Das Bafög für Studierende ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin in verfassungswidriger Weise zu niedrig und darf nicht niedriger sein als das Bürgergeld. Mit einem am Dienstag, 8. Juli 2024, bekanntgegebenen Beschluss haben die Berliner Richter den anhängigen Rechtsstreit um die Höhe des Bafögs für das Studienjahr 2021/2022 ausgesetzt und das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt (VG 18K 342/22).
Dort ist bereits ein weiteres Verfahren der Klägerin auch für das Jahr 2014 anhängig, das das Bundesverwaltungsgericht den Verfassungsrichtern vorgelegt hat.
Studentin klagt gegen zu niedrige Bafög-Sätze und Förderung
Die heute 29-jährige Beschwerdeführerin studierte ab 2016 an der Berliner Charité Medizin. Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts erhielt sie Bafög.
Im Streitjahr 2021 hielt sie die Höhe der Ausbildungsförderung für völlig unzureichend. Studierende, die auf Bafög angewiesen seien, müssten zur Sicherung ihres menschenwürdigen Existenzminimums so viel erhalten wie Hartz-IV-Empfänger, die heute Bürgergeld beziehen.
Die junge Frau hatte bereits vor Beginn ihres Medizinstudiums im Oktober 2014 ein Masterstudium in Psychologie aufgenommen und Bafög erhalten.
Auch gegen die Höhe der Förderung hatte sie geklagt. Mit Beschluss vom 20. Mai 2021 hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (Az.: 5 C 11.18 vom Tag der Entscheidung). Eine Entscheidung über die Vorlage steht noch aus.
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Bafög verstößt gegen das Grundgesetz
Die Leipziger Richter betonten, aus dem Grundgesetz ergebe sich die Pflicht des Staates, Kindern einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Bildungsangeboten zu ermöglichen. Kinder einkommensschwacher Eltern hätten Anspruch auf eine Förderung, die soziale Unterschiede ausgleiche.
Ob die Bafög-Sätze im Jahr 2014 dafür hoch genug sind, ließen die Leipziger Richter offen. Denn die Berechnung der Bafög-Sätze sei intransparent. Die Berechnungsmethode lasse nicht einmal erkennen, welcher Anteil des Grundbedarfssatzes auf die Ausbildungskosten und welcher auf den Lebensunterhalt entfalle.
Im aktuellen Verfahren ist das Verwaltungsgericht Berlin nun einen Schritt weiter gegangen. Nach Auffassung der Verwaltungsrichter verstößt die Höhe des Bafög für Studierende im Jahr 2021 gegen das Grundgesetz.
Das Bafög für Studenten dürfe nicht niedriger sein als das Bürgergeld. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, „für die Wahrung gleicher Bildungschancen“ zu sorgen – und damit auch für Kinder aus ärmeren Familien.
Dem sich daraus ergebenden Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung habe der Gesetzgeber mit den Bafög-Regelungen grundsätzlich Rechnung getragen.
VG Berlin legt Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor
Die für das Jahr 2021 geltenden Bedarfssätze, die sich aus dem Grundbedarf und dem Bedarf für die Unterkunft zusammensetzen, seien jedoch viel zu niedrig. So liege der Grundbedarf für Studierende bei 427 Euro monatlich, für alleinstehende Hartz-IV-Bezieher bei 446 Euro monatlich. Auch der Bedarf für die Unterkunft sei mit 325 Euro „eindeutig zu niedrig“.
Denn im Sommersemester 2021 hätten bereits 53 Prozent der Studierenden monatliche Mietausgaben von mehr als 351 Euro. Knapp 20 Prozent zahlten zwischen 400 und 500 Euro und weitere 20 Prozent mehr als 500 Euro.
Zudem könne bei der Ermittlung des Wohnbedarfs nicht auf den Gesamtdurchschnitt der Wohnkosten im Bundesgebiet, sondern nur auf einen Durchschnittswert der Wohnkosten am jeweiligen Studienort abgestellt werden. Auch bei der Ermittlung der Bedarfssätze seien dem Gesetzgeber mehrere gravierende methodische Fehler unterlaufen.
So müsse zwischen den Kosten des Lebensunterhalts, der Ausbildung und der Unterkunft differenziert werden. Außerdem müssten die Bedarfssätze zeitnah an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse angepasst werden.
Anmerkung der Redaktion 12.07.2024: Unsere Meldung ist leider fehlerhaft. Das Verwaltungsgericht hatte mitgeteilt, dass es sich im Streitfall bei der Klägerin um dieselbe Person handelt, die zur Frage der Bafög-Höhe ein weiteres Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht betreibt. Diese Information vom Verwaltungsgericht ist falsch. Das Gericht hat diese nun berichtigt. Vielmehr vertritt in beiden Verfahren derselbe Rechtsanwalt zwei unterschiedliche Klägerinnen.
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