Bürgergeld: Widerspruch noch nach einem Jahr möglich – wegen falscher Jobcenter-Belehrung

Viele Bescheide zum Bürgergeld enthalten noch immer fehlerhafte Hinweise auf die Widerspruchsfrist. Ein kleiner, aber entscheidender Formfehler kann für Betroffene jedoch enorme Vorteile bringen: Ist die Rechtsbehelfsbelehrung falsch oder fehlt sie ganz, verlängert sich die Frist für einen Widerspruch automatisch von einem Monat auf ein ganzes Jahr.

Auch nach Ablauf der regulären Frist können Betroffene sich gegen fehlerhafte Bescheide zur Wehr setzen – vorausgesetzt, die Belehrung war nicht korrekt. Ein Beispiel: Häufig wird noch immer behauptet, dass ein elektronischer Widerspruch nur mit qualifizierter elektronischer Signatur gültig sei. Das ist jedoch falsch.

Einfache Signatur reicht – Belehrung ist oft rechtswidrig

Das Sozialgericht Leipzig hat in einem aktuellen Beschluss (vom 21.08.2025 – S 24 AS 1280/24) bestätigt: Wenn ein Jobcenter in seiner Rechtsbehelfsbelehrung angibt, dass ein Widerspruch nur mit qualifizierter Signatur per EGVP eingelegt werden kann, ist diese Belehrung fehlerhaft. Denn seit dem 1. Januar 2024 genügt laut Gesetz eine einfache elektronische Signatur.

Rechtsanwalt Volker Gerloff erläutert: In solchen Fällen gilt nicht die einmonatige, sondern die einjährige Widerspruchsfrist. Die rechtliche Grundlage dafür ist § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Was sagt das Gericht?

Die Richter betonen: Eine Rechtsbehelfsfrist beginnt nur dann zu laufen, wenn die Belehrung korrekt und vollständig erteilt wurde. Fehlt sie oder ist sie inhaltlich falsch, verlängert sich die Frist automatisch auf ein Jahr ab Bekanntgabe des Bescheids.

Damit ist klar: Der Hinweis auf eine zwingende qualifizierte elektronische Signatur ist schlicht veraltet – und führt automatisch zur Jahresfrist.

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Belehrung darf nicht in die Irre führen

Das Bundessozialgericht (Urteil vom 27.09.2023 – B 7 AS 10/22 R) hat zudem entschieden: Eine unvollständige oder missverständliche Belehrung ist auch dann rechtswidrig, wenn sie nicht ursächlich für die Fristversäumnis war.

Es reicht aus, wenn die Belehrung objektiv geeignet ist, Betroffene von einer rechtzeitigen Widerspruchseinlegung abzuhalten – was bei einer qualifizierten Signatur zweifellos der Fall ist, denn diese ist technisch komplizierter und für viele kaum zugänglich.

Auch 2025: Jobcenter verstoßen gegen Belehrungspflichten

Ein weiterer häufiger Fehler: Manche Jobcenter verweisen in der Belehrung lediglich auf eine Internetseite oder einen QR-Code. Das ist nicht zulässig. Eine solche Praxis erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen an eine wirksame Belehrung. Auch deshalb bleiben viele Bescheide aus dem Jahr 2025 weiterhin rechtlich angreifbar.

Fazit: Bürgergeld-Empfänger sollten Bescheide sorgfältig prüfen – insbesondere die Rechtsbehelfsbelehrung. Fehlerhafte Hinweise auf Signaturformen oder unvollständige Belehrungen eröffnen die Möglichkeit, auch nach Monaten noch erfolgreich Widerspruch einzulegen.

Wer Zweifel hat, sollte fachkundigen Rat einholen – denn ein formaler Fehler kann bares Geld bedeuten.

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