Was ist der Unterschied zwischen Bürgergeld und Sozialhilfe?

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Das deutsche Sozialsystem ist sehr komplex. Wer auf welche Leistungen in welcher Höhe Anspruch hat, erfordert oft das Fachwissen von Menschen, die sich täglich mit dem Sozialrecht beschäftigen. Viele Menschen fragen sich: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bürgergeld (früher Hartz IV), Sozialhilfe und Grundsicherung? Wo liegen die Unterschiede und wer hat eigentlich Anspruch darauf?

Hauptunterschied ist die Erwerbsfähigkeit

Die Sozialhilfe hat der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch SGB XII geregelt, das Bürgergeld im SGB II. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Sozialleistungen ist die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Das bedeutet, dass das Bürgergeld (früher Hartz IV, Arbeitslosengeld II) für Arbeitssuchende geschaffen wurde, die dem Arbeitsmarkt mindestens 3 Stunden täglich zur Verfügung stehen können.

Die Sozialhilfe ist eine Sozialleistung, die für Menschen geschaffen wurde, die diese Voraussetzung (theoretisch mindestens 3 Stunden täglich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen) nicht oder nicht mehr erfüllen können. Die Betroffenen sind aufgrund von Krankheit, Behinderung oder anderen Gründen dauerhaft erwerbsunfähig. Dazu gehören auch Personen, deren Rente nicht ausreicht, um das Existenzminimum zu erreichen.

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Wechsel vom Bürgergeld in die Sozialhilfe

Eine Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn Betroffene wegen Krankheit oder Behinderung die Voraussetzungen für den Bezug von Bürgergeld länger als sechs Monate nicht erfüllen. Erkranken Bürgergeldbezieher während des laufenden Bezugs, bleibt zunächst das Jobcenter zuständig. Dauert die Krankheit länger als sechs Monate, ist ein Wechsel vom Bürgergeld in die Sozialhilfe erforderlich. Das Jobcenter wird in der Regel einen Amtsarzt beauftragen, den Betroffenen zu untersuchen.

Die Sozialhilfe greift also immer dann, wenn Menschen ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht mehr aus eigenen Kräften und Mitteln (wie z.B. Vermögen) bestreiten können, keine Versicherung oder andere Leistungen des Sozialsystems greifen, ist die Sozialhilfe das Hilfenetz, das dann greift.

Welcher Anspruch besteht in der Sozialhilfe?

Ähnlich wie beim Bürgergeld handelt es sich bei der Sozialhilfe vereinfacht gesagt um eine Sozialleistung, die in Form von Geld-, Sach- und Dienstleistungen gewährt wird. Sie soll im Falle der Hilfebedürftigkeit das Existenzminimum sichern. Sozialhilfeleistungen müssen nicht zurückgezahlt werden, es sei denn, es stellt sich nachträglich heraus, dass kein Anspruch auf die Leistung bestand.

Folgende Leistungen werden durch das Sozialamt gewährt

  • Regelleistungen für Ernährung, Bekleidung, Hygiene, Hausrat, Energie und weitere persönliche Belange
  • Kosten der Unterkunft (Miete, Heizkosten)
  • mögliche Mehrbedarfe
  • Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
  • einmalige Leistungen / Sonderbedarfe für besondere Situationen
  • Teilhabe- und Bildungspaket für Minderjährige

Wer hat Anspruch auf die Sozialhilfe?

Die Gründe, warum Menschen in Not geraten sind, sind sehr unterschiedlich. Im Grundsatz ist es unerheblich, ob Leistungsberechtigte selbst oder unverschuldet in diese Situation geraten sind. Diese Grundvorrraussetzungen müssen jedoch erfüllt sein:

  • Hilfebedürftigkeit
  • Erwerbsunfähigkeit
  • fehlendes Erreichen der Regelaltersrente
  • Deutscher Wohnsitz

Sozialhilfe ist nicht gleich Sozialhilfe

Sozialhilfe ist jedoch nicht gleich Sozialhilfe. Streng genommen existieren verschiedene Hilfen im Rahmen der Sozialhilfe. Diese sind:

  • Hilfen zum Lebensunterhalt
  • Grundsicherung für Rentner und bei Erwerbsminderung
  • Hilfen zur Gesundheit
  • Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
  • Hilfen zur Pflege
  • Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Probleme

Unterschied zwischen Hilfen zum Lebensunterhalt und Grundsicherung

Es muss unterschieden werden zwischen Hilfen zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Leistungen unterscheiden sich jedoch nur in einzelnen Punkten.

Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten Betroffene, die im Gegensatz zur Grundsicherung voraussichtlich nur vorübergehend erwerbsunfähig sind. Die Erwerbsminderung dauert zwar bereits länger als sechs Monate an, ist aber voraussichtlich nur vorübergehend.

Ein Beispiel aus der Praxis:
Bernd W. ist seit mehr als sechs Monaten krank und in Dauerbehandlung. Er hatte einen schweren Autounfall und steht dem Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Verfügung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er nach erfolgreicher Therapie in einigen Monaten oder Jahren wieder arbeitsfähig sein wird. Da kein Anspruch auf Krankengeld besteht und kein verwertbares Vermögen oder sonstiges Einkommen vorhanden ist, greift die Sozialhilfe.

Ein weiteres Beispiel:
Karin S. ist drogenabhängig. Sie muss für mehr als sechs Monate in eine therapeutische Einrichtung, um ihre Sucht zu bekämpfen. Nach erfolgreicher Therapie steht sie dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung. Auch hier springt die Sozialhilfe ein, da kein Anspruch auf Krankengeld besteht und kein verwertbares Vermögen oder sonstiges Einkommen vorhanden ist.

Für die Grundsicherung (als Teil der Sozialhilfe) kommen dagegen zwei Gruppen von Anspruchsberechtigten in Frage:

Grundsicherung für Rentnerinnen und Rentner

Zum einen die Grundsicherung für Rentnerinnen und Rentner, deren Altersrente nicht zur Deckung des gesamten Lebensunterhalts ausreicht. Je nach Anzahl der Beitragsjahre kann die Rente sehr niedrig ausfallen. Deckt die Rente nicht das Existenzminimum, kann zusätzlich Grundsicherung oder Sozialhilfe beantragt werden.

Grundsicherung bei Behinderung und Krankheit

Wer wegen Krankheit oder Behinderung voraussichtlich dauerhaft erwerbsunfähig ist, erhält je nach Hilfebedürftigkeit ebenfalls Grundsicherung. Dies betrifft vor allem Menschen mit einer geistigen, seelischen oder körperlichen Behinderung oder einer schweren chronischen Erkrankung.

In den meisten Fällen erhalten die Betroffenen eine Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung. Wenn diese Rente nicht ausreicht und keine andere Versicherung greift, besteht ein Anspruch auf Grundsicherung.

Bedarfsgemeinschaft bei der Sozialhilfe

Wie beim Bürgergeld gibt es auch bei der Sozialhilfe Bedarfsgemeinschaften. Wer einen Antrag auf Sozialhilfe stellt, wird feststellen, dass auch das Einkommen und Vermögen der Personen berücksichtigt wird, mit denen man in einem Haushalt (keine Wohngemeinschaft im Sinne einer WG) zusammenlebt. Bei der Antragstellung müssen daher auch Angaben zu den Haushaltsmitgliedern, also z.B. zur Ehefrau oder zum Ehemann, gemacht werden.

Sozialhilfe wird also nur dann gezahlt, wenn der eigene Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestritten werden kann. Alle unterhaltspflichtigen Angehörigen werden überprüft.

Was wird bei der Sozialhilfe angerechnet?

  • Einkommen aus Erwerbstätigkeit
  • Renten aller Art (Ausnahme: die Grundrente)
  • Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung
  • Einnahmen aus einem Gewerbebetrieb
  • Kapitalvermögen
  • Unterhalt jeder Art
  • Unterhaltsvorschuss
  • Kindergeld
  • Elterngeld
  • Wohngeld
  • Mutterschaftsgeld
  • Arbeitslosengeld I und II
  • Krankengeld

Was darf bei der Sozialhilfe nicht angerechnet werden?

  • Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
  • Renten oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz (bis zur Höhe der Grundrente)
  • Rückerstattungen auf Vorauszahlungen aus dem Regelsatz (zum Beispiel Stromerstattungen)
  • nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfreie Aufwandsentschädigungen bis zu 200 Euro monatlich
  • Landeserziehungsgeld (Bayern)
  • Mittel aus der Bundesstiftung “Mutter und Kind”, sowie Zuwendungen anderer
  • Stiftungen
  • Schmerzensgeld
  • Pflegegeld
  • In der Grundsicherung: Grundfreibetrag für zusätzliche betriebliche und
  • private Altersvorsorge
  • Familiengeld und Betreuungsgeld (in Bayern)

Zum Vermögen zählt das vollständige, verwertbare Vermögen, zum Beispiel:

  • Ersparnisse
  • Wertpapiere
  • teurer Schmuck
  • teure Kunstgegenstände
  • Kraftfahrzeuge (Ausnahmen möglich!)
  • Lebensversicherung (Ausnahme: staatlich geförderte Alterssicherung bis zu einem bestimmten Betrag)
  • Ausbildungsversicherung
  • nicht selbst bewohnte Häuser, Wohnungen und Grundstücke

Folgendes Vermögen gilt als Schonvermögen und wird nicht berücksichtigt:

  • staatlich geförderte Alterssicherung
  • Existenzsicherungsmittel aus öffentlichen Geldern (nach dem Lastenausgleichsgesetz
  • angemessener Hausrat
  • Gegenstände zur Berufsausübung (angemessener PKW, Schutzkleidung, Literatur etc.)
  • Familien- und Erbstücke bei besonderer Härte für den Antragssteller
  • Gegenstände des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens (Instrumente, Stereoanlagen, Sammlungen etc.)
  • ein angemessenes und selbst genutztes Haus oder Wohnung

Achtung bei Schenkungen im Vorfeld

Die Regeln der Sozialhilfe sind sehr streng. So kann das Sozialamt bereits geschenkte Gelder zurückfordern. Dabei prüft das Amt bis zu zehn Jahre rückwirkend, ob größere Geldbeträge an Dritte verschenkt wurden. Das Amt kann die Beträge von den Beschenkten zurückfordern, wenn der Verdacht besteht, dass das Geld vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit verschafft wurde.

Ein solcher Verdacht führt häufig zu Streitigkeiten mit dem Amt. Denn häufig wurde das Geld anlässlich einer Hochzeit oder anderer Feierlichkeiten als so genannte Anstandsschenkung überreicht. Wurden mit der “Schenkung” jedoch Schulden getilgt, kann das Geld zurückgefordert werden. Im Zweifelsfall sollten sich Betroffene anwaltlich beraten lassen.

Ist das Bürgergeld besser als Hartz IV?

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