Was plant die Regierung noch bei Hartz IV?

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Was planen Merkel & Co. demnächst für Erwerbslose?

04.03.2011

Kaum haben Bundestag und Bundesrat grundlegende Änderungen für das SGB II (Hartz IV) beschlossen (wir berichteten), richtet sich der Blick auf zukünftig geplante Änderungen. Diese werden mitnichten nun erst geplant, sondern befinden sich schon seit 2010 und länger in der Planungsphase. So wird ersichtlich, dass Union und FDP langfristig das System der Absicherung und Integration von Arbeitslosen umorganisieren wollen, weg von einem Leistungsanspruch, hin zu mehr Subventionen für Arbeitgeber, dem Ersatz von Pflichtleistungen, auf die Arbeitslose einen Rechtsanspruch haben, in Ermessensleistungen und hin zu einer entlohnungsfreien Arbeitspflicht in der freien Wirtschaft für Arbeitslosengeld II Bezieher (ALG II).

Für 2012 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits seit September 2010 dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) umfangreiche Vorschläge zur Änderung der sog. Förderinstrumente des SGB II und III vorgeschlagen. Nachfolgend einige dieser Vorschläge mit Kommentaren von uns.

SGB II und III
Vorschlag BA: Die aktuelle Begrenzung der Dauer von Maßnahmen zur Eingliederung nach § 46 SGB III auf max. 8 Wochen soll entfallen, wenn dabei auch berufliche Kenntnisse vermittelt werden. Begründung der BA: keine.

So lange die Vermittlung beruflicher Kenntnisse darin besteht, die Maßnahmeteilnehmer 6 Monate lang 8 Std. am Tag aus Pappmaschee Figuren basteln zu lassen, die dann in irgend einem Keller landen, denn entgegen der Maßnahmebeschreibung kann man so was (aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der kaum vorhandenen Haltbarkeit) keinesfalls als Lernmaterial in Kindertagesstätten einsetzen, werden damit ausschließlich Maßnahmeträger gefördert und am Leben erhalten.

Vorschlag BA: Die Sanktionsmöglichkeiten gegen Träger von Maßnahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung sollen erweitert werden. Begründung der BA: keine

Bisher besteht die Sanktion darin, dass der Bildungsgutschein aufgehoben wird (§ 86 Abs. 2 S. 2 SGB III). Damit wird aber nicht der Maßnahmeträger sanktioniert, sondern der Maßnahmeteilnehmer bestraft, weil der dann nicht länger an der Maßnahme teilnehmen kann, da die Bezahlung der Maßnahme über den Bildungsgutschein i.d.R. grundlegende Vertragsvoraussetzung zwischen Maßnahmeträger und -teilnehmer ist, d.h. wird der Bildungsgutschein widerrufen, endet damit die Maßnahme für den betroffenen Teilnehmer. Im Extremfall muss sogar der Maßnahmeteilnehmer die bis dahin angelaufenen Maßnahmekosten selbst tragen. Maßgeblich ist dabei der Ausbildungs- bzw. Maßnahmevertrag zwischen Maßnahmeträger und -teilnehmer.

Nur SGB II
Vorschlag BA: Im SGB II sollen Ersatzweise öffentliche Beschäftigungen auf dem 2. Arbeitsmarkt auf AGHs mit MAE (Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, die sog. 1-Euro-Jobs) beschränkt werden, andere Maßnahmen wie AGHs mit Entgelt oder Bürgerarbeit sollen ersatzlos entfallen, zudem sollen die bisherigen Beschränkung von 1-Euro-Jobs auf "Zusätzlichkeit", "im öffentlichen Interesse" und "keine Tätigkeiten auf dem 1. Arbeitsmarkt" entfallen. Begründung der BA: keine.

Aktuell erfüllen lt. Aussage des Bundesrechnungshofes ca. 50% aller 1-Euro-Jobs die bisher bestehenden Kriterien nicht, es handelt sich dabei i.d.R. um Tätigkeiten auf dem 1. Arbeitsmarkt, die reguläre Beschäftigungsverhältnisse ersetzen. Mit diesen Änderungsvorschlägen erweist die BA den Arbeitgebern einen Bärendienst: während man Zusatzjobs mit Entlohnung streicht, wird der Teil der bisher illegalen 1-Euro-Jobs legalisiert. Das ist eine klare Ansage: 1-Euro-Jobber sollen legal als kostenlose Arbeitskräfte auf dem 1. Arbeitsmarkt etabliert werden. Damit wird dieses Förderinstrument zu einem regulären Arbeitsdienst umgebaut und das Prinzip „Sozialleistungen nur gegen Arbeitskraft“ eingeführt.

Nur SGB III
Vorschlag BA: Die Begrenzung der Praktikumsphase auf 6 Monate bei berufsvorbereitenden Maßnahmen (§ 61 SGB III) und außerbetrieblicher Berufsausbildung (§ 242 SGB III) soll gestrichen werden. Begründung der BA: Diese Begrenzung würde die Ausbildung erschweren.

Wird die Dauer der Praktikumsphasen nicht mehr begrenzt, werden sich theoretische Inhalte zwangsläufig deutlich reduzieren, denn natürlich besteht ein immenses finanzielles Interesse der beteiligten Ausbildungsbetriebe daran, die für sie kostenlosen Azubis so oft und so lange wie möglich einzusetzen. Das erhöht aber nicht den Bildungsstand der Azubis – denn zuerst mal müssen die Kenntnisse theoretisch vermittelt werden, bevor sie praktisch angewendet werden können – sondern füllt nur den Geldbeutel der Firmeninhaber, bei denen diese Praktika dann stattfinden.

Vorschlag BA: Die Förderung des Hauptschulabschlusses soll ersatzlos gestrichen, zumindest aber in eine Ermessensleistung umgewandelt werden.

Begründung der BA: Diese Förderung wird bisher kaum in Anspruch genommen und die Chancen, das schwache Schüler auf dem normalen Bildungsweg einen Hauptschulabschlusses schaffen, haben sich zwischenzeitlich durch andere Förderinstrumente, auch außerhalb des SGB III, deutlich erhöht.

Das diese Förderung kaum in Anspruch genommen wird, hat zwei konkrete Gründe:
1. diese Förderung besteht nur für ALG I-Empfänger, aber gerade dort wird sie gar nicht benötigt, denn Personen, die ALG I erhalten, waren bereits im Arbeitsprozess integriert, was einen entsprechenden Bildungsstand voraussetzt; benötigt würde diese Förderung vielmehr im Rechtskreis des SGB II, gerade dort darf sie aber nicht erbracht werden,

2. ein Hauptschulabschluss stellt de facto keinerlei Verbesserung der Integrationsaussichten auf dem Arbeitsmarkt dar, hier muss mindestens ein Realschulabschluss ermöglicht werden. Abgesehen davon ist der Erfolg der von der BA genannten Förderinstrumente bislang reine Fiktion. Es gibt keinerlei Daten, welche diese Aussage der BA belegen.

Vorschlag BA: Der Gründungszuschuss zur Förderung einer selbständigen Tätigkeit (§§ 57 und 58 SGB III) soll in eine Ermessensleistung umgewandelt werden. Begründung der BA: Damit soll eine zielgerichtetere Förderung ermöglicht werden.

Diese Begründung kennt man schon hinsichtlich der zum 01 Januar 2009 erfolgten Änderungen der §§ 45, 46 SGB III. Diese hatten aber ganz andere Auswirkungen: seither können Arbeitslose ihre Kosten für Bewerbungen, Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen, Mobilitätshilfen und Fahrkosten zu Eingliederungsmaßnahmen, auf die bis dahin ein Rechtsanspruch bestand, fast nur noch auf dem Klageweg bekommen.

Hier kann man nur eines konstatieren: Immer, wenn eine Soll-Leistung der Arbeitsförderung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, in eine Ermessensleistung umgewandelt wird, steckt als Ziel dahinter, die Vergabe dieser Leistungen stark einzuschränken und so Kosten einzusparen. Denn eine Ermessensleistung kann aus vielfältigen Gründen abgelehnt werden, da findet sich immer einer, aber eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, kann nur dann abgelehnt werden, wenn die vom Gesetzgeber vorgegebenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. (fm)

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