Wer im Glashaus sitzt…
Bei Hartz IV misst das Rechtssystem mit zweierlei Maß
18.01.2013
Wer im Glashaus sitzt darf doch mit Steinen werfen, zumindest dann, wenn das Glashaus eine Behörde ist. Wir hatten hier bereits darüber berichtet, dass ein Mitarbeiter des Sozialamtes Wiesbaden unter Verdacht steht mittels einer Urkundenfälschung eine Sanktion gegen einen 18 jährigen Leistungsempfänger durchsetzen zu wollen. Zunächst wurde dem jungen Mann von der Behörde ein Bescheid zugesandt, mit dem die komplette Einstellung der Leistungen nach dem SGB II mitgeteilt wurde.
Nachdem der junge Mann mit Unterstützung eines Frankfurter Anwalts in einem Eilverfahren gegen diesen Bescheid vorging, entschied das Wiesbadener Sozialgericht, dass die Sozialleistungen in voller Höhe auszuzahlen seien, da die Leistungseinstellung ohne jede Begründung erfolgte. Mit einiger Verspätung kam die Sozialbehörde Wiesbaden der Aufforderung des Gerichtes nach, kürzte allerdings die Leistung jetzt plötzlich um 30%. Auf Nachfrage behauptete sie, an den Jugendlichen seien drei Sanktionsbescheide wegen Meldeversäumnisse ergangen. Da diese dem Jugendlichen nicht vorlagen, forderte er hier um Aufklärung. Nun wurden ihm drei angebliche Kopien von Sanktionsbescheiden wegen Meldeversäumnissen übersandt. Interessanterweise waren alle drei Bescheide mit dem gleichen Datum versehen, an dem der vom Gericht aufgehobene Bescheid über die komplette Leistungseinstellung erfolgte.
Nun ergibt es wenig Sinn, eine Leistung zu kürzen die man am gleichen Tag komplett eingestellt hat. Zudem befand sich in der Leistungsakte bei der gerichtlichen Überprüfung zwar der Einstellungsbescheid, von den drei angeblich am gleichen Tag erlassenen Sanktionsbescheiden jedoch kein einziger. Der Rechtsbeistand des Klägers bat daraufhin den Sachbearbeiter eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, in der er die Aussage, die Bescheide am gleichen Tag wie den Einstellungsbescheid erstellt zu haben, bestätigen sollte. Hierzu war der Sachbearbeiter jedoch nicht bereit. Daraufhin wurde am 05. Dezember 2012 nachweislich per Fax sowohl von dem Leistungsempfänger, wie auch von dessen Rechtsbeistand Strafanzeige wegen offensichtlicher Urkundenfälschung bei der Staatsanwaltschaft Wiesbaden gestellt. Der Rechtsbeistand bat bereits bei Stellung des Antrags um das Aktenzeichen unter dem die Ermittlungen geführt werden. Da auch nach 4 Wochen kein Aktenzeichen und auch sonst keine Information über eine Verfahrenseröffnung an die Beteiligten erging, wurde seitens des Rechtsbeistands am 02. Januar erneut um die Überlassung des Aktenzeichens gebeten. Auch auf diese Erinnerung erfolgte seitens der Staatsanwaltschaft Wiesbaden keinerlei Reaktion. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung oder ein Hinweis auf den möglichen Zeitpunkt einer Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wurde den Antragstellern seitens der Staatsanwaltschaft Wiesbaden mitgeteilt.
Die Leitung der Sozialbehörde sieht offensichtlich keinen Anlass die Vorwürfe gegen den Mitarbeiter einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Zumindest erfolgte auch von dort keine Stellungnahme. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass die Sozialbehörde nachdem die Strafanzeige gestellt wurde plötzlich doch die gekürzte Leistung auszahlte, um dann die drei Sanktionsbescheide mit neuem Datum erneut zu erlassen. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass die ursprünglichen Bescheide zu einem späteren Zeitpunkt mit rückdatiertem Datum erstellt wurden.
Es kann aber nicht hingenommen werden, dass eine Behörde gegen Leistungsempfänger bei kleinsten Verstößen wie Terminversäumnisse harte Sanktionen verhängt, aber einen offensichtlichen Verdacht einer Urkundenfälschung im eigenen Haus einfach ignoriert. Nicht nur der Betroffene hat einen Anspruch darauf, dass hier offengelegt wird wieso am gleichen Tag zwei sich inhaltlich völlig widersprechende Bescheide ergehen, wieso gerade die drei Bescheide, die bei dem Betroffenen nicht angekommen sind, auch bei der Überprüfung des vierten, am gleichen Tag erstellten Bescheides, sich alle drei nicht in der Leistungsakte befanden Hätte die Behörde umgekehrt einen Strafantrag wegen Urkundenfälschung gegen einen Betroffenen gestellt, bei der die Indizien so offensichtlich gegen den Beschuldigten sprechen, wäre dieser sicher längst von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Wir werden die Staatsanwaltschaft erneut zur Stellungnahme auffordern. Sollte man bei der vorgetragenen Sachlage kein Verfahren eröffnen, wäre dies zu begründen um hier gegebenenfalls auch diese Entscheidung rechtlich überprüfen zu lassen. (Dietmar Brach, Arbeitslosenhilfe Rheinland-Pfalz)
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