Bürgergeld: Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht macht drastische Mietkostenkürzung unzumutbar

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Kostensenkungsaufforderung: Faktische Kürzung des Regelsatzes für eine Schwerstkranke um monatlich 278,62 € rechtswidrig
Behörden sind nach dem Gesetz verpflichtet den Einzelfall zu prüfen und von Amts wegen den Sachverhalt aufzuklären! Harald Thomé, Vorstandsmitglied von Tacheles e. V. gibt auf X bekannt:

“Eine schwer kranke Frau, im Jobcenterleistungsbezug, bekommt im Sommer letzten Jahres vom ihrem Jobcenter eine Aufforderung zur Kostensenkung der Miete, die Miete sei 278,62 € zu teuer. Ab dem 1. Nov. 2024 werde das Jobcenter die Leistungen um diesen Betrag reduzieren. Gleichzeitig sollte zum 1. Nov. ein Wechsel vom Jobcenter zur Sozialhilfe erfolgen.”

Trotz Vorlage eines ärztlichen Attestes von der Hilfebedürftigen, wonach ihr die krankheitsbedingte Unmöglichkeit eines Umzuges bescheinigt wird, geht das Jobcenter nicht darauf ein.

Dem Sozialamt war das Attest nicht ausreichend

Das Sozialamt senkte die Mietkosten der Leistungsbezieherin – ohne weitere Prüfung des Sachverhalts – um 278,62 € im Monat.

Wovon sollte die Hilfebedürftige nun leben? Guter Rat war teuer

Um diese gravierende Notlage zu überbrücken, verkaufte die Schwerstkranke ihren Schmuck und lieh sich Geld von Bekannten.

So ein Zustand macht was mit uns Menschen, der gesundheitliche Zustand der Klägerin verschlechterte sich zunehmend.

Harald Thomé dazu auf X Wort wörtlich

“Im Widerspruch und nachfolgendem Schriftverkehr zwischen Tacheles und dem Sozialamt machte sich das Sozialamt einen schlanken Fuß. Alle Entscheidungen seien mit der Rechtsstelle abgesprochen, hieß es immer wieder.”

Das Sozialamt kürzt monatlich den Regelsatz um 278,62 € wegen zu teurer Unterkunft und vertritt auch noch die Auffassung, dass das Gesundheitsamt ja – später prüfen könnte, ob der Umzug aus medizinischen Gründen nicht möglich sei.

Der Weg zur Untersuchung ist aber für unsere Klientin krankheitsbedingt kaum durchführbar so ausdrücklich Harald Thomé, einen Hausbesuch lehnt das Gesundheitsamt ab und der Schaden war für die Klientin in Höhe von 278,62 € jeden Monat da und absolute Existenzangst.

Sachverhalt

Der Vortrag der kranken Hilfebedürftigen wurde vom Jobcenter einfach ignoriert und damit ist das Jobcenter seinen Pflichten – nicht nach gekommen, es muss den Sachverhalt nämlich aufklären.

Ganz klar liegt hier ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflichten und Berücksichtigungsgebot von § 20 Abs. 1, Abs. 2 SGB X vor.

Auch das Sozialamt untersuchte den Sachverhalt nur ungenügend, sie kürzen statt dessen als 1. die Unterkunftskosten sofort!

Sozialamt vertritt die Meinung, dass die Kürzung der Unterkunftskosten im SGB XII keine aufschiebende Wirkung habe – Irrtum sagt Harald Thomé

§ 86a Abs. 1 SGG schreibt dies eindeutig vor.

Nach intensivster Darlegung der Sach- und Rechtslage und massivem Druckmachen durch Tacheles, hat das Sozialamt nach vier Monaten dem Widerspruch doch stattgegeben.

Eine faktische Kürzung des Regelsatzes in Höhe von 278,62 € für einen Menschen, der so schwer krank ist, dass er kaum noch aus der Wohnung kommt, ist nicht akzeptabel, so der Vorstandsvorsitzende von Tacheles e. V.

Aber Alles wurde noch gut

Denn das Sozialamt hat die Kurve noch ohne Gerichtsverfahren gekriegt. Das aber erst, nachdem wir die Führungsebene des Sozialamts mehrfach auf den Fall aufmerksam gemacht haben und sehr deutlich gemacht haben, dass das Handling in dem Fall absolut nicht in Ordnung ist.

Die schwerstkranke Leistungsbezieherin bekommt das Geld nach gezahlt, aber der verkaufte Schmuck ist weg und die Angst, wie es weiter geht, weiterhin da.

𝐎𝐡𝐧𝐞 𝐝𝐢𝐞 𝐔𝐧𝐭𝐞𝐫𝐬𝐭𝐮̈𝐭𝐳𝐮𝐧𝐠 𝐯𝐨𝐧 𝐓𝐚𝐜𝐡𝐞𝐥𝐞𝐬 𝐰𝐚̈𝐫𝐞 𝐮𝐧𝐬𝐞𝐫𝐞 𝐊𝐥𝐢𝐞𝐧𝐭𝐢𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐟𝐚𝐜𝐡 𝐮𝐧𝐭𝐞𝐫𝐠𝐞𝐠𝐚𝐧𝐠𝐞𝐧.𝐁𝐞𝐫𝐚𝐭𝐮𝐧𝐠 𝐡𝐢𝐥𝐟𝐭 𝐮𝐧𝐝 𝐢𝐬𝐭 𝐮𝐧𝐚𝐛𝐝𝐢𝐧𝐠𝐛𝐚𝐫 𝐧𝐨𝐭𝐰𝐞𝐧𝐝𝐢𝐠.

Quelle: Harald Thomé

Praxistipp:

Gesundheitliche gründe können im Rahmen einer Kostensenkungsaufforderung durch das Jobcenter/Sozialamt den Umzug aus medizinischen Gründen – unzumutbar – machen.

Sogar ein Verbleib in der nach Ansicht zu teuren Mietwohnung ist möglich ( BSG Rechtsprechung )

Persönliche Anmerkung

Zweifelt die Behörde das ärztliche Attest an, kann es um Begutachtung beim Gesundheitsamt bitten bzw. fordern im Rahmen der Mitwirkungspflichten.

Wenn eine Sozialbehörde aber zuerst die Mietkosten drastisch senkt, den Sachverhalt nicht aufklärt und am Rande anmerkt, man könne ja eine Begutachtung später vornehmen, denn ist diese Verhalten einfach nur zu missbilligen!!