Suchterkrankung als Schwerbehinderung anerkannt: So bekommt man den Grad der Behinderung

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Suchterkrankungen (ob durch Alkohol, Heroin, Amphetamine oder andere Substanzen), schrรคnken Betroffene oft massiv ein โ€“ kรถrperlich, psychisch und geistig. Rechtfertigt eine solche Erkrankung einen Grad der Behinderung oder sogar eine Schwerbehinderung?

Wir zeigen Ihnen in diesem Beitrag die Kriterien fรผr einen anerkannten Grad der Behinderung. Wir klรคren, wie und ob eine Suchterkrankung diese Einschรคtzung beeinflusst, und worauf Sie achten mรผssen.

Suchterkrankungen kรถnnen Ursache fรผr einen Grad der Behinderung sein

Zuerst einmal: Ein Grad der Behinderung ist nicht in erster Linie von der Ursache abhรคngig, sondern davon, wie weit die Betroffenen durch ihre Beeintrรคchtigungen in der gesellschaftlichen Teilhabe eingeschrรคnkt sind.

Deshalb kรถnnen Suchterkrankungen zu einer psychischen, kรถrperlichen und geistigen Behinderung fรผhren, wenn die Folgen der Sucht den Alltag entsprechend einschrรคnken.

Schwerbehinderung bei Alkoholkrankheit

Eine Alkoholkrankheit liegt medizinisch dann vor, wenn chronischer Alkoholkonsum zu kรถrperlichen, psychischen oder geistigen Schรคden gefรผhrt hat. Das reicht von Leberschรคden รผber organisch-psychische Verรคnderungen bis zu hirnorganischen Anfรคllen. Abhรคngigkeit und die suchtspezifische Verรคnderung der Persรถnlichkeit schrรคnken die Teilhabe an der Gesellschaft weiter ein.

Je nach dem AusmaรŸ dieser Einschrรคnkungen liegt ein entsprechender Grad der Behinderung vor. Nur schwere, chronische Abhรคngigkeit mit deutlichem Kontrollverlust und erheblichen sozialen/beruflichen Folgen erreicht in der Regel GdB 50. Leichtere Fรคlle erhalten oft GdB 30โ€“40 oder gar keinen.

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Die Heilungsbewรคhrung bei Suchterkrankungen

Behinderungen aufgrund von Suchterkrankungen zรคhlen in der Regel zu denjenigen, die prinzipiell heilbar sind. Die Versorgungsmedizinischen Grundsรคtze (VMG, Teil B Nr. 18.8) sehen nach Entzug eine sog. Heilungs- bzw. Abstinenzยญbewรคhrungsfrist von in der Regel zwei Jahren vor. Wรคhrenddessen wird hรคufig GdB 20โ€“30 angesetzt, sofern keine bleibenden Organschรคden oder schweren psychischen Stรถrungen vorliegen.

Mรถglich ist allerdings, dass alkoholbedingte organische Schรคden vorliegen, etwa Stรถrungen des Hirnstoffwechsels, Nervenstรถrungen, Leberkrankheiten oder Herz-Kreislauf-Beschwerden. Diese rechtfertigen dann einen hรถheren Grad der Behinderung.

Der Einzelfall entscheidet bei einer Suchterkrankung

Bei Alkoholproblemen kommt es also immer auf den Einzelfall an, ob diese einen Grad der Behinderung bedingen. Das heiรŸt, entscheidend sind die konkreten und objektiven medizinischen Umstรคnde. Sie mรผssen also im Vorfeld unbedingt mit Ihren behandelnden ร„rzten klรคren, ob Ihre Erkrankung einen Grad der Behinderung rechtfertigen kรถnnte.

Bevor Sie einen Antrag auf Feststellung eines Grades der Behinderung stellen, verfasst Ihr Arzt also einen medizinischen Befund, in dem er genau klรคrt, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Sie aufgrund Ihrer Erkrankung welche Einschrรคnkungen haben.

Ein Alkoholtagebuch ist hilfreich

Sinnvoll ist es auch, dass Sie ein Alkoholtagebuch fรผhren, in dem Sie genau festhalten, welche Probleme Sie im Alltag aufgrund Ihrer Sucht haben โ€“ von riskanten Situationen bis zu Kontrollverlust, von kรถrperlichen Beschwerden bis zu psychischen Stรถrungen. Diese ergรคnzen die medizinischen Diagnosen und kรถnnen fรผr die Bewertung durch das Versorgungsamt sinnvoll sein.

Schรถnreden kann Sie den Grad der Behinderung kosten

Ein ehrliches Alkoholtagebuch ist auch deshalb wichtig, da viele Alkoholkranke die Krankheit leugnen โ€“ vor sich selbst und anderen. Gegenรผber dem Versorgungsamt kann ein solches Verhalten Sie zumindest einen hรถheren Grad der Behinderung kosten. Wenn Sie Ihren Zustand nรคmlich besser darstellen, als er ist, dann wird das Amt Sie vermutlich beim Wort nehmen und einen geringeren Grad der Behinderung feststellen, als angemessen wรคre.

Weiterer Ablauf der Beantragung

Sie stellen beim zustรคndigen Versorgungsamt mit den Unterlagen dann einen Antrag auf Erteilung eines Grades der Behinderung. Das Amt prรผft Ihren Fall dann zum einen anhand der Akten, und zum anderen durch eine eigene sozialmedizinische Untersuchung.

Alkohol- und Drogenabhรคngigkeit allein rechtfertigt keinen Grad der Behinderung

Die Sucht allein rechtfertigt also noch keinen Grad der Behinderung. Behinderung bedeutet vielmehr, dass ein Mensch wegen bestimmter Einschrรคnkungen nicht so am Leben teilhaben kann wie eine vergleichbare Gruppe von Menschen.

Wenn Sie ein sogenannter funktionaler Alkoholiker sind, also zwar unter der Sucht leiden, aber im Alltag funktionieren und keine Folgeerkrankungen haben, dann bekommen Sie recht sicher keinen Schwerbehindertenausweis und keinen anderen Grad der Behinderung.

Problematische Richtlinien

Die Richtlinien fรผr die Feststellung einer Schwerbehinderung wegen Alkoholismus oder Drogensucht sind in der Praxis fรผr die Betroffenen hochproblematisch. So ist ein zentrales Kriterium fรผr einen Grad der Behinderung von 50 bis 100 der Kontrollverlust.

Zugleich sinkt der Grad der Behinderung, wenn ein Alkoholiker trocken oder ein Heroinabhรคngiger clean ist. Dabei ist medizinisch inzwischen klar, dass es sich bei solchen Suchterkrankungen um nachhaltige Stรถrungen des biochemischen Stoffwechsels handelt, und der Begriff โ€žHeilungsbewรคhrungโ€œ nicht trifft.

Der Verzicht bedeutet selbst eine Einschrรคnkung an der gesellschaftlichen Teilhabe

Wer alkoholkrank und trocken ist, wird auch nach Jahren der Abstinenz bereits nach einem Glas Wein den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren kรถnnen. Es bedeutet stรคndige Disziplin und enorme Anspannung, dem Suchtdruck zu widerstehen โ€“ und dies ist ebenfalls mit starken Einschrรคnkungen verbunden.

Viele Betroffene halten es deshalb fรผr ungerecht, dass ihr Grad der Behinderung auf 30 sinkt oder sogar aufgehoben wird, weil sie โ€žtrockenโ€œ sind.

Fazit

Krankheit und Behinderung sind nicht das Gleiche. Der Grad einer Behinderung richtet sich nach den Einschrรคnkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe. Suchterkrankungen fรผhren hรคufig zu Beeintrรคchtigungen, die einem Grad der Behinderung entsprechen, und insofern sind sie oft die Grundlage eines Grades der Behinderung โ€“ wenn auch nicht unmittelbar.