Eine faire Einstufung in den Pflegegrad entscheidet, wie viel Geld und Unterstützung Sie von der Kasse erhalten. Wer den Hausbesuch gut vorbereitet, steigert die Chance auf korrekte Leistungen – im Zweifel bis zu 990 Euro Pflegegeld pro Monat.
Inhaltsverzeichnis
Die Einstufung bestimmt den Geldbeutel
Pflegekassen zahlen erst, wenn ein offizieller Pflegegrad vorliegt. Jede Stufe (1 bis 5) öffnet andere Leistungspakete: von einfachen Entlastungsbeträgen bis zu umfassender Sach und Kombinationspflege.
Ein Grad zu niedrig kann pro Jahr vierstellige Summen kosten. Wer früh beantragt, sichert rückwirkende Ansprüche und entlastet Angehörige schneller.
Was Gutachterinnen und Gutachter tun
Die Kasse beauftragt beim Antrag den Medizinischen Dienst (privat: Medicproof). Dessen Fachkräfte besuchen die Antragstellenden zu Hause, prüfen Selbstständigkeit, rechnen Punkte zusammen und schlagen einen Pflegegrad vor.
Gesetzlich dürfen sie sich vorher ankündigen; spontane Besuche sind unzulässig. Seit der Umstellung 2017 erfasst das „Neue Begutachtungsassessment“ vor allem, wie gut jemand den Alltag alleine bewältigt – nicht mehr, wie viele Minuten Pflege andere leisten.
Sechs Module, ein Ergebnis
Mobilität, geistige Fähigkeiten, Verhalten, Selbstversorgung, Umgang mit Therapie sowie Alltagsgestaltung bilden den Bewertungsrahmen. Jedes Modul trägt prozentual zur Gesamtpunktzahl bei.
Grenzwerte für die Grad-Einstufung hat der Gesetzgeber festgelegt: ab 12,5 Punkte Pflegegrad 1, ab 47,5 Punkte Pflegegrad 3, oberhalb 90 Punkte Pflegegrad 5. Die europaweit diskutierte Reform 2025 will diese Schwellen unangetastet lassen, aber einige Leistungssätze erhöhen.
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Vorbereitung: Alltag realistisch dokumentieren
Fachverbände raten zu einem Pflegetagebuch über mindestens sieben Tage. Notieren Sie, wann genau Hilfe nötig ist – vom morgendlichen Aufstehen bis zur Abendmedikation.
Vermerken Sie Wegezeiten, nächtliche Störungen und emotionale Belastungen. Diese Notizen leiten durch das Gespräch und schützen vor Beschönigung aus Scham – oder Übertreibung in Stresssituationen. Kostenlose Vordrucke stellen Verbraucherzentralen und Krankenkassen online bereit.
Wichtige Unterlagen griffbereit
Arztberichte, Entlassungsbriefe, Medikamentenpläne, der Schwerbehindertenausweis und Belege zu Hilfsmitteln erleichtern der Fachkraft eine schnelle Einschätzung. Wer bereits einen Pflegedienst nutzt, legt dessen Dokumentation bei. So vermeiden Sie Rückfragen und verkürzen die Bearbeitungszeit, die laut Gesetz maximal 25 Arbeitstage betragen darf.
MiniCheckliste
- Aktuelle medizinische Unterlagen in Kopie
- Pflegetagebuch der letzten Woche
- Liste aller Hilfsmittel und Therapien
Angehörige als glaubwürdige Zeuginnen
Bei körperlicher oder kognitiver Einschränkung können Verwandte Symptome sachlicher schildern. Sie fangen Nervosität ab und erinnern an Details, falls die pflegebedürftige Person etwas vergisst.
Offenes Sprechen lohnt: Wer den Toilettengang alleine nicht schafft, sollte das sagen. Beschönigung führt oft zu einer zu niedrigen Einstufung – und zwingt später zu Widerspruch oder Klage.
Nach dem Besuch: Bescheid prüfen, Frist nutzen
Die Kasse versendet den Bescheid samt Gutachtenauszug. Stimmt der Pflegegrad nicht, haben Sie einen Monat Zeit für schriftlichen Widerspruch. Dann erstellt eine zweite Fachkraft ein neues Gutachten. Bleibt das Ergebnis strittig, entscheidet das Sozialgericht; Kosten dafür tragen Betroffene nicht. Laut BIVA gewinnen rund 45 Prozent der Klägerinnen und Kläger in diesem Stadium einen höheren Pflegegrad.
Ablauf der Pflegebegutachtung in 30 Tagen
| Schritt | Verantwortlich · Frist · Ihr Vorteil/Handlung |
| Antrag stellen | Versicherte / Angehörige · Tag 0 · Rückwirkende Leistungen ab Antragsdatum sichern |
| Terminankündigung | MD bzw. Medicproof · innerhalb 10 Arbeitstagen · Zeit für Pflegetagebuch und Unterlagen |
| Hausbesuch | Gutachter*in · Tag 7–20 · Situation realistisch schildern, Angehörige dabei haben |
| Gutachten an Pflegekasse | MD bzw. Medicproof · spätestens Tag 25 · Pflegegrad-Vorschlag basiert auf Punktzahl |
| Bescheid erhalten | Pflegekasse · Tag 25–30 · Prüfen, bei Bedarf innerhalb 1 Monat Widerspruch einlegen |
Neue Regeln seit Juli 2025
Entlastungsbudget: Für Kurzzeit und Verhinderungspflege stehen nun 3 539 Euro jährlich gebündelt zur Verfügung.
Rentenpunkte für Pflegende: Wer Angehörige ab Pflegegrad 2 mindestens zehn Stunden pro Woche versorgt, erhält zusätzliche Beiträge, selbst wenn er oder sie schon Altersrente bezieht.
Digitale Erstberatung: Viele Kassen bieten inzwischen VideoSprechstunden an, um offene Fragen vor dem Hausbesuch zu klären.
Prüfen Sie, ob das kalkulierte Pflegegeld zu Ihrem Pflegegrad passt
| Pflegegrad | Leistungen & Beträge |
| 1 | Pflegegeld: –; Sachleistungen ambulant: –; vollstationär: 125 € Zuschuss/Monat; Entlastungs-Budget: 1 500 € pro Jahr |
| 2 | Pflegegeld: 347 €/Monat; Sachleistungen ambulant: 761 €/Monat; vollstationär: 770 €/Monat; Entlastungs- & Kurzzeit-Budget: 3 539 € pro Jahr |
| 3 | Pflegegeld: 545 €/Monat; Sachleistungen ambulant: 1 826 €/Monat; vollstationär: 1 262 €/Monat; Entlastungs- & Kurzzeit-Budget: 3 539 € pro Jahr |
| 4 | Pflegegeld: 728 €/Monat; Sachleistungen ambulant: 2 275 €/Monat; vollstationär: 1 775 €/Monat; Entlastungs- & Kurzzeit-Budget: 3 539 € pro Jahr |
| 5 | Pflegegeld: 990 €/Monat; Sachleistungen ambulant: 2 898 €/Monat; vollstationär: 2 005 €/Monat; Entlastungs- & Kurzzeit-Budget: 3 539 € pro Jahr |
Kombinationsleistungen, Pflegezeit & Steuerbonus
Kombinationsleistungen: Wer Pflegesachleistungen (ambulanter Dienst) und Pflegegeld (Angehörige) mischt, bekommt das Restbudget als anteiliges Pflegegeld ausgezahlt. Beispiel: Bei Pflegegrad 3 werden 50 % der Sachleistung genutzt (913 € von 1 826 €), das übrige Geld (50 %) fließt als Pflegegeld (272 € statt 545 €) aufs Konto.
Pflegezeit & Familienpflegezeit: Bis zu sechs Monate komplette Jobauszeit oder 24 Monate Teilzeit möglich; der Staat bietet zinslose Darlehen. Hilft, die Lücke zwischen Antrag und Bewilligung zu überbrücken.
Pflegeunterstützungsgeld: Für akut auftretende Pflegefälle erstattet die Kasse bis zu zehn Arbeitstage Verdienstausfall (90 % des Nettolohns, gedeckelt).
Steuer-Tipp: Pflegebedürftige (Grad 2+) können einen erhöhten Pauschbetrag (bis 1 266 €) ansetzen. Angehörige, die privat pflegen, setzen Pflegekosten als außergewöhnliche Belastung ab.




