Rente: 62 Jahre alt, 45 Jahre gearbeitet und jetzt doch keine Rente

Vier Jahrzehnte und mehr im Berufsleben zu stehen, erscheint vielen gesetzlich Rentenversicherte als hinreichende Bedingung für einen wohlverdienten Ruhestand.

Doch wer 45 Versicherungsjahre angesammelt hat, muss – je nach Geburtsjahr – bis zu seinem 65. Geburtstag warten, um ohne Abschläge die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ zu beziehen.

Die Altersgrenze ist Teil einer im Jahr 2014 begonnenen Übergangsregel, die pro Jahrgang um zwei Monate ansteigt und 2025 mit dem Jahrgang 1964 bei einheitlich 65 Jahren ankommt.

Die unterschiedlichen Rententypen und ihre Voraussetzungen

Hinter der nüchternen Zahl von 45 Jahren verbergen sich mehrere Rentenarten mit eigenen Regeln. Entscheidend sind die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ (mindestens 45 Versicherungsjahre) und die „Altersrente für langjährig Versicherte“ (mindestens 35 Versicherungsjahre).

Während erstere ab 2025 nur noch abschlagsfrei ab 65 Jahren startet, erlaubt letztere weiterhin einen früheren Ausstieg, allerdings nur mit dauerhaften Abschlägen. Für Versicherte der Jahrgänge ab 1964, die „nur“ 35 Versicherungsjahre vorweisen, bleibt das reguläre Rentenalter unverändert bei 67 Jahren.

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Was früher Aussteigen kostet

Wer keine Schwerbehinderung nachweist und dennoch vor 65 in Rente gehen möchte, greift zwangsläufig zur Altersrente für langjährig Versicherte. Jeder vorgezogene Monat schlägt mit einem lebenslangen Abschlag von 0,3 Prozent zu Buche.

Maximal möglich sind vier Jahre vor dem jeweiligen Regelalter – das entspricht 48 Monaten und damit 14,4 Prozent weniger Rente. Diese Kürzung bleibt auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze dauerhaft bestehen.

Jahrgang 1964: Ein Rechenbeispiel ohne Schwerbehinderung

Ein Versicherter, der 1964 geboren wurde, erfüllt seine 45 Beitragsjahre bereits mit 62. Dennoch kann er die abschlagsfreie Rente erst ab 65 beanspruchen.

Möchte er bereits mit 63 in Ruhestand gehen, bleibt nur die Altersrente für langjährig Versicherte – in seinem Fall wären das 48 Monate vor der Regelaltersgrenze, also 14,4 Prozent weniger Monatsrente. Eine Entscheidung, die gut bedacht sein will, denn der Abzug wirkt sich auch auf Hinterbliebenenrenten aus.

Schwerbehinderung: Türöffner mit milderen Konsequenzen

Für Versicherte mit einem anerkannten Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent gelten bessere Bedingungen. Sie dürfen die „Altersrente für schwerbehinderte Menschen“ grundsätzlich zwei Jahre vor der abschlagsfreien Altersgrenze in Anspruch nehmen und damit 35 Versicherungsjahre genügen.

Bei Jahrgang 1964 liegt die abschlagsfreie Grenze bei 65 Jahren; ein Rentenbeginn mit 63 bringt deshalb nur 24 vorgezogene Monate mit sich, was 7,2 Prozent Abschlag entspricht. Frühestmöglich, das heißt ab 62, wären es 10,8 Prozent.

Zwischen Frühverrentung und Nachhaltigkeit

Obwohl die Abschläge empfindlich sind, entscheiden sich immer mehr Versicherte für einen vorzeitigen Ausstieg. 2024 nutzten laut jüngsten Zahlen fast 270 000 Menschen die Möglichkeit, ohne Abschläge früher in Rente zu gehen – ein neuer Rekord.

Insgesamt traten rund 937 000 Versicherte neu in den Ruhestand ein; gut 28 Prozent nahmen Abschläge in Kauf. Fachleute sehen darin ein wachsendes Risiko für die Finanzierbarkeit der Rentenkasse, deren Beitragssatz bis 2038 auf mehr als 21 Prozent steigen könnte.

Strategien zur Schadensbegrenzung

Angesichts dieser Fakten bleibt eine sorgfältige Planung unverzichtbar. Wer den Rentenbeginn vorziehen möchte, sollte prüfen, ob Teilzeitmodelle oder die Flexirente die finanziellen Einbußen abfedern können.

Zusätzliche private oder betriebliche Vorsorge gewinnt an Gewicht, ebenso eine genaue Analyse der persönlichen Renteninformation, um Überraschungen bei der Höhe möglicher Abschläge zu vermeiden.

Fazit

45 Versicherungsjahre sind in Deutschland nach wie vor eine beeindruckende Lebensleistung – sie garantieren aber nicht automatisch den sofortigen Ruhestand.

Ob man mit oder ohne Schwerbehinderung früher aussteigen will, entscheidet sich letztlich an Altersgrenzen, Abschlagsregeln und der eigenen finanziellen Belastbarkeit.

Ein genauer Blick auf die individuelle Renteninformation, auf Beratungsangebote etwa von Sozialverbänden wie dem SoVD sowie auf politische Reformen ist daher unverzichtbar, um den Weg in den Ruhestand möglichst planvoll und abgesichert zu gestalten.