungsverpflichtung voraus. Das war hier nicht der Fall. Der letzte vorgelegte Untermietvertrag (unbefristet) sah 400 € Miete vor, nicht 600 €. Eine Forderung von 600 € für ein Zimmer im eigenen Elternhaus war nicht glaubhaft.
Wichtig: Allein ein Verwendungszweck auf dem Kontoauszug begründet keine ernsthafte Zahlungsverpflichtung.
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Bescheid prüfenErgänzende Einordnung: Rechtsrahmen & Praxis
1) Mietverträge unter Verwandten sind möglich – Nachweis bleibt Pflicht
Auch mündliche Untermietverträge können wirksam sein. Entscheidend ist, dass eine ernsthafte Mietzinsverpflichtung besteht und tatsächlich durchgeführt wird, etwa durch regelmäßige, nachvollziehbare Zahlungen und klare Absprachen zu Miethöhe, Beginn und Umfang der Nutzung.
2) Fremdvergleich mit Augenmaß
Bei Verwandtenkonstellationen ist ein schematischer Fremdvergleich unangebracht, dennoch muss die Vereinbarung plausibel sein. Sprunghafte, nicht erklärbare Steigerungen sind ein starkes Gegenindiz für Ernsthaftigkeit.
3) Kappungsgrenzen als Plausibilitätsanker
Im Wohnraummietrecht gelten Kappungsgrenzen, die die Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren begrenzen. Für die sozialrechtliche Prüfung sind sie kein Automatismus, dienen aber als plausibilitätsstiftender Maßstab: Eine 50 %-Erhöhung in einem Jahr liegt weit außerhalb dessen, was üblicherweise als angemessen gilt.
4) Karenzzeit schützt nicht vor Nachweispflichten
In der Karenzzeit werden zwar tatsächliche Unterkunftskosten anerkannt; das setzt aber voraus, dass überhaupt eine wirksame Mietverbindlichkeit besteht. Bloße Behauptungen oder unklare Mischzahlungen genügen nicht.
5) Was zu den KdU gehört
Zum Bedarf zählen Bruttokaltmiete (Kaltmiete plus kalte Betriebskosten) und Heizkosten, jeweils in angemessener Höhe nach den örtlichen Richtwerten.
6) Kostensenkungsverfahren – Pflicht mit Grenzen
Hält das Jobcenter die Miethöhe für unangemessen oder die Vereinbarung für unwirksam, muss es grundsätzlich ein Kostensenkungsverfahren einleiten und Betroffene mit konkreten Angemessenheitswerten und Fristen informieren. Liegt die Unwirksamkeit offenkundig vor, kann dieses Verfahren ausnahmsweise entfallen.
Was das Jobcenter in Verwandtenfällen typischerweise prüft
- Vertrag & Inhalt: Gibt es einen (auch mündlichen) Mietvertrag mit klarer Miethöhe, Mietbeginn, Umfang der Nutzung (Zimmer, Mitbenutzung von Küche/Bad), Regelung zu Nebenkosten?
- Zahlungsnachweise: Regelmäßige, belegbare Zahlungen (Überweisung, Dauerauftrag, Quittungen bei Barzahlung), nicht nur beschriftete Kontoauszüge ohne tatsächliche Geldflüsse.
- Plausibilität der Höhe: Orientierung an ortsüblichen Mieten, nachvollziehbare Anpassungen statt sprunghafter Steigerungen.
- Trennung der Posten: Keine Vermischung von Miete mit Unterhalt, Verpflegung oder Nachzahlungen ohne klare Aufteilung.
Checkliste: So belegen Betroffene die Miethöhe sauber
- Schriftliche Vereinbarung (empfohlen): Miethöhe, Mietbeginn, Nebenkosten (Pauschale oder Vorauszahlung), Wohnfläche und Mitbenutzung, Unterschriften beider Seiten.
- Regelmäßige Zahlungen per Überweisung; bei Barzahlung Quittungen in fortlaufender Reihenfolge.
- Nebenkosten nachvollziehbar: Heizkosten separat, Betriebskosten mit Belegen oder Abrechnung.
- Plausible Erhöhungen: Am Mietspiegel orientieren, Erhöhungsgründe dokumentieren (z. B. gestiegene Betriebskosten, vereinbarte Staffeln).
Häufige Fehler – und wie man sie vermeidet
Rückwirkende „Erhöhungen“ ohne Vertrag oder Belege wirken wie Scheinabreden.
Nur Verwendungszwecke statt echter Zahlungsnachweise überzeugen nicht.
Mischposten aus Miete und Verpflegung ohne klare Aufteilung führen zu Ablehnungen.
Sprunghafte Steigerungen ohne Bezug zur Ortüblichkeit sind regelmäßig nicht anerkennungsfähig.
Wichtige Tipps vom Bürgergeld-Experten bei Mietverhältnissen unter Verwandten
- Untermiete ohne Vermieterzustimmung: Eine wirksame Mietzinsforderung setzt einen wirksamen Untermietvertrag voraus; die Zustimmung des Hauptvermieters ist dafür nicht zwingend erforderlich.
- Nachweis der Verpflichtung: Maßgeblich ist die ernsthafte Vereinbarung und deren tatsächliche Durchführung; schriftlich ist besser, mündlich kann reichen, wenn die Zahlungspraxis das belegt.
- Kostensenkungsverfahren: Hält das Jobcenter die Miethöhe für unangemessen oder die Vereinbarung für unwirksam, muss es Betroffene grundsätzlich mit konkreten Werten und Fristen zur Kostensenkung auffordern – es sei denn, die Unwirksamkeit ist offensichtlich.