Bei Schwerbehinderung: Eilverfahren für Hilfsmittel

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Einen Rollstuhl mit Zusatzantrieb auszustatten, lässt sich im Eilverfahren durchsetzen, auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Denn das Sozialgericht kann diese Entscheidung treffen, um eine Notlage abzuwenden, und dies sei in diesem Fall gegeben, entschied das Sozialgericht Berlin (S 28 KR 1078/23 ER)

Gericht führt summarische Prüfung durch

Ein Eilverfahren geht dem eigentlichen Verfahren voraus. Dabei führt das Gericht eine summarische Prüfung durch. Es werden also nicht sämtliche Details untersucht, sondern der grundsätzliche Sachverhalt mit einem begrenzten Aufwand ermittelt.

Wie lässt sich ein Eilverfahren begründen?

Um ein Eilverfahren zu begründen, brauchen Sie einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund. Dazu müssen Sie erstens glaubhaft zeigen, dass Ihnen ein Anspruch auf die entsprechende Leistung zu steht, das ist der Anordnungsanspruch.

Zweitens muss das Warten auf die Gerichtsentscheidung im Hauptverfahren für Sie einen wesentlichen Nachteil bedeuten, das nennt sich Anordnungsgrund.

Anspruch und Grund gehören zusammen

Anspruch und Grund beziehen sich aufeinander. Je schwerer der Nachteil wiegt, desto geringer sind die Anforderung an den Anspruch, und je geringer der Nachteil ist, umso besser muss der Anspruch begründet sein.

Allerdings: Wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich entweder unzulässig ist oder unbegründet, dann wird ein Antrag auf einstweilige Anordnung grundsätzlich abgelehnt, und der Anordnungsgrund spielt keine Rolle. In diesem Fall gibt es kein Recht, das zu schützen wäre.

Ist die Klage aber in der Hauptsache begründet, dann müssen Sie den Anordnungsgrund weniger stark begründen.

Sieht es so aus, als sei der Ausgang der Hauptsache offen, dann muss das Gericht die Folgen abwägen, die entstehen, wenn es einem Eilverfahren nicht zustimmt.

Antrag auf Zusatzantrieb für Rollstuhl

Die Betroffene beantragte einen Zusatzantrieb für ihren Rollstuhl. Die Krankenkasse hielt jedoch einen Elektrorollstuhl für gerechtfertigt. Das sah die Betroffene anders und argumentierte, ein Elektrorollstuhl sei für sie nur passiv nutzbar, doch sie benötige einen Rollstuhl, den sie aktiv selbst fahren könnte.

Gericht versichert Anspruch auf Versorgung

Das Gericht klärte, dass nach dem Paragrafen 33, Absatz 1 im Sozialgesetzbuch V Versicherte einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln haben, die den Erfolg der Krankenbehandlung sichern, einer drohenden Behinderung vorbeugen oder eine Behinderung ausgleichen. Das umfasst Hilfsmittel, die keine allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens darstellen oder gesetzlich ausgeschlossen sind.

Laut Gericht gelte beides für den Zusatzantrieb, den die Betroffene begehrte. Denn es sei ein Hilfsmittel, um die Behinderung auszugleichen.

Krankenversicherung ist verpflichtet zu versorgen

Die gesetzliche Krankenversicherung sei verpflichtet, Betroffene mit Hilfsmitteln zu versorgen, die die Auswirkungen einer Behinderung mindern sowie einem möglichst selbstbestimmten und selbstständigem Leben dienten.

Das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass die Versorgung mit Hilfsmitteln nicht von vorneherein eine Minimalversorgung bedeute.

Der Nahbereich muss sich erschließen lassen

Grundsätzlich müsse das Hilfsmittel den Bewegungsradius zu erschließen, den ein Mensch ohne Behinderungen üblicherweise zu Fuß erreiche. Dazu gehörten zumindest die Bereiche, in denen die nötigen Alltagsgeschäfte erledigt würden, darunter Einkauf, Post, Bank, Termine bei Ärzten wie Therapeuten sowie das Aufsuchen von Apotheken und elementare Wege der Freizeit. Dies sei laut dem Bundessozialgericht Rechtsfest. Dieser Nahbereich dürfe nicht eng gefasst werden.

Welches Hilfsmittel eignet sich?

Es gilt zu entscheiden, welches der verfügbaren Hilfsmittel den Nahbereich besser, einfacher und unkomplizierter zugänglich macht, und dasjenige auszuwählen, das dafür am besten geeignet ist.

Zusatzbetrieb ist nötig

Da die Betroffene an einem chronischen Fatigue-Syndrom leide, müsse sie Überanstrengung vermeiden, und dafür sei ein Zusatzbetrieb am Rollstuhl notwendig. Zudem sei sie auf einen Aktivrollstuhl angewiesen. Ihr Anspruch auf die Versorgung sei also glaubhaft. Der vom Arzt verordnete Restkraftverstärker sei zweckmäßig und wirtschaftlich.

Kein Vorrang für einen Elektrorollstuhl

Der Verweis der Krankenkasse auf einen Elektrorollstuhl überzeugte das Gericht nicht. Denn dieser missachte das Wunsch- und Wahlrecht der Versicherten. Diese betonte, die Bewegung im Elektrorollstuhl erfolge passiv. Ein Aktivrollstuhl mit Antriebssystem ermögliche ihr jedoch, sich durch eigene Kraft fortzubewegen und den Antrieb nur bei Überforderung zuzuschalten.

Abwarten ist nicht zuzumuten

Die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, sei ihr nicht zuzumuten. Denn dies führe zu irreparablen Nachteilen. Sie dürfe sich nicht überlasten und benötige darum den Zusatzantrieb.