Wohngeld statt Bürgergeld? Diese Familien können jetzt mehr Geld in der Tasche haben

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Das Jahr 2025 hat Bewegung in die Welt der Sozialleistungen gebracht. Mit dem Jahreswechsel ist das Wohngeld um rund 15 Prozent gestiegen. Für viele Haushalte mit knappem Einkommen stellt sich nun eine Frage: Kann Wohngeld – eventuell kombiniert mit anderen Leistungen – eine bessere Alternative zum Bürgergeld sein? Wir machen den Faktencheck und zeigen Chancen wie Risiken auf.

Wichtiges Urteil für eine freie Wahl der Leistungen

Ein BSG-Urteil vom 23. März 2021, Aktenzeichen B 8 SO 2/20 R, sorgte bereits 2021 für Schlagzeilen. In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) nicht bedeutet, dass Betroffene gezwungen sind, Wohngeld zu beantragen, bevor sie Sozialhilfe beanspruchen können. Wenn also der Verzicht auf Wohngeld und der Bezug von Sozialhilfe für die bedürftige Person günstiger ist (z. B. durch Zugang zu weiteren Vergünstigungen wie Sozialtickets oder Befreiungen, die an den Sozialhilfebezug geknüpft sind), kann sie diesen Weg wählen.

Die Ausgangslage: Mehr Wohngeld – weniger Druck vom Jobcenter?

Bislang galt: Wer Bürgergeld bezieht, bekommt in der Regel kein Wohngeld – die Miete zahlt das Jobcenter direkt, sofern sie als “angemessen” gilt. Die aktuelle Wohngelderhöhung zielt aber genau auf Menschen, die knapp über der Bürgergeld-Grenze liegen – etwa Geringverdienende oder Rentner\innen. Das Ziel: Diese Haushalte frühzeitig absichern, bevor sie auf Bürgergeld angewiesen sind.

Die Grundsatzfrage: Freiheit vom Jobcenter oder finanzielle Sicherheit?

Ein Wechsel vom Bürgergeld zu einem Paket aus Wohngeld, Kinderzuschlag und Kindergeld kann mehr bringen als nur Euro und Cent. Für viele spielt auch die Frage mit: “Wie viel Kontrolle will ich vom Amt?”

Das Bürgergeld bietet zwar eine umfassende Absicherung – inklusive Mietkosten und Zusatzbedarfen – ist aber eng an Mitwirkungspflichten und Sanktionen gebunden. Für Haushalte mit knappem Einkommen oder für Menschen, die auf mehr Selbstbestimmung setzen, kann das Wohngeld-Plus-Paket attraktiv sein: weniger Einmischung, mehr Eigenständigkeit.

Was steht finanziell gegenüber? Ein grober Vergleich:

Bürgergeld:

  • Regelsätze für alle Haushaltsmitglieder
  • Mehrbedarfe (z. B. Alleinerziehende, Schwangerschaft, Behinderung)
  • Übernahme der “angemessenen” Miet und Heizkosten
    Zusätzliche Vergünstigungen wie:
  • GEZ-Befreiung
  • Sozialtickets
  • Bildungspaket für Kinder

Wohngeld-Plus-Paket:

  • Erhöhtes Wohngeld (seit 2025 +15 %)
  • Kindergeld (255 €/Kind)
  • Kinderzuschlag (bis zu 297 €/Kind)
  • Lokale Zuschüsse (z. B. für Kita oder Energie)
  • Bildungspaket über den KiZ (inkl. möglicher KitaGebührenbefreiung)
  • Aber: Heizkosten, Strom und Miete müssen selbst gezahlt werden!

Für wen lohnt sich der Vergleich besonders?

Eine pauschale Antwort gibt es nicht – aber bestimmte Konstellationen sollten genau hinsehen:

1. Haushalte mit Erwerbseinkommen nahe an der Bürgergeld-Grenze:
Wer nur knapp aufstockt, kann mit dem Wohngeld-Plus-Paket unter Umständen mehr Netto herausholen – ohne Bürgergeld-Bezug.

2. Familien mit Kindern:
Durch Kindergeld + Kinderzuschlag + Wohngeld können Summen erreicht werden, die über dem Bürgergeld-Niveau liegen – und das mit mehr Eigenständigkeit.

3. Menschen mit starkem Wunsch nach Unabhängigkeit vom Jobcenter:
Wenn die finanzielle Differenz gering ist, kann der Verzicht auf Mitwirkungspflichten und Sanktionen ein echter Vorteil sein.

Zwei Szenarien im Vergleich (vereinfacht, Stand Mitte 2025)

Hinweis: Diese Rechenbeispiele sind grobe Näherungen! Die tatsächlichen Beträge hängen von Einkommen, Miete, Haushaltsgröße und weiteren Faktoren ab. Kein Ersatz für individuelle Beratung!

Szenario 1: Alleinerziehende mit 1 Kind (8 Jahre)

Einkommen: 1.200 € netto | Warmmiete: 650 €

Mit Bürgergeld (aufstockend):

  • Regelbedarf + Mehrbedarf + Miete = rund 1.670 € Bedarf
  • Nach Abzug von Freibeträgen: ca. 852 € anrechenbares Einkommen
  • Aufstockung: ca. 818 €
  • Verfügbares Einkommen: 1.200 € + 168 € = 1.368 €
  • Vorteile: GEZ-Befreiung, Bildungspaket

Mit Wohngeld-Plus-Paket:

  • Einkommen: 1.200 €
  • Kindergeld: 255 €
  • Kinderzuschlag: 297 €
  • Wohngeld (geschätzt): 300 €
  • Gesamteinkommen: 2.052 €
  • Nach Miete: ca. 1.402 € verfügbar
  • Vorteile: evtl. Kita-Gebührenbefreiung, mehr Autonomie
  • Nachteile: keine automatische GEZ-Befreiung

 

Szenario 2: Paar mit 2 Kindern (4 & 7 Jahre)

Einkommen: 2.000 € netto | Warmmiete: 850 €

Mit Bürgergeld (aufstockend):

  • Gesamtbedarf: ca. 2.609 €
  • Anrechenbares Einkommen: ca. 1.622 €
  • Aufstockung: ca. 987 €
  • Verfügbar: 2.137 € (nach Abzug Miete)
  • Vorteile: GEZ-Befreiung, Bildungspaket

Mit Wohngeld-Plus-Paket:

  • Kindergeld: 510 €
  • Kinderzuschlag (geschätzt): 400 €
  • Wohngeld: ca. 450 €
  • Gesamteinkommen: 3.360 €
  • Nach Miete: ca. 2.510 € verfügbar
  • Mehr Geld, weniger Kontrolle

Wichtige Fallstricke im Blick behalten:

  • Keine automatische GEZ-Befreiung bei Wohngeld
  • Heizkosten nicht vollständig abgedeckt – das kann bei steigenden Energiepreisen teuer werden
  • Mehr Anträge, mehr Aufwand: Man muss sich u. U. an verschiedene Stellen wenden (Wohngeldamt, Familienkasse)
  • Komplizierte Berechnungen: Ein kleiner Fehler beim Antrag kann teuer werden
  • Kleinbeträge verfallen: Wird unter 10 € Wohngeld berechnet, entfällt der Anspruch komplett

Lohnt sich der Wechsel? Nur eine individuelle Prüfung zeigt es.

Die jüngste Wohngelderhöhung und das Urteil des BSG eröffnen neue Spielräume für Menschen mit wenig Einkommen. Wer auf Bürgergeld angewiesen ist, kann – je nach Konstellation – finanziell und persönlich vom Umstieg profitieren.

Aber: Es gibt kein Patentrezept. Jede Lebenslage ist anders. Ein Rechenfehler oder eine falsch eingeschätzte Fördergrenze können den Vorteil wieder zunichtemachen.

Unsere Empfehlung:

  • Online-Rechner nutzen (Wohngeld + Kinderzuschlag)
  • Einnahmen und Ausgaben realistisch auflisten
  • Auch immaterielle Aspekte mitbedenken: Wie wichtig ist Unabhängigkeit vom Jobcenter?
  • Unabhängige Beratung einholen: Sozialverbände, Erwerbsloseninitiativen oder Verbraucherzentralen helfen weiter.