Das Landesgericht Baden-Wรผrtetemberg entschied: Wer wegen einer Behinderung wรคhrend der Arbeitszeit nicht allein auf Toilette gehen kann, ist deswegen berechtigt zu einer Rente wegen Erwerbsminderung (AZ: L 13 R 5780/09).
Das Gericht entschied damit gegen die Rentenversicherung, die dem Betroffenen eine Tรคtigkeit als Pfรถrtner zuweisen wollte, obwohl er nur in Jogginghose eigenstรคndig die Toilette nutzen kann.
“Die Rentenversicherung wollte, dass ich als Pfรถrtner in Joggingshose arbeite und mir deshalb die EM-Rente verwehren.”
Dagegen hatte sich jedoch der Betroffene erfolgreich vor Gericht gewehrt.
Worum ging es?
Der Betroffene ist contergangeschรคdigt und hat deshalb stark verkรผrzte Arme. Seine Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenke sind nur rudimentรคr entwickelt. An den Hรคnden hat er nur jeweils drei und vier Finger.
1999 wurde er aus einer Reha als arbeitsunfรคhig entlasten, da ihm die Ausdauerbelastbarkeit fehlte. Er stellte daraufhin einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente.
Diesen begrรผndete er auch damit, dass er nicht ausreichend greifen kรถnne, um wรคhrend der Arbeit eigenstรคndig zur Toilette zu gehen. Zuhause sei ihm dabei seine Frau behilflich, und er trage dort zudem eine Jogginghose mit Gummizug.
Teilweise Erwerbsminderung?
Die Rentenversicherung meinte hingegen, er kรถnne mindestens sechs Stunden pro Tag im allgemeinen Arbeitsmarkt beschรคftigt sein, und das trotz seiner Einschrรคnkungen. Dabei nannte sie mรถgliche Beschรคftigungen wie die als Museumsaufsicht oder als Pfรถrtner.
Der Betroffene klagte, und bereits die erste Instanz gab ihm Recht. Die besondere Leistungsbehinderung des Klรคgers lieรe eine Arbeit als Pfรถrtner nicht zu. Das Gericht begrรผndete, der Betroffene kรถnne seine Hose nicht allein รถffnen und schlieรen. Zudem brรคuchte er Hilfe, um Schriftstรผcke oder Gegenstรคnde entgegen zu nehmen.
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Tรคtigkeit als Pfรถrtner zumutbar?
Dagegen behauptete die beklagte Rentenversicherung, der Klรคger kรถnne trotz der bestehenden Einschrรคnkungen noch mindestens sechs Stunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tรคtig sein.
In Jogginghose kann man nicht als Pfรถrtner arbeiten
Es ging weiter zum Landessozialgericht. Dieses stimmte zu, dass eine Arbeit als Pfรถrtner fรผr den Betroffenen unzumutbar sei und schloss sich den Argumenten des Sozialgerichtes an. Ein Pfรถrtner mรผsse ein bestimmtes รคuรeres Erscheinungsbild zeigen und kรถnne nicht in Jogginghose seinen Beruf ausรผben.
Doch nur in Jogginghose kรถnne der Betroffene allein die Toilette aufsuchen. Umgekehrt sei es nicht zumutbar, dass er sechs Stunden lang wรคhrend der Arbeit nicht die Toilette nutze.
Er kรถnne also diese Tรคtigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausรผben. Denn er brรคuchte eine Hilfsperson, um die Toilette aufzusuchen.
Dem Betroffenen steht eine Erwerbsminderungsrente zu
Beide Instanzen sind sich einig, dass dem Betroffenen eine Erwerbsminderungsrente zusteht. Das Landessozialgericht fรผhrte sogar aus, dass der Klรคger zu keinem Zeitpunkt erwerbsfรคhig gewesen sei, und dies nicht einmal mit behindertengerechten Fรถrderungen.