Wer nach längerer Erkrankung Schritt für Schritt in den Job zurückkehrt, will Stabilität – nicht neue Lücken auf dem Konto. In der stufenweisen Wiedereingliederung (oft „Hamburger Modell“) gilt weiter Arbeitsunfähigkeit; grundsätzlich zahlt also die Krankenkasse Krankengeld. Gleichzeitig können gut gemeinte Zahlungen oder kleine Formfehler den Anspruch ins Ruhen bringen.
Inhaltsverzeichnis
Was die Wiedereingliederung (rechtlich) ist – und was nicht
Die Wiedereingliederung ist eine therapeutische Maßnahme bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit. Sie steigert die Belastbarkeit planvoll; sie ist kein reguläres Arbeitsverhältnis „light“. Ärztin oder Arzt erstellt einen Stufenplan, Arbeitgeber und Krankenkasse (bzw. die DRV bei Reha-Ketten) stimmen zu. Die Arbeitsunfähigkeit bleibt bestehen.
Grundsatz: Weiter Krankengeld statt Lohn
Während der Wiedereingliederung besteht der Anspruch auf Krankengeld fort – bis maximal 78 Wochen pro Erkrankung innerhalb von drei Jahren (Blockfrist). Zeiten, in denen das Krankengeld ruht, zählen grundsätzlich mit und verkürzen die verbleibende Bezugsdauer. Wer nahe an der Aussteuerung ist, sollte Zeitpunkte und Zahlarten deshalb kalendergenau planen.
Wann ruht das Krankengeld? Die wichtigsten Konstellationen
Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt: Vergütet der Arbeitgeber während der Wiedereingliederung Stunden oder Tage, gilt das als beitragspflichtiges Entgelt – das Krankengeld ruht „soweit und solange“. Einmalzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsabgeltung) sind davon nicht erfasst.
Übergangsgeld: Läuft die Wiedereingliederung als Teil einer Reha-Kette, ist Übergangsgeld vorrangig; in dieser Zeit ruht das Krankengeld vollständig.
Melde-/Nachweisfehler: Wird die Arbeitsunfähigkeit nicht fristgerecht nachgewiesen oder gemeldet, ruht das Krankengeld ebenfalls.
Ruhenstatbestände & Praxis-Hinweise
Situation | Auswirkung auf Krankengeld/Handlung |
Stunden- oder Tagesvergütung während der Wiedereingliederung | Ruhen „soweit und solange“; Entgelt ist beitragspflichtig. Besser: keine Entgeltzahlung für Wiedereingliederungsstunden vereinbaren. |
Arbeitgeber-Zuschuss ohne Stundenbezug | Kein Ruhen, wenn Krankengeld + Zuschuss das frühere Netto max. um 50 €übersteigen („Netto+50-Regel“). Zuschuss schriftlich und pauschal vereinbaren. |
Einmalzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsabgeltung) | Kein Ruhen; Abrechnung prüfen, damit nichts fälschlich als laufendes Entgelt verbucht wird. |
Übergangsgeld (DRV/AA/UV) bei Reha-Kette | Krankengeld ruht vollständig; Zahler ist der Leistungsträger (z. B. DRV). Zuständigkeit vorab klären. |
AU-Nachweis fehlt/zu spät (AU-Lücke) | Ruhen wegen Fristversäumnis. AU lückenlos sichern (Terminplanung, eAU-Übermittlung kontrollieren). |
Nebenjob/Minijob während AU | Entgelt löst Ruhen aus; zudem Risiko für den AU-Status. Nur in enger Abstimmung und mit gutem Grund. |
Urlaub/Urlaubsentgelt in der Wiedereingliederung | Kann als Entgelt wirken und Ruhen auslösen; Urlaub in der Regel erst nach abgeschlossenem Übergang klären. |
Irrtümliche Entgeltfortzahlung | Führt zu Ruhen und „verbraucht“ KG-Zeit; sofort mit Arbeitgeber/Kasse berichtigen. |
So rechnet die Kasse in der Praxis: Beispielrechnung
Vereinfacht, Monatsbetrachtung, ohne Beitragsbemessungs-Deckel und ohne Detailabzüge auf das Krankengeld; reale Nettowerte können abweichen.
Ausgangsdaten:
- Letztes Brutto vor Krankheit: 3.400 €
- Letztes Netto vor Krankheit: 2.400 €
- Krankengeld-Formel (vereinfacht): min(70 % Brutto, 90 % Netto)
70 % von 3.400 € = 2.380 €; 90 % von 2.400 € = 2.160 € ⇒ Krankengeld = 2.160 € pro Monat
Variante A – Pauschaler Arbeitgeber-Zuschuss (unschädlich):
- Der Arbeitgeber zahlt 100 € monatlich ohne Stundenbezug.
→ Gesamt: 2.160 € KG + 100 € Zuschuss = 2.260 €. - Netto+50-Regel: früheres Netto 2.400 € → zulässiges Maximum 2.450 €.
- Ergebnis: Kein Ruhen, Regel eingehalten.
Variante B – Vergütung von Wiedereingliederungs-Stunden (schädlich):
- Der Arbeitgeber vergütet 20 Stunden × 15 € = 300 €.
- Das ist beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
- Folge: Krankengeld ruht „soweit und solange“ – praktisch wird die Kasse das Krankengeld mindestens in Höhe des Entgelts/der betroffenen Tage kürzen bzw. für diese Tage nicht zahlen.
- Effekt (vereinfacht): 2.160 € KG − 300 € Ruhen/Kürzung ≈ 1.860 € KG-
- Auszahlung + 300 € Lohn = 2.160 €. Finanzielle Summe ähnlich, aber Ruhen,
- Mehrabgaben auf Lohn und Verbrauch von KG-Zeit.
Variante C – Einmalzahlung (unschädlich):
- Weihnachtsgeld 800 € im Dezember.
- → Kein Ruhen; das Krankengeld bleibt 2.160 €, Einmalzahlung kommt on top (steuer-/sv-rechtliche Behandlung beachten).
- Gesamtmonat: 2.960 €.
Variante D – Übergangsgeld der DRV (vorrangig):
- Die Wiedereingliederung läuft als Reha-Fortsetzung; die DRV zahlt Übergangsgeld, z. B. 2.050 €.
- → Krankengeld ruht vollständig für diesen Zeitraum.
- Gesamtmonat: 2.050 € (Zahler: DRV). Nach Ende der DRV-Phase prüft die Krankenkasse den KG-Anspruch erneut.
Blockfrist-Hinweis (78 Wochen):
Auch Monate, in denen das Krankengeld ruht, zählen grundsätzlich auf die Maximaldauer. Wer nahe an der Aussteuerung ist, sollte Stufen, Zuschüsse und Reha-Phasen kalendergenau abstimmen.
Typische Fallstricke – und wie Sie sie vermeiden
Eine wichtige Stellschraube ist die Art der Zahlung: Ein pauschaler Zuschuss (ohne Stundenbezug) hält das Krankengeld stabil, während jede Form von Stunden- oder Tagesvergütung das Krankengeld ruhen lässt und Bezugszeiten verbraucht.
Ebenso riskant sind AU-Lücken, weil sie unmittelbar zu Ruhenszeiten führen; sichern Sie daher Termine, eAU-Fluss und Rückfragen bei der Kasse. Bei Reha-Ketten gilt: Zuständigkeit und Zahlweg vorab klären, damit Übergänge ohne Brüche laufen.
Ablauf & Rollen: So funktioniert die Wiedereingliederung sauber
Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt erstellt den Stufenplan mit Dauer, Stunden, Tätigkeiten und Belastungssteigerung; AU bleibt bestehen. Arbeitgeber und Krankenkasse (bzw. DRV) stimmen zu; bei DRV-Maßnahmen sind Formulare erforderlich. Ohne beitragspflichtiges Entgelt zahlt die Krankenkasse Krankengeld; bei DRV-Fortführung fließt Übergangsgeld. Einmalzahlungen und sauber vereinbarte Zuschüsse sind zu beachten.
Planungssicherheit: 78-Wochen-Deckel richtig einordnen
Die Höchstdauer von 78 Wochen pro Erkrankung läuft in einer Blockfrist von drei Jahren. Ruhenszeiten verkürzen die verbleibenden Wochen, auch wenn in dieser Phase tatsächlich keine Krankengeldzahlung fließt. Wer nah an der Aussteuerung ist, sollte Zeitpunkte (z. B. Zuschussbeginn, DRV-Start) und Zahlarten exakt dokumentieren.