Rente und Scheidung: So werden die Rentenpunkte jetzt aufgeteilt

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Eine Scheidung berรผhrt nicht nur Gefรผhle, sondern auch finanzielle Ansprรผche. Besonders wichtig ist der Versorgungsausgleich. Dabei werden die wรคhrend der Ehezeit erworbenen Rentenansprรผche beider Partner gegenรผbergestellt und gerecht geteilt. Das gilt fรผr Mรคnner und Frauen gleichermaรŸen.

Ehezeit: Welche Zeiten zรคhlen fรผr den Ausgleich

Fรผr den Versorgungsausgleich zรคhlt die sogenannte Ehezeit. Sie beginnt am ersten Tag des Monats der Heirat und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. Nur Ansprรผche aus diesem Zeitraum flieรŸen in die Berechnung ein.

Alles, was Sie vor der Ehe erworben haben, bleibt auรŸen vor. Das Familiengericht ermittelt die Werte beider Seiten und teilt sie nach den gesetzlichen Vorgaben.

Welche Rentenansprรผche werden berรผcksichtigt

Der Ausgleich erfasst nicht nur die gesetzliche Rente. Eingeschlossen sind betriebliche Altersversorgungen und private Anrechte โ€“ etwa Direktzusagen, Pensionskassen, Riester- oder Rรผrup-Vertrรคge. Auch Beamtenversorgung und berufsstรคndische Versorgungswerke fallen darunter. Jedes Anrecht wird getrennt bewertet.

Das Gericht ordnet fรผr jedes Anrecht die interne Teilung beim jeweiligen Versorgungstrรคger an. Wo das nicht mรถglich oder nicht vorgesehen ist, erfolgt eine externe Teilung in ein anderes geeignetes Anrecht.

Kleinstanrechte und externe Teilung: Bei sehr kleinen Ausgleichswerten kann die externe Teilung verlangt werden. Das Zielanrecht kann bei der gesetzlichen Rentenversicherung, einer Versorgungsausgleichskasse oder einem anderen geeigneten Trรคger begrรผndet werden. Das reduziert Verwaltungsaufwand und Kosten.

Ausgleich auch bei bereits laufender Rente

Beziehen Sie bereits eine Altersrente, รคndert das am Grundsatz nichts. Entscheidend ist nicht, ob eine Rente schon lรคuft, sondern welche Anrechte in der Ehezeit entstanden sind. Hat ein Partner in dieser Zeit deutlich mehr Anwartschaften aufgebaut, gibt er einen Teil ab. Die eigene laufende Rente wird in Zukunft entsprechend geringer.

Der andere Partner erhรคlt eine eigene Anwartschaft und profitiert spรคter bei seinem Rentenbeginn. Wichtig: In bestimmten Konstellationen lรคsst sich eine laufende Kรผrzung zeitweise aussetzen (siehe โ€žAnpassungen nach der Scheidungโ€œ).

Ab wann die Kรผrzung oder Erhรถhung wirkt

Die Anpassung greift erst, wenn der Versorgungsausgleich rechtskrรคftig ist. Vorher bleibt eine laufende Rente unverรคndert. Nach Rechtskraft setzt der Versorgungstrรคger die Entscheidung um. Die zahlende Rente sinkt, und der andere Partner erhรคlt das neu begrรผndete Anrecht.

Eine Auszahlung beim Empfรคnger beginnt erst, wenn auch dort die jeweiligen Voraussetzungen erfรผllt sind, etwa der Beginn der Altersrente.

Anpassungen nach der Scheidung: Kรผrzung aussetzen lassen

Die Kรผrzung aus dem Versorgungsausgleich ist nicht in Stein gemeiรŸelt. In drei Situationen kann sie auf Antrag ruhen oder zurรผckgenommen werden:

Anpassung wegen Unterhalt: Solange die ausgleichsberechtigte Person aus dem รผbertragenen Anrecht noch keine Leistungen beziehen kann und Unterhalt beansprucht, kann die Kรผrzung bei der ausgleichspflichtigen Person ganz oder teilweise ruhen. Zustรคndig ist das Familiengericht; die Wirkung beginnt ab dem Monat nach Antragseingang.

Anpassung wegen Invaliditรคt oder besonderer Altersgrenzen: Bezieht die ausgleichspflichtige Person eine Rente wegen Erwerbsminderung oder aufgrund einer besonderen Altersgrenze, die berechtigte Person aber noch nichts aus dem รผbertragenen Anrecht, kann die Kรผrzung beim Versorgungstrรคger auf Antrag ruhen.

Anpassung wegen Tod der berechtigten Person: Verstirbt die ausgleichsberechtigte Person und hat aus dem รผbertragenen Anrecht hรถchstens 36 Monate Leistungen erhalten, kann die gekรผrzte Rente der ausgleichspflichtigen Person wieder angehoben werden (Rรผckausgleich). Den Antrag kann nur die ausgleichspflichtige Person selbst stellen.

Kurz-Ehe, Bagatellgrenzen und grobe Unbilligkeit

Der Versorgungsausgleich ist nicht in jedem Fall zwingend.

  • Kurz-Ehe: Betrug die Ehezeit nicht mehr als drei Jahre, findet der Versorgungsausgleich nur auf Antrag statt.
  • Bagatellgrenzen: Geringfรผgige Anrechte kรถnnen unberรผcksichtigt bleiben, wenn der Ausgleichswert gesetzliche Schwellen nicht erreicht. Das Gericht soll solche Mini-Anrechte nicht teilen. Bei sehr kleinen Werten kommt zudem hรคufig die externe Teilung in Betracht.
  • Grobe Unbilligkeit: Das Gericht kann den Ausgleich teilweise oder vollstรคndig ausschlieรŸen, wenn das Ergebnis im Einzelfall grob unbillig wรคre. Das betrifft eng begrenzte Hรคrtefรคlle, die das Gericht sorgfรคltig prรผft.

Abรคnderung veralteter Entscheidungen

Haben sich nach der Scheidung Werte einzelner Anrechte wesentlich verรคndert, kann die damalige Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeรคndert werden. Das Gericht setzt die Werte neu fest; maรŸgeblich ist der Antrag der betroffenen Person.

Die neue Festsetzung wirkt ab dem Monat nach Antragstellung. Relevant ist dies z. B. bei stark verรคnderten Betriebsrenten oder geschlossenen Alt-Versorgungen.

Teilungskosten: Was real abgezogen wird

Versorgungstrรคger dรผrfen angemessene Teilungskosten erheben und hรคlftig auf beide Ex-Partner verteilen. In der Praxis arbeiten viele Trรคger mit pauschalen Betrรคgen oder prozentualen Obergrenzen, die in der Versorgungsordnung festgelegt sind. Fordern Sie die Teilungskosten frรผhzeitig an und berรผcksichtigen Sie sie bei Verhandlungen.

Steuer: รœbertragung neutral, Besteuerung spรคter

Die interne wie externe รœbertragung von Anrechten im Versorgungsausgleich ist grundsรคtzlich steuerfrei. Erst die spรคteren Rentenzahlungen unterliegen der nachgelagerten Besteuerung. Abfindungen oder Ausgleichszahlungen zur Vermeidung einer Teilung haben eigene steuerliche Regeln โ€“ hier sollten Betroffene vor einer Vereinbarung steuerlichen Rat einholen.

Vereinbarungen der Ehepartner: Mรถglich, aber mit Kontrolle

Ehepartner kรถnnen den Versorgungsausgleich vertraglich modifizieren oder ausschlieรŸen โ€“ vor oder wรคhrend der Ehe (notarieller Ehevertrag) oder im Scheidungsverfahren. Eine solche Regelung benรถtigt immer die Genehmigung des Familiengerichts.

Das Gericht prรผft, ob die Abrede ausgewogen ist und keine Seite unangemessen benachteiligt. Wer รผber Abfindungen oder Ausgleichszahlungen verhandelt, sollte die steuerlichen Folgen und die Teilungskosten mitdenken.

So lรคuft das Verfahren ab

Das Familiengericht leitet den Ausgleich von Amts wegen ein. Die Versorgungstrรคger liefern Auskรผnfte zu den in der Ehezeit entstandenen Anrechten. Daraus berechnet das Gericht den Ausgleichswert. Die Entscheidung wird im Scheidungsbeschluss festgehalten; erst die Rechtskraft lรถst die Umsetzung bei den Versorgungstrรคgern aus.

Praxis-Tipp: Starten Sie frรผh die Kontenklรคrung bei der Deutschen Rentenversicherung und fรผllen Sie den Fragebogen zum Versorgungsausgleich (Stichwort: V10) aus. Verzรถgern sich Auskรผnfte einzelner Trรคger, kann das Gericht den Versorgungsausgleich vom Scheidungsausspruch abtrennen und spรคter entscheiden โ€“ die Scheidung selbst wird dadurch nicht aufgehalten.

Kindererziehungszeiten richtig einordnen

Kindererziehungszeiten sind regulรคre rentenrechtliche Zeiten und flieรŸen โ€“ wie andere Entgeltpunkte auch โ€“ in den Versorgungsausgleich ein, soweit sie in die Ehezeit fallen. Die Zuordnung richtet sich nach den gesetzlichen Regeln (Erklรคrung der Eltern, รผberwiegende Erziehung). Eine freie, nachtrรคgliche โ€žรœbertragungโ€œ auรŸerhalb dieser Vorgaben ist nicht mรถglich.

Wenn Anrechte nicht teilungsreif sind: schuldrechtlicher Versorgungsausgleich

Lassen sich bestimmte Anrechte im Scheidungsverfahren nicht in Natur teilen (z. B. auslรคndische, verfallbare oder noch nicht unverfallbare Anwartschaften), greift der schuldrechtliche Versorgungsausgleich. Dann entsteht ein Zahlungsanspruch gegen die frรผhere Partnerin bzw. den frรผheren Partner. Fรคllig wird dieser Anspruch in der Regel erst, wenn die berechtigte Person selbst eine Rente bezieht oder die maรŸgebliche Altersgrenze erreicht hat.

Rentensplitting vs. Versorgungsausgleich

Aspekt Kurzvergleich (Rentensplitting vs. Versorgungsausgleich)
Rechtsnatur Rentensplitting: freiwillige Erklรคrung bei der DRV. Versorgungsausgleich: gerichtliche Entscheidung im Scheidungsverfahren.
Zeitpunkt Rentensplitting: erst nach Erfรผllen der gesetzlichen Voraussetzungen mรถglich. Versorgungsausgleich: wird mit der Scheidung entschieden.
Reichweite Rentensplitting: nur gesetzliche Rentenversicherung. Versorgungsausgleich: gesetzliche, betriebliche und private Anrechte.
Ergebnis Rentensplitting: dauerhafte Verteilung der Entgeltpunkte zwischen den Ehegatten. Versorgungsausgleich: hรคlftige Teilung der in der Ehezeit erworbenen Anrechte je Versorgungssystem.
ร„nderbarkeit Rentensplitting: grundsรคtzlich nicht rรผckgรคngig. Versorgungsausgleich: Abรคnderung bei wesentlichen Wertรคnderungen mรถglich.

Beispiel zur Einordnung

Sie beziehen bereits eine Altersrente. Ihre zukรผnftige Ex-Partnerin arbeitet noch. In der Ehezeit haben Sie deutlich mehr Beitrรคge gezahlt. Das Gericht teilt die in der Ehezeit erworbenen Anrechte. Ihre laufende Rente sinkt ab Rechtskraft der Entscheidung.

Ihre Ex-Partnerin erhรคlt ein eigenes Anrecht, das spรคter mit ihrem Rentenbeginn ausgezahlt wird. Anrechte vor der Ehe bleiben unberรผhrt.

Mini-Rechenbeispiel: In der Ehezeit wurden 12,4 Entgeltpunkte erworben. Die hรคlftige Teilung รผbertrรคgt 6,2 Entgeltpunkte. Ihre spรคtere Rente vermindert sich um 6,2 multipliziert mit dem dann geltenden aktuellen Rentenwert. Die andere Person erhรคlt in gleicher Hรถhe eigene Entgeltpunkte gutgeschrieben; eine Auszahlung beginnt erst mit ihrem Rentenbeginn.

Was Sie konkret tun sollten

Sammeln Sie frรผhzeitig Ihre Unterlagen: Versicherungsverlรคufe der Deutschen Rentenversicherung, Nachweise รผber Betriebsrenten, Vertragsunterlagen privater Vorsorge. Prรผfen Sie, ob eine Kurz-Ehe vorliegt oder Bagatellgrenzen greifen. Klรคren Sie, ob eine faire Vereinbarung in Betracht kommt und welche Teilungskosten der jeweilige Trรคger verlangt.

Prรผfen Sie bei Unterhalt, Invaliditรคt oder Todesfall, ob eine Anpassung der Kรผrzung mรถglich ist, und stellen Sie Antrรคge rechtzeitig. Denken Sie bei Alt-Entscheidungen an eine Abรคnderung. Holen Sie fรผr Abfindungen oder Ausgleichszahlungen steuerlichen Rat ein.