Die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will Hartz IV in Basisgeld umtaufen. Ettikenschwindel oder Neuanfang?
(15.09.2010) Die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) möchte weg von dem Begriff Hartz IV. Dieser ist einerseits noch eine Relikt aus rot-grünen Regierungszeiten und anderseits nach Aussage der Ministerin zu negativ belastet. So vermeidet von der Leyen bei allen aktuellen Auftritten den Begriff grundsätzlich und benennt die Zahlungen stattdessen als „Basisgeld“.
Im Februar diesen Jahres hatte das Bundesverfassungsgericht die gelten Regelsätze für Arbeitslosengeld II (ALG II) Empfänger als rechtswidrig erklärt und eine Neuregelung bis zum Jahresende gefordert. Das bisherige Berechnungsverfahren der Regelsätze für die Grundsicherung ist nach dem Urteilsspruch zu intransparent und willkürlich. Wobei insbesondere die Berechnung der Kinder-Regelsätze von den Richtern kritisiert wurde. Einen ersten Gesetzentwurf will die Bundesregierung aufgrund des Zeitdrucks am Montag nächster Woche vorstellen. Die neuen Regelsätze sollen bereits eine Woche später bekannt gegeben werden. Ziel ist es, eine Regelung zu finden, die nicht nur eine klare Berechnungsmethode biete, sondern für die Bürger auch verständlicher sei als das bisherige Modell, erklärte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums.
Bereits nächste Woche will die Bundesregierung eine Neuregelung der ALG II-Regelsätze vorlegen, die den vom Bundesverfassungsgerichts geäußerten Forderungen gerecht wird. Dabei soll nach Vorstellung des Bundesarbeitsministerin das Gesetz auch einen neuen Namen erhalten, der sich eindeutig gegen die alte Regelung abhebt und nicht länger mit dem negativ besetzten Begriff „Hartz IV“ in Verbindung gebracht wird. Angedacht sind laut Berichten der „Süddeutschen Zeitung“ Bezeichnungen wie „Basissicherungsgesetz für Erwerbsfähige und ihre Familien“ wobei die Grundsicherung dann als „Basisgeld“ bezeichnet würde.
Der Begriff „Hartz IV“ geht auf den ehemaligen Volkswagen-Vorstand Peter Hartz zurück, der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Kommission geleitet hat, welche damals mit der Vorbereitung der Arbeitsmarkt- und Sozialreformen der rot-grünen Regierung befasst war. Der Begriff „Hartz IV“ hat sich anschließend schnell im Volksmund etabliert und ist seither eine gängige Bezeichnung. Damit soll nach Vorstellung der Bundesarbeitsministerin jedoch nun Schluss sein. Eine endgültige Bezeichnung steht zwar noch nicht fest aber der Begriff „Hartz IV“ wird vermutlich bald Geschichte sein.
Aktuell beläuft sich der Regelsatz für einen alleinstehende Erwachsenen auf 359 Euro monatlich. Berechnungsbasis ist dabei die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, die regelmäßig 6.000 Haushalte befragt. Von den befragten Haushalten wird bisher jedoch nur das untere Fünftel der Einkommensskala zur Berechnung der ALG II-Sätze herangezogen. Wie die Berechnung in Zukunft genau aus sehen soll, ist bisher noch nicht bekannt. So erklärte der Sprecher von der Leyens: „Wir lassen mehrere Varianten durchrechnen“ und wollte sich nicht festlegen, ob das Arbeitsministerium für die Neuregelung wieder nur die unteren 20 Prozent oder eventuell sogar nur 15 Prozent der Einkommensskala heranziehen will.
Ein stets betontes Anliegen der Bundesarbeitsministerin ist es außerdem, die Leistungen für Kinder grundlegend neu und zielgenauer zu organisieren. Viele Hilfen sollen nur noch per Gutschein und Sachleistung abgegeben werden – zusätzliche Geldtransfers an die Eltern will die Ministerien möglichst vermeiden. So möchte von der Leyen mit der "Chipkarte" eine Art digitales Gutscheinsystem aufbauen, über das Kinder für sie geeignete Leistungen abrufen können. In Abhängigkeit zur finanziellen Situation der Eltern, würde das Kartenguthaben in unterschiedlicher Höhe vom Staat finanziert. Auch möchte die Bundesarbeitsministerin "Familienlotsen" einsetzen, welche zwischen kommunaler Jugendhilfe, Schulen und den Jobcentern als Koordinatoren fungieren sollen. Zur Umsetzung der Gesetzesentwürfe braucht die Bundesarbeitsministerien jedoch die Zustimmung des Bundesrates und hier haben bereits die ersten Bundesländer erhebliche Bedenken gegen die Pläne angebracht. Um den Forderungen des Verfassungsgerichts gerecht zu werden, müsste das Gesetz spätestens am 17. Dezember den Bundesrat passieren.
Ob für die Betroffenen am Ende höhere ALG II-Zahlungen herauskommen, wurde von Seiten des Bundesarbeitsministeriums bislang nicht eindeutig mitgeteilt. So bleibt zu befürchten, dass lediglich minimale Änderungen zur Wiederherstellung der gesetzlichen Absicherung umgesetzt werden, die dringend notwendige Anpassung des ALG II jedoch ausbleibt. Da hilft den ALG II-Empfängern auch eine neue Bezeichnung nicht. Denn ob die Zahlungen nun „Hartz IV“ genannt werden oder „Basisgeld“, wichtig ist, was dabei für die Betroffenen raus kommt. Und da niemand in der schwarz-gelben Koalition bisher ein klares Statement für die Erhöhung der Regelsätze abgegeben hat, sondern im Gegenteil eher stets der Sparzwang angeführt wird, bleibt die Umbenennung von „Hartz IV“ wahrscheinlich nichts als Etikettenschwindel. Zumal vom jetzt beschlossenen Sparpaket der schwarz-gelben Koalition bereits einige Einschränkungen der ALG II- Leistungen ausgehen. So sollen ALG II-Empfänger zum Beispiel künftig keine Beiträge zur Rentenversicherung, keinen Heizkostenzuschuss und kein Elterngeld (monatlich 300 Euro) erhalten. (fp)
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