Übersichtstabelle: Bürgergeld versus Neue Grundsicherung – Das ändert sich

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Am 1. Januar 2023 ersetzte das Bürgergeld per Bürgergeld-Gesetz das frühere Hartz IV. Es führte höhere Regelsätze (2025: 563 € für Alleinstehende), eine einjährige Karenzzeit für Vermögen und Unterkunft, mehr Zuverdienst­freiräume sowie Weiterbildungspremien ein. Sanktionen dürfen maximal 30 Prozent der Leistung betragen.

Nun aber plant die neue Bundesregierung eine sogenannte “Neue Grundsicherung” einzuführen. Was aber konkret sollen die Unterschiede sein?

Neue Bundesregierung will eine „Neue Grundsicherung“

Nach der Bundestagswahl im Februar 2025 einigten sich CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag darauf, das Bürgergeld noch in dieser Legislatur wieder abzulösen. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte eine „Rückkehr zu einem System des Förderns und Forderns“ an; wiederholte Arbeitsverweigerung soll – soweit verfassungsrechtlich zulässig – zum Leistungs­entzug führen.

Tabelle: Unterschied zwischen Bürgergeld und Neue Grundsicherung

Bürgergeld (seit 1. Januar 2023) Geplante „Neue Grundsicherung“ (ab vorauss. 2026)
Vermögensprüfung & Karenzzeit
Im ersten Bezugsjahr gilt eine 12-monatige Karenzzeit: Vermögen wird erst danach geprüft; bis dahin sind 40 000 € für die erste Person plus 15 000 € je weiteres Haushaltsmitglied geschützt.
Die Karenzzeit entfällt vollständig. Schon ab Tag 1 wird Vermögen kontrolliert; die Freibetrags­grenze staffelt sich künftig nach der „Lebensleistung“ (bisherige Beitrags- bzw. Erwerbsjahre).
Wohnkosten
Während der Karenzzeit übernimmt das Jobcenter die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, auch wenn Wohnung oder Haus eigentlich zu groß oder teuer sind; erst nach 12 Monaten greift die Angemessenheits­prüfung.
Angemessenheit wird sofort geprüft; liegen die Kosten über der kommunalen Obergrenze, kann das Jobcenter schon im ersten Jahr einen Umzug oder Mietsenkung verlangen.
Regelbedarfe & Indexierung
2025 bleibt der Regelsatz unverändert bei 563 € („Nullrunde“). Die Höhe wird jährlich nach der Formel 70 % Preis- und 30 % Lohnentwicklung + Zuschlagsfaktor fortgeschrieben, was Inflations­spitzen stärker abbildet.
Die Koalition kehrt zum älteren Fortschreibungs­verfahren ohne Zusatzfaktor zurück; Preissteigerungen wirken erst zeitversetzt. Zum Startjahr 2026 soll der Satz nominal bei 563 € bleiben, real also sinken.
Sanktionen
Kürzungen beginnen bei 10 % und dürfen höchstens 30 % des Regelsatzes betragen; seit 2024 kann das Bürgergeld in Extremfällen für bis zu zwei Monate ganz ruhen.
Schon nach dem zweiten Meldeversäumnis kann die Zahlung vorläufig ausgesetzt werden; bei wiederholter Verweigerung zumutbarer Arbeit ist ein vollständiger Leistungs­entzug vorgesehen – ein Punkt, den Verfassungs­rechtler kritisch sehen.
Weiterbildungsgeld
Bürgergeld bietet ein Weiterbildungsgeld von 150 € pro Monat für Qualifizierung; der Vermittlungs­vorrang wurde abgeschafft.
Die Neue Grundsicherung verlagert Mittel von pauschalen Boni hin zu intensiverer Beratung und digitaler Vermittlung; Zuschläge wie Weiterbildungsgeld stehen auf dem Prüfstand und sollen gegebenenfalls zielgenauer gestaltet werden.

Wie sollen Regelsätze künftig berechnet werden?

Im Bürgergeld werden Preis- und Lohnentwicklung im Verhältnis 70 : 30 plus einer zusätzlichen „ergänzenden Fortschreibung“ herangezogen. Die Koalition will auf das ältere Verfahren zurückschalten: reine Fortschreibung nach Verbraucherpreisen und Durchschnittslöhnen ohne Zusatzklausel. Damit bliebe der Satz 2026–2027 voraussichtlich nominal stabil (563 €), real aber würde er sinken, weil Inflationsspitzen weniger durchschlagen.

Was ändert sich bei Vermögen und Wohnraum?

Die jetzige Karenzzeit von zwölf Monaten entfällt. Schon am ersten Tag prüft das Jobcenter, ob Vermögen oberhalb einer neu gestaffelten Grenze (orientiert an zurückgelegten Arbeitsjahren) vorhanden ist. Ebenso werden übergroße oder teure Wohnungen nicht mehr automatisch anerkannt; die Kommunen können schneller auf angemessenen Wohnraum verweisen.

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Welche Sanktionen sind vorgesehen – und wo liegt die verfassungs­rechtliche Grenze?

Künftig sollen Leistungen bereits nach dem zweiten versäumten Termin vorläufig einbehalten werden und nach drei Monaten Kontaktsperre ganz ruhen. Bei wiederholter Ablehnung zumutbarer Arbeit kann das Jobcenter sämtliche Leistungen einstellen.

Allerdings hat das Bundes­verfassungsgericht 2019 klargestellt, dass ein völliger Leistungs­entzug nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig ist; der Gesetzentwurf muss diese Rechtsprechung beachten, um nicht wieder kassiert zu werden.

Wie unterscheidet sich das Fördern?

Während das Bürgergeld Weiterbildungsgeld und Bürgergeld-Bonus vorsah, will die Neue Grundsicherung stärker auf direkte Vermittlung: Beratungsdichte wird erhöht, digitale Verfahren sollen Sachbearbeiter entlasten. Finanzierungsschwerpunkte verlagern sich von existenzsichernden Zahlungen hin zu Qualifizierung und Jobvermittlung.

Kurzfristig entstehen keine Kürzungen bei den Regelsätzen, weil deren Höhe verfassungsrechtlich über das Existenzminimum gedeckelt ist. Einspareffekte erwartet die Regierung mittelfristig durch geringere Fallzahlen und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.

Kritiker*innen – etwa Wohlfahrts­verbände – warnen vor höherem Verwaltungsaufwand und steigenden Kommunalkosten, wenn mehr Menschen Wohngeld oder ergänzende Leistungen beantragen müssen.
Merkur

Welche offenen Punkte gibt es im Gesetzgebungsverfahren?

Ein Referenten­entwurf des Bundesarbeitsministeriums wird für den Sommer 2025 angekündigt; bis Jahresende soll das Gesetz den Bundestag passieren. Unklar sind noch konkrete Schwellen für Schonvermögen, die Höhe künftiger Sanktionen in Prozent des Regelsatzes und die Ausgestaltung einer einheitlichen Kindergrundsicherung innerhalb des Systems.

Experten wie Dr. Utz Anhalt halten Detailarbeit bei Härtefallklauseln und Verfahrensrechten für unerlässlich, um erneute Normenkontrollklagen zu vermeiden.