Viele Rentner entdecken erst nach geraumer Zeit Unstimmigkeiten in ihrem Rentenbescheid. Oft wird dann befürchtet, dass ohne fristgerechten Widerspruch keine Korrektur mehr möglich ist. Doch das Sozialrecht erlaubt auch nach Ablauf der Einmonatsfrist eine nachträgliche Prüfung und gegebenenfalls eine rückwirkende Neuberechnung.
Dabei gibt es für Betroffene zwei Wege: die unmittelbare Anfechtung während der noch laufenden Widerspruchsfrist oder ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, der selbst Jahrzehnte später greifen kann. Dieser Beitrag beleuchtet die Unterschiede, zeigt Schritt für Schritt, wie eine Rentenerhöhung erreicht werden kann, und erläutert, worauf im Detail zu achten ist.
Inhaltsverzeichnis
Warum Rentenbescheide häufig Fehler enthalten
Rentenbescheide beruhen auf den Meldungen, die unter anderem Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger und andere Institutionen vornehmen. Dabei kann es vorkommen, dass:
- Arbeitsentgelte unvollständig oder fehlerhaft gemeldet werden.
- Versicherungszeiten nicht korrekt erfasst sind, etwa für Auslandsaufenthalte.
- SV-Leistungen (Sozialversicherungsbeiträge) von Krankenkassen,
- Pflegeversicherungen oder anderen Stellen unzutreffend eingetragen sind.
Solche Diskrepanzen führen dazu, dass die Rente zu niedrig ausfällt. Wer dies erst nach Jahren bemerkt, muss sich dennoch nicht damit abfinden. Selbst ein abgelaufener Widerspruch steht einer Prüfung und Korrektur nicht grundsätzlich im Weg.
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Zwei Varianten, um den Rentenbescheid zu korrigieren
Grundsätzlich existieren zwei Optionen, um einen möglicherweise falsch berechneten Rentenbescheid anzufechten oder zu ändern:
- Innerhalb der Widerspruchsfrist
Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids kann form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt werden. - Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X
Auch nach Ablauf der Widerspruchsfrist ist eine Korrektur möglich, sofern das damals geltende Recht falsch angewendet oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde.
Variante 1: Widerspruch innerhalb der gesetzlichen Frist
Schnelles Handeln ist hier entscheidend. Wird ein Rentenbescheid beispielsweise am 4. Februar 2025 zugestellt, bleiben vier Wochen Zeit, um den Widerspruch schriftlich einzureichen. Der sicherste Weg ist ein Einschreiben mit Rückschein an die zuständige Rentenversicherung.
Nach Erhalt sollten alle Daten im Bescheid sorgfältig mit vorhandenen Nachweisen verglichen werden. Deuten offensichtliche Fehler wie unzutreffende Beitragszeiten auf eine falsche Berechnung hin, empfiehlt sich ein umgehender Widerspruch. Fällt die Prüfung positiv aus, wird ein neuer Rentenbescheid erstellt, der gegebenenfalls eine höhere Rente und eine entsprechende Nachzahlung ausweist.
Ob und in welchem Umfang Aufwendungen für Porto, professionelle Beratung oder andere Kosten erstattet werden, hängt vom jeweiligen Fall ab. Die Rentenversicherung legt dies im neuen Bescheid dar.
Variante 2: Antrag nach § 44 SGB X – auch nach vielen Jahren
Wer erst später Unstimmigkeiten entdeckt, kann einen Überprüfungsantrag stellen. Diese Möglichkeit besteht jederzeit, auch wenn der ursprüngliche Rentenbescheid schon vor Jahren rechtskräftig geworden ist.
Ein Beispiel:
Ein Rentner erhält am 1. Oktober 2022 seinen Rentenbescheid.
Er legt keinen Widerspruch ein.
Erst im Januar 2025 fiel auf, dass mehrere Entgeltmeldungen durch den Arbeitgeber fehlerhaft waren, sodass die Rente vermutlich zu niedrig berechnet wurde.
Da die Monatsfrist längst verstrichen ist, kommt § 44 SGB X zum Einsatz.
Das Sozialgesetzbuch X regelt die Rücknahme eines unanfechtbaren Verwaltungsakts, wenn das Recht falsch angewendet oder von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen wurde. Fehlmeldungen durch den Arbeitgeber – solange sie nicht auf vorsätzlichen Falschangaben der Rentenempfängerin bzw. des Rentenempfängers beruhen – gelten in der Regel als ausreichend für eine rückwirkende Korrektur.
Praxisbeispiel: Nachzahlung bei zu geringem Verdienstnachweis
Stellt eine Rentnerin oder ein Rentner am 5. Februar 2025 einen Überprüfungsantrag mit allen erforderlichen Nachweisen, prüft die Rentenversicherung, ob das früher festgestellte Einkommen tatsächlich zu niedrig angesetzt wurde. Liegen die Voraussetzungen für eine Korrektur vor, kann sich folgendes Vorgehen ergeben:
- Aufhebung der alten Rentenhöhe: Der ursprüngliche Bescheid wird hinsichtlich der Rentenhöhe außer Kraft gesetzt.
- Neuberechnung: Die Rente wird ab dem ursprünglichen Beginn (z. B. 1. Oktober 2022) mit den richtigen Daten erneut berechnet.
- Nachzahlung: Für den Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis zum 28. Februar 2025 erfolgt eine Nachzahlung der Differenz.
- Ausweisung neuer Beträge: Der Rentenbescheid gibt auf Seite 1 klar an, wie hoch die Nachzahlung ausfällt und welche Rente ab dem 1. März 2025 monatlich gezahlt wird.
- Zinsentscheidung: Ob der Nachzahlungsbetrag verzinst wird, beurteilt die Rentenversicherung nach rechtlichen Vorgaben.
Rechtliche Grundlage: § 44 SGB X im Fokus
Laut § 44 Absatz 1 SGB X ist ein unanfechtbarer Bescheid für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn aufgrund eines Fehlers eine zu geringe Leistung gewährt wurde. Entscheidend ist, dass kein eigenes vorsätzliches Fehlverhalten – etwa absichtliche Falschangaben der versicherten Person – vorliegt.
Betrifft der Fehler dagegen die Meldungen des Arbeitgebers oder eines Sozialversicherungsträgers, wird der Antrag in der Regel zugunsten der Rentnerin bzw. des Rentners entschieden.
Rentenbescheid prüfen lassen: Wann eine Fachberatung sinnvoll ist
Angesichts der Komplexität bei Rentenberechnungen lohnt es sich, den eigenen Bescheid genau unter die Lupe zu nehmen oder von Fachleuten prüfen zu lassen. Spezialisierte Rentenberaterinnen und Rentenberater identifizieren mögliche Lücken oder Fehlzeiten und übernehmen die Kommunikation mit der Rentenversicherung. Das ermöglicht auch:
Vollständige Kontenklärung ohne eigenen bürokratischen Aufwand.
Aufdeckung unerkannter Fehler in der Arbeits- oder Versicherungsbiografie.
Potenzielle Rentennachzahlungen oder Erhöhungen.
Gerade bei langjährigen Erwerbsbiografien, Auslandsaufenthalten oder sich ändernden Beschäftigungsformen kann eine professionelle Beratung entscheidend sein, um alle Ansprüche geltend zu machen.