Vier Irrtümer über das Bürgergeld

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Bei Mythen über das Bürgergeld geht es Aufklärern wie Herkules beim Säubern des Augiasstalls. Während er den Stein reinigt, verdrecken die Rinder alles von Neuem.

Längst widerlegte Unwahrheiten über das Bürgergeld wiederholen Politiker und Medien immer wieder, und deshalb müssen wir bei Gegen Hartz erneut aufklären. Hier stellten wir vier häufige Irrtümer über das Bürgergeld vor.

Bürgergeld bringt mehr Geld als durch Arbeit?

Irrtum 1: Nur mit Bürgergeld bleibt am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto als mit Erwerbsarbeit, deshalb lohnt es sich nicht, zu arbeiten?

Das stimmt nicht, denn wer zum Mindestlohn voll arbeitet, hat immer mehr Geld als ohne Arbeit Bürgergeld zu beziehen. Außerdem erwirbt ein pflichtversicherter Arbeitnehmer Ansprüche auf die Rente, die es bei Bürgergeld nicht gibt.

Der Mindestlohn stieg sogar in Prozenten stärker als die Regelsätze beim Bürgergeld.

Dieser Unterschied zwischen Bürgergeld ohne Erwerbstätigkeit und Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen wird sogar noch größer, weil auch Niedrigverdiener Anspruch auf Sozialleistungen haben, von denen Bürgergeld-Bezieher ausgeschlossen sind.

Dazu gehört besonders das Wohngeld, das für diejenigen gilt, die oberhalb der Bürgergeld-Grenze verdienen und unterhalb des Durchschnittseinkommens. Dieses liegt im Schnitt bei über 300 Euro pro Monat.

Immer mehr Arbeitnehmer kündigen, um Bürgergeld zu bekommen?

Irrtum 2: Erwerbstätige beenden ihre Tätigkeit, um vom Bürgergeld zu leben. Dieses Märchen verbreiten bestimmte Arbeitgeber und spicken ihre Behauptung mit angeblichen Fällen in ihrer Firma, die sich weder belegen noch widerlegen lassen, und auch frei erfunden sein können.

Die Statistik sagt jedoch klar, das seit Einführung des Bürgergeldes weniger Menschen aus Jobs in diese Sozialleistung rutschten als zuvor. Es handelt sich also nicht nur um eine falsche Behauptung, sondern es gilt das genaue Gegenteil.

Sind Bürgergeld-Bezieher zu faul zum Arbeiten?

Irrtum 3: Bürgergeld-Bezieher könnten (allgemein) arbeiten, wollen dies aber nicht.

Das Märchen vom “faulen Bürgergeld-Bezieher” peitschen Politiker immer dann durch die Medien, wenn sie Sozialleistungen kürzen und zugleich Druck auf Erwerbstätige ausüben wollen.

Die Realität sieht anders aus. Lediglich rund ein Drittel der Bürgergeld-Bezieher stehen grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Von den 5,5 Millionen Betroffenen sind 1,5 Millionen nicht erwerbsfähige Kinder. Dann sind 20 Prozent Erwerbstätige, die mit Bürgergeld aufstocken müssen.

Rund 40 Prozent befinden sich in Maßnahmen zur Weiterbildung, pflegen Angehörige, erziehen Kinder oder sind aus anderen Gründen derzeit nicht auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar.

Bei denjenigen, die grundsätzlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wurden weit weniger als ein Prozent sanktioniert, weil sie Stellenangebote ablehnten. Die allermeisten haben gänzlich andere Probleme, um in echte Arbeit zu kommen.

Sie haben keine Ausbildung oder eine Ausbildung, deren Arbeit es in der Form nicht mehr gibt, viele haben nicht einmal einen Schulabschluss. Es gibt in Deutschland aber keinen Hilfskräftemangel, sondern einen Fachkräftemangel. Bei freien Stellen, für die eine entsprechende Qualifikation nötig ist, haben diese Arbeitssuchenden keine Chance.

Jeder Dritte dieser “grundsätzlich Vermittelbaren” leidet zudem an einer körperlichen oder psychischen Erkrankung, die meist ebenso der Grund dafür ist, keine Erwerbsarbeit zu haben wie auch dafür, keine zu finden.

Suchtkrankheiten und Schulden, familiäre und psychosoziale Not gehören zu den komplexen Problemen, die die Arbeitsvermittlung bewältigen muss. Mit Faulheit hat das alles nichts zu tun, vielmehr müssen die Betroffenen qualifiziert werden.

Ist das Bürgergeld ein Grundeinkommen ohne Pflichten?

Irrtum 4: Wer Bürgergeld bezieht, muss sich nicht um Arbeit kümmern.

Dieser Mythos geht einher mit dem Märchen des “faulen Bürgergeld-Beziehers” und ist genauso falsch. Denn das Gegenteil ist der Fall.

Bürgergeld kann nur beanspruchen, wer grundsätzlich erwerbsfähig ist und zugleich hilfebedürftig, seinen Unterhalt also nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kann. Er verpflichtet sich vertraglich, alles zu tun, was möglich ist, um in Arbeit zu kommen.

Wenn Bürgergeld-Bezieher diese Pflicht zur Mitwirkung nicht erfüllen, dann kann das Jobcenter ihre Leistungen kürzen.