Kindwohlgefährdung auf Staatsanordnung
12.05.2016
Kindeswohl ist eine staatliche Pflicht – doch die gilt in der Realität nicht für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Jetzt will die Bundesregierung Alleinerziehenden, die abhängig von Hartz IV sind, das Geld streichen, wenn sie für Tage beim anderen Elternteil sind.
Jeder Tag, den das Kind beim anderen Elternteil verbringt, kostet den Hartz-IV-abhängigen Alleinerziehenden 7,90 Euro, wenn das Kind sechs Jahre oder jünger ist, 9 Euro bei bis zu 14-jährigen und gar 10,40 Euro bei 14-18jährigen. Dieses Geld stünde dann dem anderen Elternteil zu – selbst, wenn er keine Sozialleistungen bekommt.
Fixkosten bleiben
Während jeder Tag, den die Kinder beim anderen Elternteil sind, weniger Geld bedeutet, bleiben Festkosten für Telefon, Versicherungen und Strom gleich.
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, kritisierte das Streichen des Geldes für Alleinerziehende massiv. Er sagte: „Hier wird durch die staatliche Regelung die Kindeswohlgefährdung organisiert.“
Pfennigfuchserei und Bürokratismus
Hilgers sieht die fatale Entwicklung, „dass der Alleinerziehende immer weniger Geld hat, wenn sich der andere Elternteil häufiger in die Erziehung des Kindes einbringt“. Er schließt: „Im Sinne des Kindeswohls ist das gewiss nicht. Das ist eine politische Entscheidung, die aus finanzieller Pfennigfuchserei und Bürokratismus betrieben wird.“
Zudem entstünden dem besuchten Elternteil durch die Besuche des Kindes Mehrkosten für Fahrten, zusätzliche Bekleidung und Verpflegung. Dieser sei aber durch keine Umgangspauschale gedeckt.
Statt also Geld für die zusätzlichen Kosten bereit zu stellen, spart die Agentur für Arbeit der neuen Idee von Andrea Nahles zufolge, indem sie Alleinerziehenden Geld weg nimmt.
Kindergrundsicherung statt Regelsatz
Der Kinderschutzbund fordert sowieso statt einem abgestuften Regelsatz für Kinder aus Hartz-IV-Familien eine einkommensunabhängige Kindergrundsicherung im Wert von 500 Euro, das wären knapp 200 mehr als der höchste Regelsatz für 14-18jährige Jugendliche.
Ende 2014 lebten 2,2 Millionen Kinder bei Alleinerziehenden, das ist jeder fünfte Haushalt mit Kindern. Kinder von Alleinerziehenden leben fünfmal häufiger von Hartz IV als Kinder, bei denen beide Elternteile zu Hause sind: 39 % der alleinerziehenden Elternteile brauchen staatliche Hilfe, bei beiden Elternteilen unter einem Dach nur 7 %. Jedes zweite Kind, das von Hartz IV abhängig ist, lebt bei Alleinerziehenden.
Wenn das Kindergeld für alleinstehende Elternteile, die von Hartz IV leben, gestrichen wird, schadet das vor allem Frauen: Neun von zehn Alleinerziehenden sind weiblich. (Dr. Utz Anhalt)
Bild: Dron – fotolia
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