Schwangere und Mütter von Kindern unter 3 Jahren unterliegen einem besonderen Schutz. Für die Anschaffung von Möbeln und Kleidung können Mütter einen Mehrbedarf sowie eine Erstausstattung beanspruchen. Das war bei Hartz IV so und ist nun auch im Bürgergeld nicht anders.
Wie sind die Regelungen bei einer Schwangerschaft? Was ist zu beachten, wenn das Kind im eigenen Haushalt lebt? Welcher Mehrbedarf besteht und gibt es eine Erstausstattung? Was passiert mit dem Unterhalt? Wird das Elterngeld angerechnet?
Inhaltsverzeichnis
Schwangere Tochter im Haushalt der Eltern
Lebt die schwangere Tochter im Haushalt der Eltern und ist sie noch keine 25 Jahre alt, darf lt. § 9 Abs. 3 SGB II für die Dauer der Schwangerschaft und solange die Tochter danach ihr eigenes Kind betreut – längstens bis das Kind 6 Jahre alt ist – Einkommen der Eltern nicht mehr auf den Bedarf der Tochter angerechnet werden. D.h. der ALG II Anspruch der Tochter ist unabhängig vom Einkommen der Eltern zu berechnen.
Bürgergeld-Mehrbedarfe und Erstausstattung für die Schwangere und das erwartete Kind
- Ab der 13. Schwangerschaftswoche hat die Schwangere Anspruch auf 17% mehr (§ 21 Abs. 2 SGB II), berechnet von ihrer maßgeblichen Regelleistung (§ 20 SGB II).
- Während der Schwangerschaft hat die Schwangere Anspruch auf Erstausstattungen für Schwangerschaftsbekleidung (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II).
- Unmittelbar vor der Geburt hat die Schwangere Anspruch auf Erstausstattungen für das Baby (§ 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II).
Zu dieser Erstausstattung gehört das, was nicht vorhanden ist und benötigt wird. Zu beachten ist dabei, dass jedes Kind einen eigenen Anspruch auf Erstausstattung hat. Es ist also nicht zulässig, bei Mehrlingsgeburten den Anspruch zu kürzen. Einen Überblick über den Umfang der Erstausstattung bietet dieses Dokument ab Seite 43.
Sofern man Gelder zur Erstausstattung bei anderen Organisationen erhält, werden diese auf die Leistungen des § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II angerechnet und mindern diese entsprechend, stellen aber aufgrund ihrer Zweckbindung kein Einkommen dar. (Leistungen der Stiftung “Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens” hat die BA in ihrer Weisung GA 11.86 privilegiert, was aber keinen Rechtsanspruch begründet.)
Erforderlich für die Geltendmachung der Erstausstattung ist der Nachweis der Schwangerschaft und des voraussichtlichen Entbindungstermins, i.d.R. durch Vorlage und Kopie der 1. Seite des Mutterpasses.
Was passiert mit dem Unterhalt?
Aufgrund Schwangerschaft und Geburt entstehen nach BGB Ansprüche der Schwangeren/Mutter und des Kindes bzw. des Leistungsträgers gegenüber dem Kindsvater, wenn dieser nicht mit der Schwangeren/Mutter zusammen lebt. Dabei ist es egal, ob ob Kindsvater und Kindsmutter verheiratet sind und dauerhaft gtrennt leben, oder ob sie nicht verheiratet sind.
Wenn die Eltern nicht verheiratet sind
Sind Kindsvater und Kindsmutter nicht verheiratet, hat der Kindsvater der Kindsmutter für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt des Kindes Unterhalt zu gewähren (§ 1615l Abs. 1 S. 1 BGB) und ihr alle Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung außerhalb dieses Zeitraums entstehen, erstatten (§ 1615l Abs. 1 S. 2 BGB).
Der Unterhalt stellt anrechenbares Einkommen dar, hinsichtlich der Kosten der Erstausstattung der Schwangeren und des Kindes nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II entsteht ein Erstattungsanspruch des Jobcenters gegenüber dem Kindsvater (§ 34b SGB II i.V.m. § 1615l Abs. 1 S. 2 BGB).
Sind Kindsvater und Kindsmutter verheiratet und leben dauerhaft getrennt, richten sich Unterhalts- und Erstattungsanspruch nach § 1361 BGB.
Nach der Geburt hat das Kind Anspruch auf Unterhalt. Falls der Kindsvater nicht zahlt, zahlungsunfähig ist oder unbekannt, besteht Anspruch auf Unterhaltsvorschuß des Jugendamtes.
Alle diese Ansprüche muss die Schwangere/Mutter geltend machen, da diese den Leistungen des SGB II vorrangig sind. Tut sie das nicht, wird das Jobcenter tätig, da diese Ansprüche lt. § 33 SGB II auf dieses übergehen, wenn sie nicht gegenüber dem Anspruchsinhaber (Kind, Schwangere/Mutter) erfüllt werden.
Das heißt auch, dass hinsichtlich der Geltendmachung dieser Ansprüche Mitwirkungspflichten der Schwangeren/Mutter bezüglich Nennung des Namens und Aufenthaltes des Kindsvaters bestehen (§ 60 SGB I), ebenso entsteht gegenüber dem Kindsvater ein Auskunftsanspruch (§ 60 Abs. 2 SGB II sowie § 33 Abs. 1 S. 4 SGB II i.V.m. § 1605 BGB).
Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe des Unterhalts sollte man wissen, das diese nur durch ein Familiengericht rechtskräftig erfolgen kann, das Jobcenter hat diesbezüglich keine rechtliche Kompetenz.
Besteht ein Anspruch auf eine größere Wohnung?
Im SGB II hat jede Person einen individuellen, eigenen Anspruch. D.h., dass das Kind ab seiner Geburt einen eigenen Anspruch auf Wohnraum hat, dieser ist jedoch nicht losgelöst vom Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten.
Die Größe des angemessenen Wohnraumes richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften des sozialen Wohnungsbaues des jeweiligen Bundeslandes.
Ein Anspruch auf Umzug in eine größere Wohnung entsteht weder aufgrund der Schangerschaft noch der Geburt. Dieser kann sich hier jedoch infolge beengter Platzverhältnisse ergeben, wobei die meisten Gerichte einem Kind erst mit der Einschulung ein eigenes Zimmer zuerkennen.
Wird das Elterngeld angerechnet?
Elterngeld (einschl. des sog. Geschwisterbonus) wird als sonstiges Einkommen unter Abzug der dort nach § 11b SGB II zulässigen Absetzbeträge auf das ALG II (Hartz IV) angerechnet.
Nur wenn man vor der Geburt des Kindes gearbeitet hat und die Höhe des Elterngeldes nach dem Einkommen berechnet wird, gibt es einen Freibetrag in Höhe des vor der Geburt erzielten Einkommens, max. 300€ (§ 10 Abs. 5 S. 2 BEEG).
Achtung: Bezieht man bereits für ein Kind Elterngeld, wird von der Familienkasse oft geraten, sich das Elterngeld für ein Kind voll auszahlen zu lassen, weil sonst das Eltergeld des 1. Kindes auf das des 2. Kindes angerechnet wird. Als ALG II-Empfänger sollte man dies auf keinen Fall tun, da einem damit die monatlichen Absetz- und Freibeträge verloren gehen.
Gibt es eine Elternzeit?
Wer in einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis steht, hat Anspruch auf Elternzeit. Arbeitslose haben keinen Anspruch auf Elternzeit (§ 15 Abs. 1 BEEG). Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs. 2 BEEG). Sollte man also zwischenzeitlich wieder Arbeit finden, könnte man diesen Anspruch innerhalb dieser Frist noch geltend machen.
Achtung: Wer bereits mit einem Kind in der Elternzeit ist und für das zweite auch Elternzeit nehmen will, muss zuerst die Elternzeit für das erste Kind vorzeitig beenden und die des zweiten Kindes anschließen (Antrag bei Arbeitgeber, § 16 Abs. 3 BEEG). Der Rest der Elternzeit des ersten Kindes kann dann an die Elternzeit des zweiten Kindes angehangen werden (Antrag bei Arbeitgeber).
Die Elternzeit muss spätestens 7 Wochen vorher beim Arbeitgeber verlangt werden, dieser kann sie nicht ablehnen.
Dem Antrag auf vorzeitiges Ende der Elternzeit muss der AG innerhalb von 4 Wochen schr. widersprechen, ansonsten gilt er als genehmigt.
Wird das Mutterschaftsgeld bei Hartz IV angerechnet?
Mutterschaftsgeld wird von den gesetzlichen Krankenkassen während der Schutzfristen 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung sowie für den Entbindungstag gezahlt.
Mutterschaftsgeld wird voll auf das Elterngeld angerechnet. Vor der Geburt wird es als sonstiges Einkommen auf ALG II angerechnet. Sofern die Schwangere daneben kein anderes Einkommen hat, müssen davon noch Absetzbeträge abgezogen werden.
Kinderbetreuung – Kind unter 3 Jahre bei Hartz IV
Solange sich ein Kind unter 3 Jahren im Haushalt befindet, kann sich ein arbeitsloses Elternteil auf die Betreuung dieses Kindes berufen und jeden Job sowie jede Maßnahme zur Eingliederung folgenlos verweigern (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II, Weisung der BA ab Rz 10.10).
Welcher Elternteil sich darauf beruft, ist – wenn beide Eltern arbeitslos sind – alleinige Entscheidung der Eltern. Ist ein Elternteil in Elternzeit, obliegt diesem die Kinderbetreuung, der andere Elternteil kann sich dann nicht auf die Kinderbetreuung berufen.
Die Betreuung durch Dritte ist hierbei nicht vorrangig. Wird trotzdem eine Betreuung durch Dritte in Anspruch genommen, entfällt der Verweigerungsanspruch dadurch nicht.
Eltern von Kindern ab 3 Jahren
Kinderbetreuung – Kind 3 Jahre und älter: Sobald ein Kind 3 Jahre ist, muss man nachweisbar alle Möglichkeiten der Betreuung durch Dritte nutzen. Eine Kostenübernahme/-erstattung der Betreuungskosten ist dabei über das Jugendamt möglich (§§ 22 ff SGB VIII).
Nur wenn eine Betreuung durch Dritte nicht möglich ist, kann man der Vermittlung weiterhin nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung stehen.
Das Jobcenter ist dabei in der Pflicht, eine geeignete Betreuungsmöglichkeit zu finden (§ 16a Nr. 1 SGB II). Wenn während der job- oder maßnahmebedingten Abwesenheit des Elternteiles die Betreuung des Kindes durch Dritte oder den anderen Elternteil nicht oder nicht vollständig gewährleistet ist (Umfang und Lage der Arbeitzeit) oder aufgrund von besonderen Betreuungsanforderungen des Kindes (ärztlich bescheinigt) nicht möglich ist, besteht auch bei Kindern ab 3 Jahren ein Grund, einen Job oder eine Maßnahme zur Eingliederung folgenlos zu verweigern oder einen bestehenden zu kündigen, wenn eine Veränderung der Arbeitszeit keine Abhilfe schafft oder vom AG abgelehnt wird.
Ist das Kind krank – Kind unter 12 Jahren
Wenn das Kind krank ist, besteht für ein Mitglied einer GKV das Recht, sich unbezahlt vom Arbeitgeber freistellen zu lassen (§ 45 SGB V). Die Krankenkasse zahlt in dieser Zeit Krankengeld. Voraussetzung ist, dass das Kind:
- noch keine 12 Jahre alt ist,
- aus ärztlicher Sicht betreut werden muss,
- über die Krankheit ein ärztliches Zeugnis vorgelegt wird und
- im Haushalt keine andere Person lebt, die das Kind betreuen kann.
Liegen diese Voraussetzungen vor, hat man gegenüber seinem Arbeitgeber das Recht auf 10 Arbeitstage unbezahlte Freistellung im Jahr und Kind, als Alleinerziehende(r) 20 Arbeitstage. Bei mehr als 2 Kindern ist der Anspruch auf 25 Arbeitstage, bei Alleinerziehenden auf 50 Arbeitstage im Jahr begrenzt.
Außerdem hat man das Recht auf bezahlte Freistellung, wenn man mit seinem Kind zum Arzt muss (§ 616 BGB).Hat man die zulässige unbezahlte Freistellung ausgeschöpft, muss man sich um eine Fremdbetreuung für sein krankes Kind kümmern.
Bei einer unvorhersehbaren kurzzeitigen Erkrankung bis 5 Werktage greift ebenfalls das Recht auf bezahlte Freistellung (§ 616 BGB; vgl. BAG, 2 AZR 10/92 vom 21.05.1992 und 5 AZR 834/76 vom 19.04.1978).
Für Privatversicherte gilt nur die Regelung des § 616 BGB auf kurzzeitige bezahlte Freistellung.
Kind krank – Kind 12 Jahre und älter
Eltern haben in unserem “familienfreundlichen” Land keinen Anspruch mehr auf unbezahlte Freistellung, wenn das kranke Kind 12 Jahre oder älter ist.
Trotzdem benötigt ein krankes Kind natürlich auch in diesem Alter eine Betreuung, hier greift wieder das Recht auf kurzzeitige bezahlte Freistellung (§ 616 BGB).
Besonderheiten für Kinder, die mit Kindergeld, Unterhalt und Wohngeld ihren Bedarf decken können
Kinder, die ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken können, gehören gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft. Eine Unterhaltspflicht gegenüber Geschwistern oder Eltern kennt das SGB II nicht. (Ottokar, hartz.info)
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