Wer länger krank ist und nicht mehr arbeiten kann, steht häufig vor einem Problem: Das Krankengeld endet, doch ein Rentenbescheid liegt noch nicht vor. Damit in dieser Phase keine finanzielle Lücke entsteht, greift die sogenannte Nahtlosigkeitsregelung nach § 145 SGB III.
Sie sorgt dafür, dass Betroffene auch ohne formale Arbeitslosigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld haben – unter bestimmten Bedingungen.
Inhaltsverzeichnis
Was die Nahtlosigkeitsregelung bewirkt
Die Nahtlosigkeitsregelung schützt Personen, deren Arbeitsfähigkeit stark eingeschränkt ist, aber die noch keine Erwerbsminderungsrente erhalten. Sie sorgt dafür, dass die Betroffenen weiterhin Arbeitslosengeld bekommen, obwohl sie aktuell weder arbeitsfähig noch formal arbeitslos sind.
Die Regelung greift besonders in Übergangsphasen, wenn der Anspruch auf Krankengeld bereits ausgelaufen ist, aber noch keine Entscheidung der Rentenversicherung über eine Erwerbsminderungsrente vorliegt.
Warum Versorgungslücken entstehen
In Deutschland ist der Anspruch auf Krankengeld zeitlich begrenzt und endet in der Regel nach 78 Wochen innerhalb eines Drei-Jahres-Zeitraums. Nach dieser sogenannten Aussteuerung geraten viele Menschen, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, in eine prekäre Situation:
Wird der Antrag auf Erwerbsminderungsrente noch nicht gestellt, befindet sich der Antrag noch in Prüfung durch den Rentenversicherungsträger oder ist eine Reha-Maßnahme erfolglos verlaufen, ohne dass ein Rentenantrag gestellt wurde, droht eine finanzielle Lücke.
Ohne die gesetzliche Nahtlosigkeitsregelung würden Betroffene in dieser Übergangsphase ohne jegliche Einkommensersatzleistung dastehen – obwohl sie gesundheitlich nicht in der Lage sind zu arbeiten.
Anspruchsvoraussetzungen: Wer hat Anspruch auf Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld?
Ein Anspruch auf das Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld besteht nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So muss die betroffene Person aus gesundheitlichen Gründen voraussichtlich länger als sechs Monate nicht in der Lage sein, einer üblichen Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden nachzugehen. Entscheidend ist dabei, dass die Einschränkung medizinisch begründet ist und nicht auf persönlichen Lebensumständen wie etwa der Betreuung von Kindern beruht.
Außerdem darf der Rentenversicherungsträger zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine abschließende Feststellung über eine verminderte Erwerbsfähigkeit getroffen haben. Es müssen auch alle weiteren Bedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld vorliegen – darunter insbesondere die Erfüllung der Anwartschaftszeit, die persönliche Meldung bei der Agentur für Arbeit sowie ein noch nicht ausgeschöpfter Anspruch auf die Leistung.
Bemerkenswert ist, dass die Agentur für Arbeit im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung eine sogenannte „fiktive Verfügbarkeit“ unterstellt. Das bedeutet: Obwohl die erkrankte Person tatsächlich nicht arbeitsfähig ist, wird sie rechtlich so behandelt, als stünde sie dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung. Auf dieser Grundlage entsteht der Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz objektiver Arbeitsunfähigkeit.
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Besonderheiten: Wenn ein Arbeitsverhältnis noch besteht
Die Nahtlosigkeitsregelung greift auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis formal noch nicht beendet wurde. Ebenso kann sie während einer stufenweisen Wiedereingliederung im bisherigen Betrieb in Anspruch genommen werden, sofern keine 15 Stunden pro Woche geleistet werden können.
Praxisbeispiel: Eine Arbeitnehmerin ist nach schwerer Krankheit noch im Betrieb angestellt, aber nur mit wenigen Wochenstunden im Rahmen einer Reha-Maßnahme beschäftigt. Da sie objektiv nicht mehr leistungsfähig ist, erhält sie trotz bestehendem Arbeitsverhältnis Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld.
Grenzen der Regelung
Nicht jede Person, die aus gesundheitlichen Gründen nur eingeschränkt arbeitsfähig ist, hat automatisch Anspruch auf Leistungen nach § 145 SGB III. Es bestehen klare Ausschlusskriterien, die den Zugang zur Nahtlosigkeitsregelung begrenzen.
So darf die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit nicht auf selbst gewählte Umstände zurückzuführen sein. Wer beispielsweise aufgrund familiärer Verpflichtungen, wie der Betreuung von Kindern, weniger als 15 Stunden pro Woche arbeiten kann, fällt nicht unter diese Regelung.
Auch wenn die gesetzliche Rentenversicherung bereits rechtskräftig eine Erwerbsminderung festgestellt hat, entfällt der Anspruch auf das Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld. In solchen Fällen kommen andere Leistungen, wie die Erwerbsminderungsrente zum Tragen.
Antragstellung und Fristen: So sichern Sie den Anspruch
Die Agentur für Arbeit ist verpflichtet, Betroffene innerhalb kürzester Zeit aufzufordern, einen Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen. Der Antrag muss innerhalb eines Monats erfolgen.
Fristversäumnis: Erfolgt die Antragstellung nicht rechtzeitig, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem Folgetag.
Spätere Antragstellung: Wird der Antrag nachträglich gestellt, lebt der Anspruch ab dem Tag der Antragstellung wieder auf.
Tipp für Versicherte: Um einen nahtlosen Leistungsbezug sicherzustellen, sollte der Antrag möglichst frühzeitig gestellt werden – idealerweise noch während des Krankengeldbezugs.
Rückzahlung bei Rentenbewilligung
Wird nachträglich eine Erwerbsminderungsrente oder ein Übergangsgeld bewilligt, kann die Agentur für Arbeit bereits gezahlte Nahtlosigkeits-Leistungen von der Rentenversicherung zurückfordern. Die Leistungen werden dabei rückwirkend miteinander verrechnet. Das betrifft allerdings nicht die Versicherten selbst, sondern ausschließlich die beteiligten Träger.
Sonderfälle: Rente bereits vorhanden – was gilt?
Auch Personen, die bereits eine teilweise Erwerbsminderungsrente oder Berufsunfähigkeitsrente erhalten, können unter bestimmten Bedingungen vom Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld profitieren. Voraussetzung ist, dass sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert hat und dadurch eine neue Form der Arbeitsunfähigkeit besteht. Hier wird im Einzelfall geprüft, ob die Nahtlosigkeitsregelung greift.