Die Bundesregierung hat die Wohngeldreform auf den Weg gebracht. Ab 2023 werden dadurch viele Hunderttausende Menschen Wohngeldberechtigt und sind damit nicht mehr auf Hartz IV bzw. auf das Bürgergeld angewiesen. Doch die Behörden melden bereits jetzt eine Überforderungssituation – und diese führt zu enormen Problemen für die Antragstellende.
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Was ist neu beim Wohngeld?
Das neue Wohngeldgesetz soll ab dem ersten Januar 2023 gelten. Durch die Anpassung und Erhöhung der Wohngeldleistungen sollen Haushalte mit niedrigem Einkommen unterstützt werden.
Demnach soll das Wohngeld von durchschnittlich 177 Euro auf 370 Euro pro Monat deutlich steigen. Damit verdoppelt sich das Wohngeld zum 1. Januar 2023.
Zusätzlich sinken die Hürden, um Wohngeld beziehen zu können, deutlich, damit rund 2 Millionen Haushalte in Deutschland wohngeldberechtigt werden.
Um die stetig steigenden Kosten für Energie und energieeffiziente Sanierungen entstehenden höheren Wohnkosten abzufedern, wird das neue Wohngeld diese 3 Komponenten enthalten:
1. Einführung einer Heizkostenkomponente: Dies ist ein Zuschlag auf die zu berücksichtigende Miete oder Belastung in die Wohngeldberechnung
2. Einführung einer Klimakomponente
3. Anpassung der Wohngeldberechnungsformel
Deutlich mehr Antragsberechtigte
Die Reform führt dazu, dass sich die Anzahl der Wohngeldhaushalte von rund 600.000 Haushalte auf zwei Millionen Haushalte erhöht. Das wird durch eine Anhebung des allgemeinen Leistungsniveaus (u. a. durch Anpassung der Wohngeldformel) möglich.
Demnach haben ab 2023 rund viermal so viele Menschen einen Anspruch auf Wohngeld, vorher. Die Betroffenen benötigen den Zuschuss dringend, weil hohe Energiekosten und Inflation die finanzielle Kaufkraft stark schmelzen lässt.
Personalmangel in den Behörden
Gleichzeitig herrscht Personalmangel in den Ämtern, warnen die Kommunen und Länder, die für das Wohngeld zuständig sind. Aus diesem Grund warnen die Verantwortlichen vor monatelangen Verzögerungen bei der Antragsbearbeitungen und Auszahlung.
„Schon heute dauert die Bearbeitung eines Wohngeldantrags drei bis sechs Monate“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Die Wartezeit wird sich nach seiner Einschätzung deutlich ausweiten. Die Umsetzung droht zum “Kollaps” bis weit in das kommende Jahr zu werden, so Landsberg weiter.
Konflikte werden erwartet
Es wird zu erwarten sein, dass die Jobcenter Hartz IV/Bürgergeld Leistungen den Antragstellenden versagen und auf den Anspruch auf Wohngeld verweisen. “Hier wird nächstes Jahr mit Sicherheit eine größere Konfliktlinie entstehen”, warnt auch der Sozialrechtsexperte Harald Thomé von Tacheles e.V.
Nicht abwimmeln lassen
Die Faktenlage ist aber: Solange keine Wohngeldleistungen ausgezahlt sind, ist kein Einkommen vorhanden, dass den Nicht-Bezug rechtfertigen würde. Hier muss die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesarbeitsministerium per Weisung klarstellen, dass so lange kein Wohngeld bezogen wird, ein Anspruch auf SGB II bzw SGB XII besteht.
Temporäre Hilfebedürftigkeit durch Heizkostenforderung
Zusätzlich muss via Weiungs klargestellt werden, dass trotz Wohngeldanspruch und Zahlung “durch eine Betriebs- und Heizkostenforderung oder durch Bevorratungskosten von Heizmaterialien eine temporäre Hilfebedürftigkeit in den Grundsicherungssytemen entstehen kann”, so Thomé.
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Bis Januar ist keine ausreichende Ausstattung der Wohngeldstellen mit qualifiziertem Fachpersonal erreichbar. Laut einer Umfrage der Zeitung “Die Welt” in den 10 größten Städten Deutschlands wird es z zweieinhalb- bis fünfmal so hohen Antragszahlen kommen.
Bundesregierung versucht zu beschwichtigen
Die Sprecherin von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) versucht indes zu beschwichtigen. Bis Ende Juni 2023 sollen die Jobcenter angewiesen werden, Antragstellende nicht umgehend zur Wohngeldstelle zu verweisen, die zuvor Sozialhilfe oder Hartz IV berechtigt waren. So soll der Antrags- oder Bearbeitungsstau abgemildert werden.
Allerdings ist die Situation in den Jobcentern ebenfalls angespannt. Bereits jetzt warnt der Sprecherrat des Bundesnetzwerks Jobcenter in einem Anschreiben, vor eine Überlastungssituation aufgrund der Bürgergeld-Umstellung in den Behörden.
Jobcenter müssen Situation ausbaden
Wie der Sprecherrat weitermitteilte, wird befürchtet, dass die Jobcenter die Wohngeldreform ausbaden müssen. Wenn die Antragstellenden überlang auf das Wohngeld warten müssen, muss das Bürgergeld weitergezahlt werden.
Zusätzlich benötigen immer mehr Menschen Sozialleistungen, weil die Energiekosten zu hoch und die Lebensmittelpreise ansteigen. Die Jobcenter erleben außerdem eine Antragsflut von Flüchtenden aus der Ukraine.
“Die Leistungsfähigkeit der Jobcenter ist an ihren absoluten Grenzen und darüber hinaus”, so der Sprecherrat. Eine zeitnahe Bearbeitung und Erledigung der Aufgaben wären dann nicht mehr möglich.
Ausbaden müssen es die Leistungsberechtigten. So oder so müssen sich Hunderttausende auf lange Bearbeitungszeiten einstellen. (Bild: Rainer Sturm / pixelio.de)
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