Weisen behinderte Menschen dem Eingliederungshilfeträger nicht die Ausgaben für ihr gewährtes Persönliches Budget nach, darf die Behörde die finanzielle Teilhabeleistung deshalb nicht zurückfordern.
Denn der Eingliederungshilfeträger ist schließlich zur Deckung des behinderungsbedingten Teilhabebedarfs verantwortlich, urteilte am Donnerstag, 11. August 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 3/21 R).
Allerdings könne eine Verletzung der Nachweispflicht über die gemachten Ausgaben Folgen für die Zukunft haben, indem das Persönliche Budget versagt wird und stattdessen nur noch Sachleistungen gewährt werden.
Der konkrete Fall
Seit 2008 haben behinderte und psychisch kranke Menschen einen Rechtsanspruch auf diese Eingliederungsleistung. Sie sollen mit der Geldzahlung notwendige regelmäßige Hilfen selbst „einkaufen“ können, etwa, indem sie erforderliche Assistenzkräfte selbst auswählen und beschäftigten. Ein selbstbestimmteres Leben soll so ermöglicht werden.
Im aktuell vom BSG entschiedenen Fall hatte der Landrat des Landkreises Neuwied als Eingliederungshilfeträger dem heute 18-jährigen, schwerst geistig behinderten Kläger ein Persönliches Budget als Teilhabeleistung bewilligt.
Nachweise wurden nicht eingereicht
Seit September 2012 erhielt er hierfür monatlich 7.750 Euro. Der Vater des im elterlichen Haushalt lebenden Klägers war mit der Verwaltung der Teilhabeleistung jedoch überfordert. Notwendige Nachweise über die korrekte Verwendung des Geldes reichte er nicht ein.
Daraufhin forderte der Eingliederungshilfeträger im Juni 2015 die in der Vergangenheit geleisteten Zahlungen wieder zurück, insgesamt 250.800 Euro. Die Behörde berief sich auf eine gesetzliche Bestimmung, nach der eine per Verwaltungsakt zweckgebundene Geld- oder Sachleistung auch rückwirkend zurückgefordert werden kann.
Persönliches Budget darf nicht rückwirkend zurückgefordert werden
Doch das geht so nicht, urteilte das BSG. Die Behörde sei zur Deckung des behinderungsbedingten Teilhabebedarfs ja gesetzlich verpflichtet und könne daher nicht in der Vergangenheit geleistete Zahlungen zurückfordern.
Zwar sei nach dem Gesetz die Rückforderung einer Geld- oder Sachleistung möglich, wenn diese einen bestimmten Zweck erfüllt. Dies gelte aber nicht für Leistungen, für die – wie hier – ein gesetzlicher Anspruch besteht.
Komme ein behinderter Mensch seiner Nachweispflicht über die Verwendung des Persönlichen Budgets nicht nach, könne ihm dieses aber für die Zukunft verwehrt werden. In diesem Fall müsse der Eingliederungshilfeträger nur Sach- und keine Geldleistungen gewähren. fle
Dr. Utz Anhalt ist Buchautor, Publizist und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht, Sozialpolitik und Naturwissenschaften. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.